Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 01.03.2001, Seite 9

EADS

Super-Airbus hebt ab

Europas im Juli 2000 gegründeter größter Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (European Aeronautic Defence & Space Company) hat seine Arbeit aufgenommen. Trotz insgesamt positivem Jahresabschluss machte das Unternehmen allerdings im Verteidigungssektor Verluste und will deshalb mehr als 2000 Stellen abbauen. Beschlossene Sache ist inzwischen der Bau des Airbus 380. In Hamburg wird dafür extra ein Naturschutzgebiet dem Erdboden gleich gemacht.
Insgesamt kann sich die Bilanz von EADS im letzten Jahr sehen lassen. Der Auftragseingang ist nach eigenen Angaben im letzten Jahr um 50,8% auf 49,3 Milliarden Euro gestiegen. Der Umsatz stieg um 7,3% von 22,6 auf 24,2 Milliarden Euro. Die von Deutschland und Frankreich dominierte EADS konnte im zweiten Halbjahr 2000 eine Reihe neuer Aufträge an Land ziehen und Kooperationen eingehen.
So schloss die EADS mit der russischen Luft- und Raumfahrtagentur Rosaviakosmos ein Abkommen, die MiG-29 und die Trägerrakete Sojus gemeinsam zu modernisieren und zu vermarkten. Außerdem beteiligt sich das Unternehmen gemeinsam mit britischen Rüstungsfirmen an einem Air-Tanker-Programm, mit dem die beteiligten Unternehmen die Ausschreibung für eine strategische Tankerflotte der britischen Luftwaffe gewinnen wollen. Insgesamt geht es um 9 Milliarden britische Pfund.
Einen besonderen Kunden konnte EADS mit der US-Navy gewinnen. Diese bestellte Elektronik zu Aufrüstung von Radarsystemen für die US-Flugzeuge des Typs F/A18 Hornet im Wert von 11,9 Millionen Dollar. "Wir freuen uns über diesen Erfolg besonders, weil es immer noch eine Seltenheit ist, dass eine europäische Firma auf dem US-Verteidigungsmarkt zum Zuge kommt", jubelte Thomas Enders, Vorstandsmitglied der EADS, und erklärte: "Die Entscheidung der US-Navy unterstreicht, dass die EADS auch auf dem Markt für Verteidigungstechnik mit der weltweit höchsten Wettbewerbsintensität konkurrenzfähig ist."
Trotz aller Erfolgsmeldungen machte EADS jedoch gerade im Bereich Wehrtechnik Verluste. Als Grund nannte die EADS die schrumpfenden Verteidigungsbudgets in Frankreich und Deutschland und kündigte die Entlassung von 2200 Beschäftigten an. Auch die Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung sind der europäische Luftfahrtindustrie zu gering. In einem von der Luftfahrtindustrie im Auftrag der EU-Kommission erarbeiteten Bericht mit dem Titel "Vision 2020" werden insgesamt 100 Mrd. Euro für die nächsten zwei Jahrzehnte gefordert.
"Für die amerikanische Regierung ist die Luft- und Raumfahrtindustrie eine Schlüsselindustrie, die auch dort nachdrücklich unterstützt wird. Die europäische Politik muss eine Antwort auf diese Situation finden", fand auch der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller auf den "Aeronautics Days", die im Januar 2001 in Hamburg stattfanden. "Diese Antwort kann und wird nicht Subventionswettlauf, Abschottung oder Absprache heißen. Es wird wie bisher eine Antwort sein, die den Prinzipien von Wettbewerb, Leistung und Innovation entspricht."
Der wichtigste Teil des EADS-Konzerns ist allerdings das Airbus-Konsortium, das zu 80% EADS und zu 20% der britischen BAe-Systems gehört. Zum Umsatz von EADS trug Airbus im letzten Jahr ganze 60% bei. Airbus selbst übertraf mit 520 Festbestellungen die Zahl von 476 im Vorjahr deutlich. Der Umsatz des Flugzeugbauers stieg von 16,7 auf 17,2 Mrd. Dollar. Damit hat Airbus Aufträge für 1626 Flugzeuge in der Schublade — Arbeit für rund fünf Jahre.

Erfolg Airbus

Für den neuen Airbus 380 lagen zum Jahreswechsel bereits 50 Kaufverpflichtungen vor. Der erste Kunde war mit 10 Festbestellungen und 15 Optionen die Singapore Airlines. Mit dem Großraumflugzeug möchte der europäische Flugzeughersteller Airbus dem bisherigen Markführer in der Sparte der Großraumflugzeuge, der amerikanischen Boeing, Konkurrenz machen.
Die Entscheidung zum Bau des bis dahin unter dem Namen Airbus A3XX bekannten Flugzeugs war am 19.Dezember letzten Jahres gefallen. "Die A380 wird das Flaggschiff der europäischen Luftfahrtindustrie", orakelten Manfred Bischoff und Jean Luc Lagadère, die beiden EADS-Chairmen. Außerdem wurde die bisherige Konsortiumsstruktur des Airbus-Unternehmens aufgelöst und Airbus in eine Kapitalgesellschaft französischen Rechts umgewandelt.
Harry Stonecipher, Präsident von Boeing, gab sich demonstrativ gelassen. Das Absatzpotenzial für Großraumflugzeuge ist seiner Einschätzung nach "ausgesprochen klein" und liege zwischen 400 und 500 Flugzeugen in den nächsten 20 Jahren. "Damit lässt sich keine teure Neuentwicklung finanzieren", so Stonecipher gegenüber dem Manager Magazin.
Die Zukunft beschreibt der Boeing-Präsident so: "Wenn wir uns mit unserer Marktprognose verschätzt haben, zahlen wir den Preis dafür. Wenn sich Airbus verschätzt hat, zahlen die Regierungen. Denn die staatlichen Darlehen müssen ja nicht zurückgezahlt werden, wenn das Programm floppt."
Wegen dieser Darlehen kam es bereits zum Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und europäischen Regierungen, die dem Airbus mit Milliardenkrediten auf die Beine helfen wollen. Die USA sehen in den Krediten eine Subvention, die gegen die Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt.
"Wenn Airbus finanzielle Mittel zu günstigeren Bedingungen erhält als auf dem privaten Kapitalmarkt, dann ist das eine verbotene Subvention", formulierte der US-amerikanische Botschafter bei der EU, Richard Morningstar, am 23. Januar 2001. "1999 übertraf Airbus Boeing bei der Anzahl der neu bestellten Flugzeuge zum ersten Mal. Das ist kaum die Leistung eines in den Kinderschuhen steckenden Unternehmens, das besonderer Hilfe bedarf."
"Wir bewegen uns zu 100% im Rahmen dessen, was die EU und die USA 1992 vereinbart haben, nämlich dass bis zu 33% der Entwicklungskosten in rückzahlbaren Darlehen gewährt werden können", argumentierte dagegen Rainer Hertrich von EADS. Ein Argument, das die USA nicht gelten lassen wollen. Das Übereinkommen, das USA und EU 1992 über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen schlossen, habe keinen Vorrang vor dem Kodex für Subventionen von 1994, meint Richard Morningstar: "Sie finden beide Anwendung." Der Streit ist bisher nicht beigelegt.

Standort Hamburg

Wie geplant kann allerdings die Fertigung des Airbus 380 vonstatten gehen. Gebaut wird in Großbritannien und Deutschland, die Endmontage findet im französischen Toulouse statt. Dieser Kompromiss wäre fast an Hamburgs NaturschützerInnen gescheitert. Airbus will nämlich das Hamburger Werk für die Produktion des Airbus 380 ausbauen, doch dafür müsste das naheliegende Naturschutzgebiet "Mühlenberger Loch", Europas größtes Süßwasserwatt, teilweise zugeschüttet werden.
290 AnwohnerInnen und Verbände zogen deshalb in Hamburg vor Gericht. Doch letzte Woche hob das Hamburger Oberverwaltungsgericht den bis dahin geltenden Baustopp für das Airbus-Werk auf. Die Befürworter des Airbus-Werks aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden, die sich in der Interessengemeinschaft "Allianz für den A380" zusammengeschlossen hatten, waren erleichtert.
Ihnen war es unverständlich, dass es überhaupt Widerstände gegen den Airbus geben könne. So erklärte der Betriebsratsvorsitzende Horst Niehus bei einer Demonstration von Beschäftigten für den Airbus: "Wenn ein Airbus tief über die Felder bei Toulouse fliegt, dann reißen die Bauern die Mütze vom Kopf und rufen ‚Vive la France!‘ In Hamburg laufen die Leute zum Telefon und beschweren sich."

Dirk Eckert

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