Sozialistische Zeitung |
Die 16-jährige Sabine (Jana Pallaske) zieht von ihrer Mutter zu ihrem Vater, der in einer Hochhaussiedlung am Rand von Berlin
lebt. In welcher Umgebung sie vorher gewohnt hat, sieht der Zuschauer nicht. Zumindest gelingt es Sabine, sich schnell in der neuen Umgebung zurecht zu finden.
Bereits bei ihrer Ankunft am S-Bahnhof trifft sie Eddi (Frank Droese) eine schicksalhafte Begegnung.
Etwa zur gleichen Zeit, als Sabine in ihrer neuen Heimat eintrifft, wird Micha (Toni Blume) auf
Bewährung aus dem Jugendknast entlassen. Micha ist Eddis bester Freund. Die Konstellation "naives bürgerliches Mädchen gerät
unter kleinkriminelle Ghettokids" ist der Ausgangspunkt des Films.
Doch es bleibt nicht bei der Kleinkriminalität. Ein Jugendlicher wird getötet. Micha und
Eddi sind in die Tat verstrickt, Sabine ist Zeugin. Die beiden Jungen wissen nicht, wie sie mit der für sie "gefährlich" gewordenen Sabine
umgehen sollen. Zunächst versucht Eddi es, indem er eine Liebesbeziehung zu Sabine aufbaut, bei der nie so richtig klar wird, ob er wirklich verliebt ist oder
aus Opportunismus nur so tut. Micha will das Problem gewaltsam lösen und am Ende gibt es eine weitere tote Person, mit deren Tod auf Grund des Filmverlaufs
niemand rechnen konnte.
Der Film arbeitet mit einigen ungewöhnlichen Perspektiven und lehnt sich in einigen Szenen
an den Stil der dänischen Dogma-Gruppe an, indem er mit absichtlich verwackelten oder unscharfen Handkameraaufnahmen arbeitet. Die jugendlichen
DarstellerInnen agieren in einigen Szenen zwar etwas hölzern, insgesamt aber überzeugend. Der Film versucht, eine möglichst authentische
Atmosphäre herzustellen.
Inhaltlich ist der Film erfreulich unpädagogisch. Die Jugendlichen werden in ihrer eigenen
Welt gezeigt. Die Erwachsenen kommen nur am Rand vor. Sie können entweder keinen Einfluss nehmen wie die Eltern oder sie nerven
wie die LehrerInnen und die Polizei. Dabei wird aber auch vermieden, die Welt der Jugendlichen zu idealisieren. Diese Welt ist geprägt durch eine
Mischung aus Alltagsproblemen, Gewalt und der Suche nach Zuneigung, Freundschaft und Liebe. Politik spielt für diese Kids keine Rolle. So wird das
auch bei Alt-Linken verbreitete Klischee, dass "die Jugend von heute" sowieso rechtsradikal ist, glücklicherweise auch nicht bedient.
Insgesamt ist der Film als relativ gelungener Versuch anzusehen, einen Milieustudie über die
Situation von Jugendlichen zu machen, der darüber hinaus auch noch spannend ist. Der Film kommt zwar nicht an vergleichbare Werke aus anderen
Ländern heran wie bspw. den französischen Film "Hass". Auch umschifft er nicht alle Klischees. So wird vor allem durch den Soundtrack ein
wenig das Gefühl von "Ghettoromantik" hervorgerufen. Ansonsten ist der Film aber erfreulich nüchtern und um Realismus bemüht.
Dadurch wird die "typisch deutsche" Betroffenheitsschwere zwar vermieden, ein bisschen mehr Humor hätte dem Film aber trotzdem gut getan.
Andreas Bodden
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04