Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.03 vom 31.01.2001, Seite 11

Kleine Verlaufsgeschichte

der Sozialhilfe

Anfang 1998 wurde von der damaligen Bundesregierung ein Antrag mit dem Titel "Arbeit ist genug vorhanden — Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung" (BT-Drs.13/9743) im Bundestag vorgelegt, in dem die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und den Trägern der Sozialhilfe sowie langfristig die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vorgesehen war. Allerdings gab es bis zum Regierungswechsel diesbezüglich keine konkreten Initiativen.
Eine Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern wurde auch von der SPD in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 1998 gefordert ("Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen Sozialämtern und Arbeitsämtern verstärken"). Die rot-grüne Regierungskoalition nahm das Vorhaben in die Koalitionsvereinbarung auf: "Um die Vermittlung in Arbeit zu erleichtern und um überflüssige Bürokratie abzubauen, soll die Zusammenarbeit zwischen Sozialamt und Arbeitsamt nachhaltig verbessert werden." (Abschnitt VI, 5.)
Am 29.3.1999 forderte Arbeitsminister Riester in der FAZ die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, allerdings wollte er vor einer Entscheidung Modellprojekte in 2—3 Bundesländern durchführen.
Der Leitantrag zum SPD-Parteitag vom Herbst 1999 folgte den Aussagen Riesters: "Modellversuche in einzelnen Ländern sollten systematische Erkennisse für die Effizienzsteigerung durch das Zusammengehen beider Systeme bringen."
Ende des Jahres 2000 forderte Scharping, in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Programmkommission die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Berliner Zeitung, 28.12.). Als Zielgruppe für eine solche Regelung bezeichnete er "alle, die von ehrlicher Arbeit anständig leben wollten". Entscheidend sei der Wille, Leistung zu erbringen, nicht der soziale Stand.
Die Grünen-Politikerin, Dückert, erklärte im November 1999, die Reform der Sozial- und Arbeitslosenhilfe stecke noch in den Kinderschuhen (Die Welt, 5.10.99), betonte aber mit Verweis auf das dänische Modell, dass "der Leistung des Staates auch eine Pflicht des Empfänger" gegenüberstehe. Im Handelsblatt vom 19.11.99 regte Dückert eine schrittweise Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe an, die in einer bedarfsorientierten Grundsicherung aufgehen sollte. Dabei sollten dann Arbeits- und Sozialämter private Arbeitsvermittler beauftragen, Langzeitarbeitslose mittels Zeitarbeit in den 1.Arbeitsmarkt zu integrieren.
Auch die CDU/CSU erinnerte sich im Sommer 1999 wieder ihrer Forderung und trat mit einem Drei- Stufen-Konzept an die Öffentlichkeit (Hamburger Abendblatt, 14.7.99; Die Welt, 5.10.99). Sie schlug folgende drei Schritte vor:
Zusammenarbeit von Sozial- und Arbeitsämter fördern
Angleichung von Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilferecht prüfen
aus den Ergebnissen organisatorische Konsequenzen ziehen.
In dem entsprechenden Papier der CDU-Bundesgeschäftstelle ließ sie einerseits offen, ob eine Zusammenlegung auf dem Niveau der Sozialhilfe stattfinden soll, andererseits bezog sich dieses immer wieder positiv auf die Regelungen in Dänemark und in den Niederlanden. Das bedeutet Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Niedriglohnsektor und "bad jobs" sowie Zwang zur Arbeit.
In seinem Redebeitrag zum Bundeshaushalt 2001 rief der Vorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, die Bundesregierung erneut auf, die Zusammenlegung der Arbeitlosen- und Sozialhilfe gemeinsam voranzubringen. "Nicht in der Form wie Sie es jetzt machen, dass ein wenig Informationsaustausch zwischen den Behörden stattfindet, sondern in der Form, dass die Leistungsgesetze einander angepasst werden, so dass diejenigen, die die Annahme verweigern, nicht nur bei der Sozialhilfe, sondern auch bei der Arbeitslosenhilfe entsprechende Kürzungen hinnehmen müssen..." (Pressedienst der CDU/CSU Fraktion).
Generalsekretär Laurenz Meyer forderte am 4.1. in der FR, die "Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme und Fortbildung müsse durch Leistungskürzung oder -verweigerung erhöht werden. Sozialhilfe und Wohngeld sollten für junge Menschen zeitlich befristet werden" (auf etwa 10 Jahre).
Der FDP reicht eine Zusammenarbeit der beiden Ämter nicht aus, sie fordert die Zusammenlegung beider Systeme, d.h. die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe.
Die Gewerkschaften lehnen das Ansinnen einer Zusammenlegung ab, weil dies eine Abschaffung der Arbeitslosenhilfe bedeute und zu massiven Verschlechterungen für ArbeitslosenhilfeempfängerInnen führen würde (Engelen-Kefer, 29.10.99).
Die ÖTV fordert, dass die aktive Arbeitsförderung auf die SozialhilfebezieherInnen ausgedehnt wird (ÖTV- Hauptverwaltung, Referat Arbeitsmarktpolitik, 14.4.00).
Auch der Deutsche Städtetag lehnt eine Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab (Handelsblatt, 24.9.99) und bewertet dies als einen "Ausstieg der Bundespolitik sowie der Tarifpartner aus der Verantwortung für die schlimmste Form der Arbeitslosigkeit, die Langzeitarbeitslosigkeit". Neben massiven Verschlechterung für die Betroffenen befürchtet sie, dass die Städte die größten Fürsorge- und Wiedereingliederungsanstrengungen zu leisten haben. Allerdings fordert der Städtetag eine Zusammenarbeit von Sozial- und Arbeitsverwaltung.
Der deutsche Landkreistag hingegen befürwortet eine Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe (dpa, 10.11.99).
Diese Position vertritt auch der Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA). Diese reden nicht mehr von einer Zusammenlegung sondern fordern die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und eine Beschränkung des Arbeitslosengeldes auf 12 Monate (FAZ, 23.9.99; Handelsblatt, 9.2.00; ADN, 10.2.00). Der Arbeitgeberpräsident Hund bezeichnete dies als Chance, Arbeitslose dazu zu bringen, auch niedriger bezahlte Jobs anzunehmen (Spiegel online, 10.2.00).
Der Sachverständigenrat betont in seinem neuen Jahresgutachten, die Ursache der Arbeitslosigkeit liege in den zu hohen Löhnen für gering qualifizierte Beschäftigte. In diesem Segment könnten die Löhne aber erst gesenkt werden, wenn auch die Sozialhilfe gesenkt würde, denn diese bildet "in ihrer heutigen Form eine Lohnuntergrenze" (SZ, 27.1.).
In dasselbe Horn stößt auch das ifo-Institut München, das die Sozilahilfe als "Hauptursache des deutschen Arbeitslosenproblems" ausgemacht hat. Eine "Reform der Sozialhilfe" hält er für "das wichtigste Element einer auf Abbau der Arbeitslosigkeit abzielenden Arbeitsmarktpolitik" (ebd.).
Festzustellen bleibt, dass eine Zusammenarbeit zwischen Arbeits- und Sozialämtern schon seit 1998 stattfindet. Die Ergebnisse und Probleme wurden von der Bertelsmann Stiftung in einer Studie "Kooperation statt Konkurrenz" vorgestellt. Darin wird deutlich, wie vielfältig und unterschiedlich die Formen der Zusammenarbeit gestaltet sind. Eins trifft allerdings für alle zu: die Förderung des Niedriglohnsektors sowie der Zwang zur Arbeit.

Elke Breitenbach/Andreas Hallbauer

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