Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.03 vom 31.01.2001, Seite 2

Globaler Handelskrieg?

von ANGELA KLEIN

In Seattle, schreibt die Zeitschrift für US-Außenpolitik Foreign Affairs (Januar/Februar 2001), ist die Clinton- Administration an die Grenze ihrer Fähigkeit gestoßen, die Weltwirtschaft neu zu ordnen — "und davon hat sie sich bislang nicht erholt".
In das US-amerikanische Bewusstsein hätten sich die Bilder der Straßenkämpfe eingebrannt. "Diese Panne wurde vor Monaten ausgeräumt. Die wirkliche Rebellion von Seattle, die noch nicht ausgeräumt ist, fand in den Hotelzimmern und Konferenzräumen statt ... Zum erstenmal setzten die Entwicklungsländer — mit der Hilfe einiger wohlhabender Länder — dem Widerstand entgegen, was sie als einen unbarmherzigen US-amerikanischen Angriff betrachten, die Weltwirtschaft nach ihren eigenen Bedingungen zu formen." Die Zeitschrift nennt dies eine "bemerkenswerte Rebellion gegen US-amerikanische Vorherrschaft".
Das Scheitern von Seattle saß auch den Herren in Davos noch in den Knochen. Nur ist die Lage jetzt noch um einiges komplizierter geworden. Auffallend viele Persönlichkeiten aus Schwellenländern waren in diesem Jahr geladen; der neue Präsident Mexikos, Vicente Fox, nutzte seinen Auftritt zu einem viel beklatschten Aufruf, es dürfe nicht sein, dass 1,2 Milliarden Menschen mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen müssten. Sein Rezept, die Lösung in einem neuen Wachstumsmotor zu finden, bricht sich allerdings an der Furcht vor einer Wirtschaftsrezession in den USA, die in Davos wie ein Gespenst die Wandelgänge beherrschte.
Die wirtschaftliche und politische Entwicklung in den USA ist die große Unbekannte, die über der Zukunft der Welthandelsorganisation (WTO) wie ein Damoklesschwert hängt. Dem neuen Präsidenten Bush traut man zu, dass seine Außenpolitik zu sehr von engstirnig verstandenen US-amerikanischen Interessen geprägt, und zu wenig von den Aufgaben Amerikas als "Führungsmacht im Interesse des globalen Kapitalismus" geleitet wird. Eine solche Verschiebung der politischen Achsen aber bedroht das gesamte Konstrukt der WTO. Und die Besinnung auf den Vorrang nationaler Interessen lastet nicht nur auf den transatlantischen Beziehungen; sie spielte auch in Nizza eine große Rolle. Ausgerechnet die Schwellenländer wollen die WTO jetzt retten und drängen auf eine Wiederaufnahme der Welthandelsrunde noch in diesem Jahr — im Gegensatz zu den armen Ländern, die neue Liberalisierungsgespräche ablehnen.

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