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Europas im Juli 2000 gegründeter größter Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (European Aeronautic Defence
& Space Company) hat seine Arbeit aufgenommen. Trotz insgesamt positivem Jahresabschluss machte das Unternehmen allerdings im Verteidigungssektor
Verluste und will deshalb mehr als 2000 Stellen abbauen. Beschlossene Sache ist inzwischen der Bau des Airbus 380. In Hamburg wird dafür extra ein
Naturschutzgebiet dem Erdboden gleich gemacht.
Insgesamt kann sich die Bilanz von EADS im letzten Jahr sehen lassen. Der Auftragseingang ist nach
eigenen Angaben im letzten Jahr um 50,8% auf 49,3 Milliarden Euro gestiegen. Der Umsatz stieg um 7,3% von 22,6 auf 24,2 Milliarden Euro. Die von Deutschland
und Frankreich dominierte EADS konnte im zweiten Halbjahr 2000 eine Reihe neuer Aufträge an Land ziehen und Kooperationen eingehen.
So schloss die EADS mit der russischen Luft- und Raumfahrtagentur Rosaviakosmos ein Abkommen,
die MiG-29 und die Trägerrakete Sojus gemeinsam zu modernisieren und zu vermarkten. Außerdem beteiligt sich das Unternehmen gemeinsam mit
britischen Rüstungsfirmen an einem Air-Tanker-Programm, mit dem die beteiligten Unternehmen die Ausschreibung für eine strategische Tankerflotte
der britischen Luftwaffe gewinnen wollen. Insgesamt geht es um 9 Milliarden britische Pfund.
Einen besonderen Kunden konnte EADS mit der US-Navy gewinnen. Diese bestellte Elektronik zu
Aufrüstung von Radarsystemen für die US-Flugzeuge des Typs F/A18 Hornet im Wert von 11,9 Millionen Dollar. "Wir freuen uns über
diesen Erfolg besonders, weil es immer noch eine Seltenheit ist, dass eine europäische Firma auf dem US-Verteidigungsmarkt zum Zuge kommt", jubelte
Thomas Enders, Vorstandsmitglied der EADS, und erklärte: "Die Entscheidung der US-Navy unterstreicht, dass die EADS auch auf dem Markt für
Verteidigungstechnik mit der weltweit höchsten Wettbewerbsintensität konkurrenzfähig ist."
Trotz aller Erfolgsmeldungen machte EADS jedoch gerade im Bereich Wehrtechnik Verluste. Als
Grund nannte die EADS die schrumpfenden Verteidigungsbudgets in Frankreich und Deutschland und kündigte die Entlassung von 2200 Beschäftigten
an. Auch die Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung sind der europäische Luftfahrtindustrie zu gering. In einem von der Luftfahrtindustrie im Auftrag
der EU-Kommission erarbeiteten Bericht mit dem Titel "Vision 2020" werden insgesamt 100 Mrd. Euro für die nächsten zwei Jahrzehnte
gefordert.
"Für die amerikanische Regierung ist die Luft- und Raumfahrtindustrie eine
Schlüsselindustrie, die auch dort nachdrücklich unterstützt wird. Die europäische Politik muss eine Antwort auf diese Situation
finden", fand auch der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller auf den "Aeronautics Days", die im Januar 2001 in Hamburg stattfanden.
"Diese Antwort kann und wird nicht Subventionswettlauf, Abschottung oder Absprache heißen. Es wird wie bisher eine Antwort sein, die den Prinzipien
von Wettbewerb, Leistung und Innovation entspricht."
Der wichtigste Teil des EADS-Konzerns ist allerdings das Airbus-Konsortium, das zu 80% EADS
und zu 20% der britischen BAe-Systems gehört. Zum Umsatz von EADS trug Airbus im letzten Jahr ganze 60% bei. Airbus selbst übertraf mit 520
Festbestellungen die Zahl von 476 im Vorjahr deutlich. Der Umsatz des Flugzeugbauers stieg von 16,7 auf 17,2 Mrd. Dollar. Damit hat Airbus Aufträge
für 1626 Flugzeuge in der Schublade Arbeit für rund fünf Jahre.
Erfolg Airbus
Für den neuen Airbus 380 lagen zum Jahreswechsel bereits 50 Kaufverpflichtungen vor. Der erste Kunde war mit 10 Festbestellungen und 15
Optionen die Singapore Airlines. Mit dem Großraumflugzeug möchte der europäische Flugzeughersteller Airbus dem bisherigen Markführer
in der Sparte der Großraumflugzeuge, der amerikanischen Boeing, Konkurrenz machen.
Die Entscheidung zum Bau des bis dahin unter dem Namen Airbus A3XX bekannten Flugzeugs war
am 19.Dezember letzten Jahres gefallen. "Die A380 wird das Flaggschiff der europäischen Luftfahrtindustrie", orakelten Manfred Bischoff und Jean
Luc Lagadère, die beiden EADS-Chairmen. Außerdem wurde die bisherige Konsortiumsstruktur des Airbus-Unternehmens aufgelöst und Airbus in
eine Kapitalgesellschaft französischen Rechts umgewandelt.
Harry Stonecipher, Präsident von Boeing, gab sich demonstrativ gelassen. Das Absatzpotenzial
für Großraumflugzeuge ist seiner Einschätzung nach "ausgesprochen klein" und liege zwischen 400 und 500 Flugzeugen in den
nächsten 20 Jahren. "Damit lässt sich keine teure Neuentwicklung finanzieren", so Stonecipher gegenüber dem Manager Magazin.
Die Zukunft beschreibt der Boeing-Präsident so: "Wenn wir uns mit unserer
Marktprognose verschätzt haben, zahlen wir den Preis dafür. Wenn sich Airbus verschätzt hat, zahlen die Regierungen. Denn die staatlichen
Darlehen müssen ja nicht zurückgezahlt werden, wenn das Programm floppt."
Wegen dieser Darlehen kam es bereits zum Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und
europäischen Regierungen, die dem Airbus mit Milliardenkrediten auf die Beine helfen wollen. Die USA sehen in den Krediten eine Subvention, die gegen die
Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt.
"Wenn Airbus finanzielle Mittel zu günstigeren Bedingungen erhält als auf dem
privaten Kapitalmarkt, dann ist das eine verbotene Subvention", formulierte der US-amerikanische Botschafter bei der EU, Richard Morningstar, am 23. Januar
2001. "1999 übertraf Airbus Boeing bei der Anzahl der neu bestellten Flugzeuge zum ersten Mal. Das ist kaum die Leistung eines in den Kinderschuhen
steckenden Unternehmens, das besonderer Hilfe bedarf."
"Wir bewegen uns zu 100% im Rahmen dessen, was die EU und die USA 1992 vereinbart
haben, nämlich dass bis zu 33% der Entwicklungskosten in rückzahlbaren Darlehen gewährt werden können", argumentierte dagegen
Rainer Hertrich von EADS. Ein Argument, das die USA nicht gelten lassen wollen. Das Übereinkommen, das USA und EU 1992 über den Handel mit
Zivilluftfahrzeugen schlossen, habe keinen Vorrang vor dem Kodex für Subventionen von 1994, meint Richard Morningstar: "Sie finden beide
Anwendung." Der Streit ist bisher nicht beigelegt.
Standort Hamburg
Wie geplant kann allerdings die Fertigung des Airbus 380 vonstatten gehen. Gebaut wird in Großbritannien und Deutschland, die Endmontage findet
im französischen Toulouse statt. Dieser Kompromiss wäre fast an Hamburgs NaturschützerInnen gescheitert. Airbus will nämlich das
Hamburger Werk für die Produktion des Airbus 380 ausbauen, doch dafür müsste das naheliegende Naturschutzgebiet "Mühlenberger
Loch", Europas größtes Süßwasserwatt, teilweise zugeschüttet werden.
290 AnwohnerInnen und Verbände zogen deshalb in Hamburg vor Gericht. Doch letzte Woche
hob das Hamburger Oberverwaltungsgericht den bis dahin geltenden Baustopp für das Airbus-Werk auf. Die Befürworter des Airbus-Werks aus
Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden, die sich in der Interessengemeinschaft "Allianz für den A380" zusammengeschlossen hatten,
waren erleichtert.
Ihnen war es unverständlich, dass es überhaupt Widerstände gegen den Airbus
geben könne. So erklärte der Betriebsratsvorsitzende Horst Niehus bei einer Demonstration von Beschäftigten für den Airbus: "Wenn
ein Airbus tief über die Felder bei Toulouse fliegt, dann reißen die Bauern die Mütze vom Kopf und rufen ‚Vive la France! In Hamburg
laufen die Leute zum Telefon und beschweren sich."
Dirk Eckert
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