Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 15.03.2001, Seite 13

World Economic Forum

Mexikanische Polizei prügelt Gegner

Kurz vor Abschluss einer amerikanischen Regionalkonferenz des Weltwirtschaftsforums ging die mexikanische Polizei am 27.Februar gewalttätig gegen etwa 500 Globalisierungsgegner vor. Ebenso viele Banker, Politiker und Wirtschaftsvertreter aus 22 Ländern hatten sich in dem karibischen Städtchen Cancún für zwei Tagen getroffen, um wirtschaftliche Probleme Lateinamerikas und vor allem Investitionsmöglichkeiten zu beraten. Die Veranstaltung ging auf eine Initiative des jährlich Ende Januar im Schweizer Davos tagenden Weltwirtschaftsforums zurück. Ähnliche Treffen wurden bereits auf anderen Kontinenten abgehalten oder sind noch geplant.
Eigentlich sollte es ja diesmal friedlich zugehen, nach dem in den letzten zwei Jahren Globalisierungsgegner von Seattle über Melbourne, Prag und Seoul bis Nizza mit massiver Polizeigewalt konfrontiert worden waren. "Bilder von Repression und knüppelschwingenden Polizisten wird es in Mexiko nicht geben", hatte der Chefkoordniator der Bundespolizei, Francisco Arellano, versprochen.
Es kam anders. 1600 Polizisten waren aufgeboten worden, um das "Elitetreffen", wie es die Demonstranten nannten, zu schützen. Globalisierungsgegner aus verschiedenen amerikanischen Staaten und Europa hatten einen zweitägigen Gegenkongress veranstaltet. Zum Abschluss gab es eine Demonstration. Als einige der Teilnehmer an der Uferpromenade des exklusiven Badeorts aus Protest die Hose runter ließen, um ihr blankes Hinterteil zu zeigen, war das für die Polizei Grund genug, loszudreschen.
Dabei sollen auch Touristen und Journalisten reichlich abbekommen haben. Nach Angaben der Organisatoren der Proteste gab es 30 Verletzte und 68 Festnahmen. Die eingesetzte Militärpolizei habe auch nicht von ihren Angriffen abgelassen, als sich die Demonstranten bereits auf dem Rückzug befanden. Viel hatten aus Solidarität mit Zapatisten aus Chiapas, die vor kurzem zu einem Friedensmarsch nach Mexiko-Stadt aufgebrochen sind, deren Erkennungszeichen, d.h. schwarze Skimützen, getragen.
Mexikos konservativer Präsident hatte unterdessen auf einer Abschlussveranstaltung die inzwischen üblichen Floskeln zum Besten gegeben: Er wolle eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz, verkündete er, kurz bevor es auf der Straße "Knüppel frei!" hieß. "Wir können nicht die Augen vor den Millionen Menschen verschließen, die mit einem Dollar pro Tag auskommen müssen", zitieren ihn Nachrichtenagenturen. Offenbar hatte er es nicht einmal für nötig befunden, sich zu informieren: Nach UNO- Angaben sind es 1,2 Milliarden Menschen, die weniger als 1 Dollar pro Tag haben. Weitere 1,6 Milliarden haben weniger als 2 Dollar pro Tag.
Am Rande der Konferenz hatte es auch einen öffentlichen Dialog zwischen Vertretern des Wirtschaftsforums und der sozialen Bewegungen gegeben. Allerdings sprach man unterschiedliche Sprachen: Während Venezuelas ehemaliger Präsident José María Figueres die Vorzüge der Globalisierung lobte und meinte, dass die Reichen zwar schrecklich reich, die Armut aber immerhin abnehmen würde, sah Gustavo Codas vom brasilianischen Gewerkschaftsdachverband CUT das vollkommen anders. Das vergangene Jahrzehnt der Globalisierung sei schlimmer gewesen, als das verlorene Jahrzehnt der 80er Jahre. Am Gespräch nahm auch Christophe Aguiton vom Euromarschnetzwerk teil.
Voller Ironie bewunderte der Soziologe und Gewerkschaftsaktivist Hector de la Cueva aus Mexiko- Stadt die Vielseitigkeit der Wirtschaftsvertreter: "Mit der einen Hand schaffen sie noch mehr Armut, mit der anderen schreiben sie Programme, um sie zu bekämpfen; und während sie noch davon sprechen, der Globalisierung ein menschliches Antlitz zu geben, wächst die Misere weiter."

Wolfgang Pomrehn

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