Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 15.03.2001, Seite 11

Anti-EU-Treffen in Kopenhagen

EU-Linke uneins

"Wenn man im Gefängnis sitzt, ist es manchmal angenehm, mehr Gesellschaft zu haben." Mit diesen drastischen Worten beschrieb Anfang März in Kopenhagen Anthony Coughlan aus Irland das Verhältnis der EU-Gegner und EU-Skeptiker zur Osterweiterung. Auf Einladung der dänischen Rot-Grünen Einheitsliste traf man sich am 3. und 4.März in der skandinavischen Metropole zur Diskussion über die Perspektiven der Anti-EU-Bewegungen.
Die Einheitsliste, ein inzwischen seit fast 12 Jahren existierender Zusammenschluss verschiedener kommunistischer und sozialistischer Organisationen, ist massgeblich an der starken Anti-EU-Bewegung beim nördlichen Nachbarn beteiligt und konnte zuletzt bei der Volksabstimmung gegen den Euro, dessen Übernahme die WählerInnen im letzten Herbst ablehnten, einen beachtlichen Erfolg erzielen. Seit 1994 sitzt das kleine linke Bündnis, das längst zu einer eigenständigen Partei geworden ist, im dänischen Parlament. Bei den letzten Wahlen 1998 konnte es 2,7% der Stimmen erzielen und fünf Sitze erobern.
Rund 180 Teilnehmende, die Mehrzahl davon aus dem europäischen Ausland, waren gekommen, um zwei Tage lang über "Europa nach Nizza" zu diskutieren. Einen breiten Raum nahm in den Debatten und Reden der EU- Erweiterungsprozess ein, daher war es besonders erfreulich, dass zum ersten Mal auf einer derartigen Konferenz auch die osteuropäischen Staaten zahlreich vertreten waren.
Jonas Sjöstedt, Europaabgeordneter der schwedischen Linkspartei, machte in seiner Eingangsrede klar, dass die skandinavische Linke den Bewerberstaaten nicht rät, der EU beizutreten, dass die Entscheidung darüber aber bei den betroffenen Bevölkerungen liegen müsse. Er forderte daher wie viele andere auch, dass Volksentscheide durchgeführt werden.
Der bisherige Prozess zeige auf jeden Fall, dass es Augenwischerei sei, von einem europäischen Einigungsprozess zu sprechen. Den Anwärterländern bleibe nichts anderes über, als tausende von EU-Verordnungen in nationale Gesetzgebung umzusetzen, was bereits seit Jahren läuft, ohne dass sie in Brüssel auf den Inhalt Einfluss nehmen könnten.
Dafür, dass dieser einseitige Anpassungsprozess auch garantiert im Sinne der Auftraggeber funktioniert, sorgen die Lobbygruppen der westeuropäischen Industrie, wie Erik Wesselius aus Amsterdam zu berichten wusste. Teams des Europäischen Runden Tischs der Wirtschaft (ERT) würden regelmässig in Abständen von ca. zwei Monaten durch die Hauptstädte Ostmitteleuropas touren, um die Regierungen auf Linie zu bringen. Auf Treffen mit hochrangigen Beamten würden sie detailliert instruiert, wie die EU-Regularien (der aquis communautaire, das EU-Gemeinschaftsrecht) in nationales Recht zu integrieren sei. Wesselius beobachtet seit Jahren mit seiner Gruppe Corporate Europe Observatory die Lobbyaktivitäten des ERT.
Für Uwe Hiksch, Bundestagsabgeordneter der PDS, war das dennoch eher ein Grund, der Stärkung der EU das Wort zu reden, um "das internationale Kapital zu bekämpfen". Denn, so hat er erfahren, die Deutsche Bank würde dem Bundestag sagen, wenn er nicht nach ihrer Pfeife tanze, würde sie Deutschland verlassen. Ähnliches will er von DaimlerChrysler gehört haben.
Weniger platt, aber dennoch ebenfalls eher pro-EU waren auch die Positionen der spanischen Vereinigten Linken und der griechischen Synapismos, einer Abspaltung der dortigen KP. Es gehe darum, für ein soziales Europa zu kämpfen. Auch die meisten anwesenden Osteuropäer sahen wenig Möglichkeiten, gegen den Beitritt zur EU etwas ausrichten zu können. Allein die estländischen Teilnehmer sahen eine gewisse Möglichkeit, mit einem Referendum den Beitritt zu verhindern. Aus Polen, wo es einen wachsenden Unmut gegen die EU gibt, waren keine sozialen Bewegungen vertreten. Dort machen die billigen Importe aus der EU, für die Warschau längst die Grenzen hat öffnen müssen, vor allem den Landwirten zu schaffen.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Positionen zur EU innerhalb der westeuropäischen Linken und der sozialen Parteien immer noch weit auseinandergehen. Für die Bewegungen in Skandinavien ist der Austritt aus der EU immer noch eine reale Perspektive, für die übrigens auch die anwesenden Norweger von der Roten Wahlallianz eintraten. Ihr Land ist zwar immer noch nicht Mitglied, gerät aber dennoch immer mehr unter den Einfluss der EU. Entsprechend stark wurde von den Skandinaviern die Rolle des Nationalstaats betont und das deutsch-französische Kerneuropa-Konzept kritisiert. Die Entwicklung laufe auf einen europäischen Superstaat hinaus, in dem die kleineren Staaten kaum noch Einfluss hätten.
In den Benelux-Staaten, Frankreich, Italien oder Deutschland stellt sich die Lage schon ganz anders da, nicht zuletzt wegen der großen gegenseitigen Durchdringung der Märkte. In Griechenland und Spanien kommt hinzu, dass dort für viele Linke in den letzten 20 Jahren die europäische Integration den Schutz vor erneuten Militärdiktaturen bedeutet hat.

Wolfgang Pomrehn

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