Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.03 vom 31.01.2001, Seite 2

Davos:

Zuckerbrot und Peitsche

von GERHARD KLAS

Davos — das war ein weiterer Meilenstein in der kurzen Geschichte der Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung. Erstens gab es starken Zulauf zu den Gegenveranstaltungen. "Das andere Davos", die Gegenkonferenz im Züricher Volkshaus, die massgeblich vom internationalen Netzwerk ATTAC und anderen radikalen Nichtregierungsorganisationen veranstaltet wurde, platzte aus allen Nähten, die Räumlichkeiten reichten nicht für den unerwartet großen Andrang von Besucherinnen und Besuchern verschiedener Generationen und unterschiedlicher Nationalitäten. Die Lifeschaltungen zum Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre unterstrichen zudem Ansätze für die Entstehung einer Parallelstruktur, die sich unabhängig von den Treffen der Politiker und Wirtschaftsbosse artikulieren will.
Zweitens wurden die Repressionsinstrumente deutlicher gezeigt und ausdifferenzierter. Massive Vorkontrollen der schweizer Polizeibeamten, die mit Räumpanzern und Scharfschützen die 3000 Konzernchefs und Regierungspolitiker in Davos von der Bevölkerung abriegelten, verhinderten, dass ebensoviele DemonstrantInnen zum Tagungsort vordringen konnten. Die Herren der Welt fühlen sich zunehmend bedroht. Seattle, Davos 2000, Prag und Nizza waren Etappen, die ihr subjektives Sicherheitsempfinden erschüttert haben. Die Reaktionen blieben nicht aus: Der Chef des europäischen Verbands der multinationalen Konzerne (ERT — European Roundtable of Industrialists), hatte schon 1999 dafür gesprochen, die europäische Superpolizeibehörde Europol auch zur Überwachung der Globalisierungsgegner einzusetzen. Die französischen Metallindustriellen kommen bei ihren jüngsten Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass es eine akute Gefahr des Übergreifens der Bewegung auf die Betriebe gebe und sie dem kaum etwas entegegensetzen könnten. In Nizza wurden auf Grundlage des Schengener Abkommens sogar die Grenzkontrollen zwischen Italien und Frankreich kurzfristig wieder eingeführt.
Doch nicht nur die Peitsche wird bereitgehalten, auch das Zuckerbrot fehlt nicht. Erlesene Prominenz der NGO-Szene darf sich gemeinsam mit den Bossen im Konferenzzentrum darüber unterhalten, wie denn nun am besten die stetig steigende Kluft zwischen arm und reich zu überwinden sei. So steht es zumindest in der Ankündigung. Doch einige geladene NGO-Vertreter waren enttäuscht: Wie üblich wurde die makroökonomische Stabilität begutachtet. Als klar wurde, dass Davos von der Polizei in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand gehalten wird, verliessen einige wie die indische Menschenrechtsaktivistin Vandana Shiva empört das Tagungsgebäude und schlossen sich den Demonstranten an.
Trotz der zunehmenden Unterdrückung der Versammlungsfreiheit scheinen die Proteste ihre Wirkung nicht zu verfehlen: Der Generaldirektor der Welthandelsorganisation, Michael Moore, hat in Davos angekündigt, die nächste Verhandlungsrunde der WTO in Qatar durchzuführen.

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