Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 01.03.2001, Seite 12

El Salvador

Nicht nur eine Naturkatastrophe

Die verheerenden Folgen des Erdbebens vom 13.Januar und der anhaltenden Nachbeben, die El Salvador immer noch erschüttern, sind noch nicht vollständig abzusehen. Schätzungen gehen von bis zu 3000 Toten aus. Es gibt unzählige Verletzte, mehr als 100.000 Wohnungen wurden ebenso zerstört oder beschädigt, wie ein Großteil der Infrastruktur. 1 Million Menschen leiden unter den Folgen des Erdbebens.
Besonders stark betroffen waren und sind — wie bei allen "Naturkatastrophen" — diejenigen, die ohnehin aufgrund der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in existenzieller Not leben. Deren oft nur provisorisch und/oder aus Lehm gebaute Häuser waren nicht erdbebensicher. In vielen Dörfern und Kleinstädten sind bis zu 90% der Häuser gravierend beschädigt. Das betrifft auch die Mittelstandssiedlung Las Colinas in Santa Tecla, die von einem fatalen Erdrutsch, der dem Beben folgte, verschüttet wurde und durch die internationale Berichterstattung zu trauriger Berühmtheit gelangte.
"Das war keine Naturkatastrophe, das war ein Verbrechen", kommentierte ein Anwohner die Situation in Santa Tecla. Tatsächlich wären viele Todesopfer nicht zu beklagen, viele Zerstörungen vermeidbar gewesen, hätte sich in den letzten Jahren die in Santa Tecla gewählte Gemeinderegierung gegen die rücksichtslosen Baulöwen durchsetzen können. Allen ökologischen Bedenken zum Trotz trieben die Baufirmen die Abholzung des Hügels voran. Die dort bereits wohnende Bevölkerung, Umweltverbände und die lokale Gemeindeverwaltung der FMLN hatten vor weiterer Bodenerosion gewarnt. 1998 wurde weitere Neubebauung aus diesen Gründen verboten.
Die Baufirmen klagten gegen diese Entscheidung. Unterstützung erhielten sie von der ARENA-Regierung. Kein Wunder, gehörte doch eine der Firmen dem damaligen Vize- und späteren Wohnungsbauminister Bodewig. Das Oberste Gericht hob 1999 das Bauverbot auf. Die daraufhin entstandenen neuen Siedlungen wurden nun unter den herabstürzenden Erdmassen zerstört. Das Erdbeben konnte nicht vermieden werden, wohl aber die hohe Zahl von Toten, nicht nur in Santa Tecla.
Medienwirksam setzt sich nun die Regierung von Präsident Flores als Krisenverwalterin in Szene. Die "Katastrophe" aber kommt nicht ungelegen, lenkt sie doch von brisanten innenpolitischen Themen ab: Arbeitslosigkeit und Gewalt, unbewältigte Folgen des Hurrikan Mitch, neoliberale Zerstörung von Bereichen staatlicher Fürsorge im Gesundheits- und Bildungswesen, bei der Versorgung mit Wasser, Strom und anderen Infrastrukturleistungen. Eine erschreckende Ausbreitung von Armutskrankheiten wie Denguefieber und lebensgefährliche Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern ist im ganzen Land zu registrieren.
Die umstrittene Eröffnung einer US-Militärbasis und nicht zuletzt die entgegen verfassungsrechtlicher Bestimmungen durchgesetzte Einführung des US-Dollars als gesetzliches Zahlungsmittel haben die Widersprüche im Land zusätzlich verschärft. Doch die Mobilisierung von Widerstand ist jetzt, durch die aktuellen Ereignisse, zunächst gestoppt.
Während die internationalen staatlichen Hilfsgelder großartig inszeniert der salvadorianischen Regierung übergeben werden, hatten die Menschen längst begonnen, sich selbst zu helfen. Als Präsident Flores in Santa Tecla "Trost" spenden wollte, während mit bloßen Händen nach den Verschütteten gegraben wurde und von Räumgerät noch lange nichts zu sehen war, wurde er ausgepfiffen. Eine Frau rief ihm zu: "Um Himmels willen, gehen Sie und lassen Sie uns arbeiten". Die Arena- Regierung disqualifiziert sich weiter durch den Ausschluss oppositioneller Politiker sowie ziviler und kirchlicher Organisationen aus dem staatlichen "Nationalen Notstandskomitee". Dessen Konzept sieht vor, das ausgerechnet die Privatwirtschaft, das Militär und Regierungsstellen selbst zum Katastrophenmanagement eingesetzt werden sollen.
Die dramatische Lage in El Salvador erfordert unsere aktive Solidarität und direkte Unterstützung. Wir schließen uns einer Aktion des Zentralamerikasekretariats (ZAS) in Zürich an und sammeln Geld für die "Koordination der Gemeindeverwaltungen der FMLN" für ihre Zusammenarbeit mit sozialen, kirchlichen und Nichtregierungsorganisationen vor Ort. Wir wollen diejenigen Kräfte stärken, die gegen alle Verzweiflung und Resignation — über die aktuelle Katastrophenbewältigung hinaus — weiter an dem Befreiungsprojekt in El Salvador arbeiten. Unterstützt uns dabei!

Informationsstelle El Salvador, Bonn; Ökumenische Initiative Mittelamerika; Ökumenisches Büro München; INKOTA- Netzwerk Berlin; Informationsbüro Nicaragua (in Koordination mit dem ZAS, Zentralamerikasekretariat Zürich).
Spenden in Deutschland an: Informationsstelle El Salvador, Postbank Köln (BLZ 37010050) 332276-507, Stichwort: Erdbeben.
Spenden in der Schweiz an: Zentralamerika-Solidaritätsfonds, PC 80-60518-0, Vermerk: Erdbeben



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