Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 01.03.2001, Seite 9

Kampf um Privatjets

Kanada: Mit der WTO gegen Konkurrenten

Die Regeln der Welthandelsorganisation sind nicht neutral", meint der Leiter der WTO-Delegation der Dominikanischen Republik, Federico Cuello. Als Beleg für seine These dient ihm ein Streitfall zwischen Brasilien und Kanada. Seit Jahren konkurriert der kanadische Flugzeughersteller Bombardier mit dem brasilianischen Unternehmen Embraer um den lukrativen Markt für mittelgroße Privatjets. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre war es dem brasilianischen Hersteller gelungen, die Marktverhältnisse zu seinen Gunsten umzukehren. Mit 65% hatte Bombardier 1998 den Markt noch beherrscht, während Embraer nur 35% erreichte. Inzwischen ist die kanadische Firma auf 43% Marktanteil abgesunken, die brasilianische kommt nach jüngsten Ergebnissen auf 57%.
Mit Klagen vor der WTO versucht Bombardier nunmehr seit vier Jahren, den Konkurrenten in den Griff zu bekommen. Auf Betreiben von Bombardier klagte die kanadische Regierung vor dem WTO-Schiedsgericht gegen das brasilianische System der Exportfinanzierung für die Embraer-Flugzeuge. Sowohl in erster Instanz als auch in der Berufung bekam sie Recht. Für die Dauer von sechs Jahren erlaubt die WTO der kanadischen Regierung, Sanktionen von jährlich 233 Millionen US-Dollar gegen brasilianische Importe zu verhängen.
Brasília findet die WTO-Regeln ungerecht, denn sie würden die Industrieländer gegenüber den aufstrebenden Industriesektoren einiger Schwellenländer bevorteilen. Das führt bisweilen zu erheblichen diplomatischen Erschütterungen — kanadische Regierungsdelegationen werden manchmal gar nicht, im günstigsten Fall zweitrangig empfangen.
Doch das kann die Kanadier nicht schrecken. Weil die mittlerweile veränderte Exportfinanzierung immer noch gegen die WTO-Regeln verstoße, hatte Kanada im Februar erneut Klage gegen Brasilien erhoben. Darauf hat die brasilianische Regierung mit einer Gegenklage reagiert. Sie fordert die WTO auf, nun auch die kanadische Exportfinanzierung für Bombardier zu untersuchen.
Die Antwort aus der kanadischen Hauptstadt Ottawa kam prompt: kurzerhand verhängte sie wegen vermeintlicher BSE-Gefahr ein Importverbot für Rindfleisch aus Brasilien, in dem seit 1996 verboten ist, Tiermehl zu verfüttern. Die Importsperre aus Kanada wäre für den Rindfleischmarkt des Schwellenlands noch verkraftbar gewesen.
Doch die Partner Kanadas im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), USA und Mexiko, zogen nach und kaufen jetzt auch kein Rindfleisch aus Brasilien mehr. Und die USA sind der mit Abstand wichtigste Exportmarkt für Fleisch aus Brasilien.
Dieser Handelsstreit könnte weitere Auswirkungen haben, denn im April wollen sich die 34 amerikanischen Staatschefs in Québec treffen, um dort die Integration zur Gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA) zu verhandeln. Die Auseinandersetzung könnte für Brasilien, das in den Wirtschaftsetagen ohnehin schon als "Bremser" gilt, eine Steilvorlage bieten, die Verhandlungen zu blockieren.

Gerhard Klas

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