Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.02 vom 17.01.2001, Seite 5

Weihnachtsbescherung

bei McDonald‘s

Zwei Tage vor dem 24.Dezember setzte die Wiesbadener Filiale von McDonald‘s in der Mainzer Straße ihre 66 Angestellten auf die Straße. Ihnen war zum 31.Dezember gekündigt worden. Doch als der Betriebsratsvorsitzende Habtezion Ogbalidet eine Beratung mit den Betroffenen für den 22.Dezember im Restaurant ansetzte, alarmierte die Geschäftsleitung die Polizei, die sei angeblich "Hausfriedensbruch".
NGG-Sekretär Jürgen Hinzer nannte es "ein Lehrstück in Demokratieabbau". Mit Transparenten und Megafon-Durchsagen demonstrierten die Betroffenen daraufhin gegen die "Blitzschließung" ihrer Filiale.
Vorangegangen war eine heftige Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft NGG. Der Geschäftsführer der Betreiberfirma ANVER GmbH, Gerd Raupeter, der auch bei McDonald‘s Deutschland als Geschäftsführer firmiert, behauptete, die Filiale habe Verluste in Höhe von 300.000 DM erlitten. Dem Betriebsrat wurden hierfür jedoch keine Beweise vorgelegt.
Bundesweit gibt es überhaupt nur in 60 der 1000 Buletten-Großbratereien, die jährlich 5,6 Milliarden DM umsetzen, einen Betriebsrat. Die Wahl von Betriebsräten wird gezielt verhindert. Merkwürdigerweise hatte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Systemgastronomie (BDS), Thomas Heyll, noch im August in einem Schreiben erklärt, das Restaurant werde in Kürze vollständig renoviert und umgebaut. "Das einst viertbeste McDonald‘s (von 1000!) soll in Zukunft wieder an seine Erfolge zum Wohl der Mitarbeiter anschließen."
Jetzt aber behauptete derselbe Herr Heyll, dieses Restaurant habe "die meisten Kundenbeschwerden", die "höchste Diebstahlquote" und "hohe Ersatzaufwendungen für Sachbeschädigungen durch Mitarbeiter".
Zugleich aber rutschte Thomas Heyll, den McDonald‘s mit Verhandlungen über einen "Interessenausgleich" wegen der beabsichtigten Schließung beauftragt hatte, der eigentliche Grund hierfür raus. Die Belegschaft sei "unregierbar" geworden, die "Mainzer Straße nicht mehr in den Griff zu kriegen".
Der aktive Betriebsrat, der sich zur Wehr setzte gegen "untertarifliche Bezahlung, Arbeitszeiten von 0 bis 24 Uhr, befristete Arbeitsverträge der überwiegend ausländischen Angestellten", wie die NGG das Sündenregister aufzählte, hat der Filiale offenbar nicht gepasst. Die NGG vermutet deshalb nicht zu Unrecht, sie beabsichtigte in Wahrheit, die "unregierbare Belegschaft" zu feuern, um nach einer gründlichen Renovierung der Filiale eine gefügigere ohne Betriebsrat einzustellen.
Der NGG-Geschäftsführer Peter Artzen kritisierte auf einer Pressekonferenz besonders die bei McDonald‘s "oft geübte Praxis, dass gedroht wird, für ausländische Arbeitnehmer keine Arbeitserlaubnis zu beantragen, sobald sie sich für einen Betriebsrat engagieren. Das weckt natürlich Ängste. Peter Artzen nannte dies schlicht "Rassismus".
Der Betriebsratsvorsitzende Habtezion Ogbalidet musste sich von Thomas Heyll, der für McDonald‘s den Interessenausgleich verhandeln soll, sagen lassen: "Wenn ihr nicht zur Einigungsstelle kommt, schiebe ich euch alle ab!"
Als Heyll jedoch erfuhr, dass Habtezion Ogbalidet deutscher Staatsangehöriger ist und nicht abgeschoben werden kann, entschuldigte er sich damit, dass er "ausgerastet" sei, weil der Betriebsrat für alle Beschäftigten eine "Millionenabfindung" gefordert habe.
Der Betriebsrat wandte sich jedoch an das Arbeitsgericht, um mit einer einstweiligen Verfügung die Kündigungen zu untersagen. Es könnten keine Kündigungen ausgesprochen werden, solange noch Verhandlungen über einen Interessenausgleich in Gange sind. Und er hatte Erfolg!
Die Verhandlungen liefen ins Leere, entschied das Arbeitsgericht, wenn McDonald‘s seine Mitarbeiter vorher entlasse. Als Eilbescheid wurde dieses Urteil dem Geschäftsführer der Wiesbadener Filiale, Peter Raupeter, vom Gerichtsvollzieher zugestellt. Bei Nichtbeachtung droht dem Unternehmen eine Ordnungsstrafe in Höhe von 1,3 Millionen DM. Das sind immerhin 22000 DM je Beschäftigte(n).
Die Wiesbadener SPD erklärte daraufhin, wer in Deutschland tätig sei, habe sich an den bestehenden Gesetzen zu orientieren, wozu auch das Betriebsverfassungsgesetz zähle. Es wäre allerdings gar zu schön, wenn auch deutsche Großkonzerne sich hieran stets halten würden.
Der Gewerkschaftssekretär Jürgen Hinzer fordert, dass die Filiale renoviert und dann mit dem alten Team weiterbetrieben wird. In der Zwischenzeit könnten die Miarbeiter in anderen McDonald‘s-Filialen beschäftigt werden.

Jakob Moneta

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


zum Anfang