Sozialistische Zeitung |
Die deutsche Wirtschaft wie die US-amerikanische Regierung haben sich nicht entblödet, die Richterin Shirley Wohl Kram
dafür zu kritisieren, dass sie darauf bestand, die Wirtschaft habe erst die zugesagten 5 Milliarden Mark Entschädigungsgelder für frühere
ZwangsarbeiterInnen zusammenzukratzen, bevor weitere Sammelklagen von Betroffenen gerichtlich abgewiesen werden dürften. Der Sprecher der
Stiftingsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, war auch frech genug anzudeuten, die Richterin, und nicht etwa die Wirtschaft, trage nun die
Verantwortung dafür, dass die Auszahlung an die Zwangsarbeiter sich weiter hinauszögert. Nicht die Zahlungsunwilligkeit der Wirtschaft sei "die
Ursache für die derzeitige Situation. Denn die Reihenfolge ist eindeutig: Erst Rechtssicherheit, dann Auszahlung der Entschädigung."
Auf diese Weise wollen Wirtschaftsvertreter wohl versuchen, ihren Anteil an der
Entschädigung, der gering genug ist, noch weiter zu drücken. Die Leidtragenden bei diesem Katz-und-Maus-Spiel wären die ehemaligen
ZwangsarbeiterInnen, denen eine, wenn auch minimale Entschädigung zwar zugesagt ist, die aber bis zum St.Nimmerleinstag warten dürfen, ob die
Wirtschaft sich bequemt, ihr Versprechen auch wahr zu machen.
Die Richterin hat die einzig richtige Entscheidung gefällt, die sie mit ihren Mitteln
fällen konnte: Die Wirtschaft darf aus ihrer Verantwortung nicht entlassen werden. Der Fehler liegt nicht bei ihr, er liegt in der Konstruktion der
Stiftungsinitiative selbst. Die soll den Kriegsverbrechern von einst nach 60 Jahren eine großzügige Geste erlauben, mit der sie sich moralisch
weißwaschen können, ohne dass sie wirklich politisch und materiell zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Kriegsverbrecher stehen bis heute auf dem
Standpunkt, sie stünden in keiner "Rechtsnachfolge" zu den Firmen, die dem NS-Regime treu gedient und mit dessen Hilfe sie auf Kosten von
Zwangsarbeitern, aber nicht nur diesen, ihre Profite märchenhaft gesteigert haben. Sie lehnen eine rechtliche wie politische Verantwortung für den
Nutzen, den sie aus dem Hitlerregime gezogen haben, nach wie vor strikt ab. Was sie geben, soll rein freiwillig, nicht einklagbar und deshalb auch nicht mehr als eine
gnädige Herablassung sein. Der von ihnen geforderte Betrag tut ihnen ohnehin nicht weh; Daimler z.B. wurde mit 300 Millionen Mark zur Kasse gebeten
"Peanuts", die der Konzern leicht aus der Portokasse zahlen kann.
Das Problem liegt darin, dass eine SPD-Grüne-Regierung der deutschen Wirtschaft diese
Position durchgehen lässt. Während CDU-Größen den Rücktritt des Außenministers fordern, weil er in jungen Jahren mal eine
PLO-Versammlung besucht hat, dürfen Konzerne, die zehntausende zu Tode geschunden haben, weiterhin so tun, als ginge sie das alles gar nichts an.
Solange das so bleibt, und solange die deutsche Politik sich nicht dazu durchringen kann, die
Wirtschaft für ihr kriminelles Tun in der Geschichte (aber häufig genug auch in der Gegenwart) zur Rechenschaft zu ziehen, gibt es in Deutschland keine
"Vergangenheitsbewältigung".
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