Sozialistische Zeitung |
Die Fernsehbilder Ende Dezember erinnerten an die dunkelsten Zeiten der Militärdiktatur in der Türkei.
Schwerbewaffnete Militärs gehen mit Gewehren und Gasbomben gegen über tausend politische Gefangene vor. Bagger reißen Wände der
Gefängnisanstalten ein. "Das Militär hat drei Gefangene bei lebendigen Leib verbrannt", schreit eine schwerverletzte Frau, als sie auf einer
Bahre festgeschnallt in ein Hospital gebracht wird. Offizielle türkische Stellen sprechen von 30 toten Gefangenen und loben den großen Erfolg der
Operation.
Währenddessen werden die in türkischen Städten protestierenden
Angehörigen der Gefangenen brutal in Gefängnisbusse geprügelt und festgenommen. Die Büros von Menschenrechtsorganisationen werden
in vielen Städten der Türkei geschlossen.
Schon Wochen vorher machten Schlägertrupps der rechtsextremen Regierungspartei MHP in
den türkischen Großstädten mobil. Parteihäuser der linken ÖDP wurden von MHP-Anhängern gestürmt, ihre Mitarbeiter
mit dem Tod bedroht und schwer verletzt.
Mit der Zerschlagung der Gefangenenkollektive und der blutigen Verfrachtung der Häftlinge in
die Isolationszellen hat sich die Türkei ihrer EU-Mitgliedschaft ein gewaltiges Stück genähert. Die liberale türkische Tageszeitung Yeni
Binyil bezeichnete die neuen Knäste prägnant als "EU-Typ-Gefängnisse".
Doch bevor die Isolationsgefängnisse zu diesem EU-Standard wurden, hatten sie ihre
Bewährungsprobe schon in der BRD bestanden. "Sensorische Deprivation" hieß der wissenschaftliche Begriff für eine Foltermethode,
die Ende der 60er Jahre an der Universitätsklinik Hamburg zum Forschungsgegenstand geworden war. Man wollte erkunden, wie Menschen reagieren, denen
sämtliche sinnlichen Reize entzogen werden.
Als Versuchsobjekte dienten politische Gefangene. Eine der Prominentesten war die RAF-
Mitbegründerin Ulrike Meinhof, die vom 16.6.1972 bis zum 9.2.1973 im Toten Trakt des Hochsicherheitsgefängnis Köln-Ossendorf inhaftiert war.
Die Isolationshaft wurde bald zum deutschen Exportschlager, zur modernen Variante der
Weißen Folter, die keine Spuren am Körper hinterläßt, aber die Psyche des Menschen angreift. Seit den 70er Jahren geben sich
Sicherheitsexperten aus aller Welt in deutschen Hochsicherheitstrakten die Klinke in die Hand.
In der BRD kamen in den Hochsicherheitsgefängnissen fast alle Führungskader der RAF
zu Tode. Die offizielle Version lautete stets Selbstmord. Eine Argumentation, die zur Zeit in der Türkei wiederholt wird. Der staatliche Angriff auf die
Gefängnisse war noch im Gange, da wurde schon behauptet, dass sich die Gefangenen selbst verbrannt hätten.
Man habe mit der "Brücke ins Leben" betitelten Aktion das Leben der Gefangenen
retten wollen, hieß es von Regierungsseite. Die Augenzeugenberichte der überlebenden Gefangenen ergaben ein anderes Bild. Sie berichteten, dass viele
Gefangene mit Gasbomben lebendig verbrannt wurden, dass Gefangene erschlagen und erschossen oder gefoltert wurden.
Während die Massaker in den Gefängnissen noch im Gange waren, ging ziemlich
unbeachtet eine kleine Meldung durch die Medien. Am 22.Dezember bewilligte der IWF der Türkei einen Milliardenkredit, um den die türkische
Regierung jahrelang gekämpft hatte.
Peter Nowak
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