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Der Beitragsfonds der vor einem Jahr entlassenen 1300 VW-Arbeiter aus der südafrikanischen Industriestadt Uitenhage ist
aufgebraucht. "Wir können keine Miete mehr zahlen, Zwangräumungen stehen an. Unsere Kinder können die Gebühren für die
Bildungseinrichtungen nicht mehr bezahlen, ganze Familien zerbrechen", beschreibt Abraham Agulhas in Köln auf der ersten Etappe ihrer
Veranstaltungsrundreise in der BRD die desolate Situation.
Nach einem Jahr, die die Schlichtungsverhandlungen gedauert haben, entschied die
Schlichtungsinstanz zumindest teilweise für die Arbeiter. Sie sollten wieder eingestellt werden, aber keine Entschädigung erhalten. Selbst das ging dem
VW-Management zu weit, das am 23.Februar die Überprüfung des Schlichtungsspruchs vor einem Arbeitsgericht durchgesetzt hat.
Doch selbst wenn das Arbeitsgericht den VW-Arbeitern Recht geben sollte (das Ergebnis lag bei
Redaktionsschluss noch nicht vor) der Konzern hat angekündigt, eine solche Entscheidung abermals anfechten zu wollen. Für die VW-Arbeiter
eine kostspielige Angelegenheit, allein die Anwaltskosten für den laufenden Fall summieren sich auf umgerechnet 200.000 Mark. "Sie wollen uns
finanziell ausbluten lassen", erklärt Agulhas, der vor einigen Jahren, als er noch bei dem Ölriesen BP arbeitete, Präsident der
südafrikanischen Chemiegewerkschaft CWIU war. Heute ist er Generalsekretär der neuen, branchenübergreifenden Gewerkschaft OCGAWU, die
im Zusammenhang mit dem Konflikt bei VW vor allem in Uitenhage einigen Zulauf bekommen hat. Auch sein mitreisender Kollege Edward Ketye, früher
einmal Mitglied des Weltbetriebsrats von VW, hat den etablierten Gewerkschaften in Südafrika den Rücken gekehrt, denn die in der Apartheidsära
als kämpferisch bekannte südafrikanische Metallarbeitergewerkschaft NUMSA hatte zusammen mit dem VW-Mangement in Uitenhage die
Interessenvertretung der Beschäftigten des Werks abgesetzt. Im Anschluss daran war es zu Arbeitskämpfen gekommen, die mit der Massenentlassung
endeten.
"Auch unsere Gewerkschaften gehen dazu über, die marktwirtschaftlichen Gesetze zu
akzeptieren und die neoliberale Politik der Regierung zu unterstützen", beschreibt Agulhas die Veränderungen, die seit dem ANC-Regierungsantritt
immer deutlicher zu Tage treten. Erst Mitte Februar hätte der Gewerkschadtsdachverband COSATU einer Kürzung des Sonntagszuschlages zugestimmt.
Die Arbeitsgesetzgebung werde "weiter erodieren", so seine Prognose.
Durch den Arbeitskampf bei VW, die internationale Unterstützung und die wachsende neue
Gewerkschaft OCGAWU "sehen die Bürokraten in den Gewerkschaften ihre Position gefährdet", sagt Agulhas. Die NUMSA-Führung
müsste zunehmend Fragen kritischer Mitglieder beantworten und Uitenhage könnte, sollten die entlassenen VW-Arbeiter ihre Wiedereinstellung
erstreiten, zum Signal für andere Arbeitskämpfe in der Republik werden.
"Doch für uns alleine wäre es unmöglich, den Kampf zu gewinnen, der
noch lange andauern kann", appelliert der Generalsekretär an die Solidarität der Veranstaltungsteilnehmer. Die Betriebsräte der VW-
Niederlassungen in Deutschland haben sich gegenüber diesem Appell bisher taub gestellt. Eine Teilnehmerin berichtete sogar von Betriebsratsmitgliedern und
Gewerkschaftsfunktionären, die Druck auf VW-Arbeiter machen, die den Fall Uitenhage in ihren Betrieben zur Sprache bringen wollen.
Keteye, Agulhas und eine branchenübergreifende Unterstützergruppe aus Deutschland
wollen nun vor allem mit einfachen Gewerkschaftsmitgliedern in den VW-Betrieben Kontakt aufnehmen und das bundesweite Netzwerk der Betriebs- und
Gerwerkschaftslinken für ihren Kampf gewinnen. Zum Abschluss der Rundreise am 2.März werden sie auch den Versuch unternehmen, den IG-Metall-
Hauptvorstand in Frankfurt mit ihrem Fall zu konfrontieren.
Gerhard Klas
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