Sozialistische Zeitung |
Nach zwei Tagen und insgesamt 16 Stunden intensiven Gesprächen zwischen dem kolumbianischen Präsidenten
Andrés Pastrana und Manuel Marulanda, genannt "Tirofijo", dem obersten Kommandanten der Revolutionären Streitkräfte
Kolumbiens (FARC) konnte am 9.Februar verkündet werden, dass der Verhandlungsprozess wieder aufgenommen wird.
Das Treffen hatte nicht nur die kolumbianische Öffentlichkeit etwas beruhigt, sondern auch
international Hoffnungen geweckt. Die FARC hatte vergangen November die Gespräche mit der Regierung abgebrochen, da diese, entgegen geschlossener
Vereinbarungen, nicht gegen die Paramilitärs vorging, die die Zivilbevölkerung terrorisieren.
Die paramilitärischen Gruppen der AUC verstärkten im vergangenen Jahr ihre
Aktivitäten in ganz Kolumbien. Etwa 8000 Paramilitärs agieren mittlerweile gut bezahlt und mit der Deckung und Unterstützung von Armee und
Polizei gegen die Zivilbevölkerung des Landes, die sie "der Unterstützung der Guerilla" beschuldigen und das tun sie mit allen, die
die Paramilitärs nicht unterstützten.
So wird im Falle des gescheiterten Mordanschlages auf Wilson Borja, den Vorsitzenden der
Gewerkschaft der Regierungsangestellten, mittlerweile gegen einen Polizeikapitän ermittelt, dessen Telefonnummer mehrmals vom Mobiltelefon eines
erschossenen Attentäters aus gewählt worden war. Borja war am vergangenen 15.Dezember in Bogota von Unbekannten angeschossen und schwer
verletzt worden, als er sein Haus verließ. Wenige Tage später bekannten sich die Paramilitärs der AUC zu dem Anschlag, die Borje beschuldigen
der ELN-Guerilla anzugehören.
Offensiven gegen Zivilbevölkerung
Von kolumbianischen wie internationalen Menschenrechtsorgansiationen werden die Paramilitärs für den Großteil der verheerendsten
Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Allein im Januar diesen Jahres fielen ihren grausamen Massakern über 200 Zivilpersonen zum Opfer.
Das Treffen zwischen Pastrana und Marulanda fand in Los Pozos, im Herzen der 42000 km2
großen entmilitarisierten Zone unter der Kontrolle der FARC statt. Das Gebiet mit der Fläche der Schweiz entstand im November 1998 als Ergebnis von
Abkommen zwischen der Regierung und der ältesten und größten Guerilla des Landes. Ursprünglich war die Zone bereits Ende Januar
ausgelaufen und wurde von Präsident Pastrana kurzfristig um wenige Tage verlängert. Zudem sorgten die aktuellen Offensiven der Paramilitärs
gegen die Zivilbevölkerung und die im Dezember vergangenen Jahres im Rahmen des Plan Colombia in der Region Putumayo begonnenen Besprühungen
von Kokafeldern aus der Luft für Spannung unter den Gesprächspartnern.
Doch Pastrana und Marulanda konnten sich letztlich auf eine gemeinsame Erklärung mit 13
Punkten einigen in der die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla verkündet wird. Pastrana verkündete die
Verlängerung der entmilitarisierten Zone um weitere neun Monate.
Darüber hinaus einigten sich beide darauf die internationale Gemeinschaft in die FARC-Zone
einzuladen, damit sie das bisher erreichte evaluieren könne. Der Präsident sagte auch zu die Besprühungen aus der Luft von vermeintlichen
Drogenanbaugebieten zu stoppen, was allerdings im Kontrast zum "Plan Colombia" und den Wünschen der USA steht und daher angzweifelt
werden darf.
"Wir sträuben uns nicht gegen eine Zerstörung der illegalen Anbauflächen
per Hand, aber es muss auch dafür gesorgt werden, dass Gelder in Projekte zum Wohle der Bevölkerung fließen", betonte Marulanda im
Namen der FARC, die bereits mehrmals ihre Bereitschaft zur Durchführung von Drogenanbausubstitutionsprogrammen verkündet und sogar konkrete
Pläne vorlegt hatte.
Pastrana verpflichtete sich erneut zu einer intensiveren und effektiveren Bekämpfung der
Paramilitärs und beide Seiten einigten sich eine Kommission aus anerkannten kolumbianischen Persönlichkeiten zu bilden, die Empfehlungen dazu
erarbeiten sollen. Betont wurde auch die Notwendigkeit den lange angestrebten Austausch von inhaftierten Guerilleros gegen Polizisten und Soldaten in der Gewalt der
Guerilla voranzutreiben.
Propaganda und Scharfmacher
Die FARC, die 478 Uniformierte zum Teil seit drei Jahren gefangen hält, erklärte als Zeichen guten Willens 50 Gefangene
ohne Gegenleistungen freizulassen. Die Verhandlungspartner einigten sich auf einen thematischen Terminkalender für die nächsten Wochen. Das erste
Treffen seit der Weideraufnahme der Gespräche (das 25. seit Beginn) des "Nationalen Tisches für Dialog und Verhandlung" fand bereits am
14.Februar statt und einigte sich auf einen detaillierten Terminkalender sowie die Bildung einer Sonderkommission, die mögliche Hürden im
Verhandlungsprozess bereits im Vorfeld aus dem Weg räumen soll, um ein erneutes Einfrieren der Verhandlungen zu vermeiden.
Trotz alledem bleiben schwerwiegende Hürden für einen wirklichen Friedensprozess,
wie Manuel Marulanda betonte, dazu gehören der Paramilitarismus, die Hochrüstung des kolumbianischen Militärs und der als
Drogenbekämpfung getarnte Krieg gegen die Opposition im Rahmen des milliardenschweren "Plan Colombia" und die absolute Weigerung der
kolumbianischen Oligarchie tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen als Grundlage eines dauerhaften Friedens zuzustimmen.
In diesem Punkt unterschied sich die Regierung Pastrana bisher nicht von vorhergehenden
kolumbianischen Regierungen. Während sie vordergründig ihren Einsatz für den Frieden erklärt, spitzt sie gleichzeitig das neoliberale
Wirtschafts- und Sozialmodell in Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds immer weiter zu. Die Regierung treibt politische Reformen mit dem
Zweck voran, dass kolumbianische Zweiparteiensystem zu erhalten.
In der gleichen Logik erklärte auch der Generalkommandeur der kolumbianischen Armee
General Fernando Tapias erst vor wenigen Tagen die Militärs würden Krieghandlungen durchführen um Frieden zu bringen. Tapias gehört
zu den Scharfmachern im kolumbianischen Militärapparat und hatte bereits angekündigt seine Truppen befänden sich in Bereitschaft um die
entmilitarisierte Zone zurückzuerobern und drohte: "Wenn Präsident Pastrana die entmilitarisierte Zone verlängert, respektieren wir die
Entscheidung, übernehmen aber keinerlei Verantwortung für das was dort passieren kann."
Schwierig ist die Situation auch im Falle der zweitgrößten Guerilla des Landes, der
ELN. Nach jahrelangem hin und her stimmte die Regierung schliesslich auch der Schaffung einer wenn auch wesentlich kleineren entmilitarisierten
Zone für die ELN zu. Die Rahmenbedingungen sind bereits ausgehandelt und die Zone soll ersteinmal eine Gültigkeit von neun Monaten haben.
Im Unterschied zur FARC hat die ELN aber noch keine Verhandlungen mit der Regierung geplant,
sie will in dem Gebiet neun thematische Nationalkonventionen unter der Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Kräfte organisieren. Der Zeitpunkt
für die Installierung der Zone steht allerdings noch nicht fest und Militärs und Paramilitärs wollen dies mit allen Mitteln verhindern.
Während die Paramilitärs in dem Gebiet in der Nähe der Erdölstadt
Barrancabermeja, am Rio Magdalena, Kolumbiens größtem Fluss, bereits seit Monaten eine intensive Terrorkampagne mit hunderten von Todesopfern
führen und von ihnen geleitete und finanzierte Organisationen wie No al despeje (Nein zur Entmilitarisierung) und Asocipaz Teile der örtlichen
Bevölkerung zu Straßenblockaden und Protesten gegen die Entmilitarisierung zwingen, hat die Armee vergangenen Woche in einem Teil des für
die ELN vorgesehen Gebietes, in dem diese augenblicklich relativ erfolgreich gegen Paramilitärs vorgeht, eine Offensive gegen die ELN gestartet.
Dario Azzellini
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