Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 01.03.2001, Seite 11

Gewerkschaftslinke

Neues Forum gegründet

Weil sie mit der Politik der Gewerkschaften unzufrieden sind, trafen sich am 19.Februar mehrere dutzend Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im Kölner DGB-Haus. Betriebsräte, Vertrauensleute und sogar ein Gewerkschaftssekretär drängten sich in dem viel zu kleinen Raum. Bei der Vorstellungsrunde stellte sich heraus, dass die Unzufriedenheit keine Branchengrenzen kennt und auch außerbetriebliche Initiativen erfasst: Beschäftigte aus kleinen und mittelständischen Metallbetrieben, der Automobilindustrie, der Stadtverwaltung, der Unikliniken, Erwerbslose, Rentner und ein Lehrer waren zum Gründungstreffen der Kölner Gewerkschaftslinken gekommen.
"Soziale Bewegungen außerhalb der Gewerkschaften greifen Forderungen auf, vor denen sich unsere Gewerkschaftsverbände drücken", kritisiert Thies Gleiss, Betriebsrat und langjähriges Mitglied der IG Metall. Rentenpolitik, Betriebsverfassungsgesetz und die geplanten Einschnitte bei der Gesundheitsversorgung liegen den Anwesenden ebenso schwer im Magen wie die Privatisierung der Müllentsorgung und des öffentlichen Nahverkehrs auf lokaler Ebene.
Ideen, was der neu gegründete Kreis eigentlich machen müsste, gibt es viele. Der wilde Streik vor einigen Jahren beim Motorenhersteller Deutz-Fahr dient als konkretes Beispiel. Solidarität mit VW-Arbeitern in Südafrika wird eingefordert, die gerade die rücksichtslose Politik der Konzernzentrale in Wolfsburg ausbaden müssen. Auch antirassistische Arbeit im Betrieb gehört ins Blickfeld der Kölner Gewerkschaftslinken.
Mit vierzig Teilnehmenden kamen zwar mehr als erwartet zum Gründungstreffen — allerdings zu wenige, um all die ganannten Aufgaben zu bewältigen. Auswahlkriterien schwankten zwischen einer bereits vorhandenen "Verankerung im Betrieb" bis hin zu Kampagnen, die in der Lage sind, "betriebliche und außerbetriebliche Kämpfe miteinander zu verbinden".
Unstrittig war die Forderung nach einem "politischen Mandat", um die Gewerkschaften auch außerhalb der Tarifpolitik handlungsfähig zu machen. Diese Forderung wurde mehrmals im Zusammenhang mit dem Balkankrieg aufgestellt.
Auch bei diesem Thema gingen die Gewerkschafter mit ihren Vorständen ins Gericht. Die den Kriegskurs der Regierung unterstützenden Erklärungen aus den Vorstandsetagen seien "nur schlecht formulierte Minderheitsmeinungen" gewesen, sagt Thies Gleiss, "die einer breiten Debatte in der Mitgliedschaft nicht standhalten würden". Dasselbe gelte für die Mitarbeit im "Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit".
Die Inititative zur Gründung des linken Gewerkschaftsforums ist während eines Treffens zur "sog. Rentenreform" Mitte Januar entstanden. Damals hatten siebzig Teilnehmer eine Erklärung unterschrieben, in der sie ihre Vorstellungen zur gewerkschaftlichen Rentenpolitik formulierten und die sowohl an den Kölner DGB als auch die Einzelgewerkschaften mit einer Bitte um eine Stellungnahme geschickt wurde.
Die kam nach einigen Tagen und hätte nicht klarer sein können: Konrad Gilges, DGB- Kreisvorsitzender, lehnte sich an die jüngsten Lesungen zur Rentenreform im Bundestag an, legte die damit weitgehend übereinstimmenden Papiere des DGB und ein Flugblatt der IG Metall bei und erklärte lapidar, dass man die "Positionen nicht teile".
Neben monatlichen Treffen plant das neue Gewerkschaftsforum nun eine Podiumsdiskussion. Dort soll einer der Verteidiger der Rentenreform aus den Gewerkschaftsvorständen gegen einen der ihren antreten, der ihn mit den Auswirkungen für die Beschäftigten konfrontieren wird. Zum 1.Mai, so ein weiterer Vorschlag, könnten die Kölner Gewerkschaftslinken auch auf der Straße Flagge zeigen.
Am 1.Mai 2000 hatte ein linkes Gewerkschaftsforum in Hannover dafür mobilisiert, beim Auftritt von Gerhard Schröder die "Rote Karte" zu zeigen. Der DGB untersagte ihnen daraufhin, mit einem Stand auf dem Straßenfest präsent zu sein, da dieser als Koordinierungszentrale für Aktionen dienen könnte. Das Mittel hat seinen Zweck verfehlt: trotz der Ausgrenzung von Seiten des DGB gab es lautstarke Proteste, als der Bundeskanzler seinen Auftritt hatte. Die Kölner Kolleginnen und Kollegen werden gespannt sein, wie der dortige Kreisvorstand reagiert.
Außer in Köln und Hannover gibt es auch in Stuttgart, dem Ruhrgebiet, dem Kreis Ostwestfalen-Lippe und in München regelmäßige Treffen linker Gewerkschafter, die sich "nicht von der Standortlogik einlullen lassen wollen".

Gerhard Klas

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