Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 15.03.2001, Seite 14

Eine andere Welt ist möglich

Ein neuer Anlauf zur sozialistischen Reorganisierung

Anfang März trafen sich in Köln knapp zwei dutzend Menschen zur Gründung einer neuen sozialistischen Organisation. Behelfsweise nennt sich diese noch [IS] (für "Internationale Sozialistinnen und Sozialisten"; die Bezeichnung ist jedoch schon belegt, bis zum nächsten Treffen soll ein Name gefunden sein).
Die Beteiligten kommen alle aus der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), die ihre Aktivitäten Ende Dezember eingestellt hat; sie sind fast alle Mitglieder im Verein für solidarische Perspektiven (VsP), dessen wichtigste Aufgabe neben sozialistischer Bildungsarbeit die Herausgabe der Sozialistischen Zeitung ist, die auch für die neu gegründete Organisation eine zentrale Aktivität darstellt.
Die Auseinandersetzung mit dem Scheitern der VSP stand naturgemäß am Beginn der Beratungen, wobei der Begriff "Scheitern" nicht ausdrückt, daß die Beteiligten diese Erfahrung ausschließlich negativ bewerteten. Will man eine ehrliche Bilanz ziehen, muß man eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen: Wo standen die Vorläuferorganisationen zum Zeitpunkt der Vereinigung und welche Perspektiven hatten sie damals (1986)? Unter welchen politischen Rahmenbedingungen fand sie statt — und haben wir diese damals ausreichend berücksichtigt?
Davon hängt auch ab, ob die Ziele, die wir uns damals mit der VSP gesteckt haben, einlösbar waren oder nicht. Es gab zu diesen Fragen keine einheitliche Meinung und eine gemeinsame Analyse der Vergangenheit wird auch nicht Grundlage der gemeinsamen politischen Aktivität sein.
Eine eingehendere Diskussion gab es um die Grundpositionen, die die VSP 1986 mit ihrem Programm formuliert hat. Der Niedergang der VSP wurde jedoch weniger auf ihre programmatischen Positionen, als auf die allmähliche Preisgabe des Willens zurückgeführt, über das "Vereinigen statt spalten" hinaus und trotz des Niedergangs der radikalen Linken den Willen zur Organisierung revolutionärer und sozialistischer Kräfte zu behaupten, die VSP in Auseinandersetzung mit den neuen Entwicklungen weiter zu entwickeln und neue Mitglieder für sie zu interessieren.
Die Bereitschaft zur kollektiven politischen Außenaktivität mit dem Ziel der Organisierung für ein sozialistisches Programm hat über mehrere Jahre hinweg stetig abgenommen, sodaß die Selbstauflösung am Ende nur ein logischer Endpunkt gewesen ist.
Mit diesem Ergebnis wollen sich diejenigen, die sich Anfang März getroffen haben, jedoch nicht zufrieden geben. Die zunehmenden Katastrophen, die der globalisierte Kapitalismus Tag für Tag beschert — für die Armut, Kriege, BSE, Überschwemmungen und Flüchtlingselend nur die Spitze des Eisbergs sind — belegen zwar objektiv die dringende Notwendigkeit, diesem Irrsinn organisiert entgegenzusteuern. Aus einer objektiven Notwendigkeit ergibt sich aber nicht immer zugleich die subjektive Kraft zu einem solchen Schritt, der heute nicht besser in die politische Landschaft zu passen scheint als das "Vereinigen statt spalten" vor 15 Jahren.
Maßgebend dafür, daß die Beteiligten den Eindruck haben, nicht zu einem aussichtslosen Unterfangen aufzurufen, ist die weltweite Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und die neuen Auftrieb und neue Zuversicht verschafft, wenn ihr Echo in der BRD bisher auch noch gering ist. In diesen Rahmen wollen wir uns stellen, von dieser internationalen Warte aus wollen wir die Verhältnisse in Deutschland analysieren und beschreiben, was wir zu ihrer Überwindung beitragen können.
Wir haben uns vorgenommen, unsere derzeitige Position in eine programmatischen Erklärung zu fassen, die um folgende Punkte herum aufgebaut sein wird: Kapitalistische Globalisierung oder die neue Barbarei; Deutschland in der EU; die innerdeutschen Verhältnisse (mit besonderem Augenmerk auf die Entwicklungen der Parteien, der Gewerkschaften und der übrigen sozialen Bewegungen); was wir wollen und Schwerpunkte unserer Arbeit. Die Erklärung soll möglichst bis Ostern vorliegen.
Auf großen Zuspruch stieß jedoch auch der Vorschlag, sich damit nicht zufrieden zu geben, sondern sogleich an der Herstellung einer Kampfschrift gegen die kapitalistische Globalisierung zu arbeiten, die auch eine solidarische Bilanz der bisherigen sozialistischen Ansätze zieht und daraus positive Anhaltspunkte für eine neue Verortung der sozialistischen Linken zieht. Das Vorhaben ist ehrgeizig; über einen ersten Gliederungsentwurf wollen wir beim nächsten Treffen im Juni diskutieren.
Nach einem Überblick über die örtlichen Aktivitäten der Beteiligten haben wir beschlossen, an folgenden Schwerpunkten zu arbeiten:
Die soziale Entwicklung — wir wollen sie von Anfang an im Kontext der EU und deren weltweitem Agieren angehen. Das betrifft betriebliches Engagement ebenso wie die Einmischung in Gewerkschaftsdebatten (ver.di; Zukunftsdebatte der IGM) wie auch Aufklärung und Mobilisierung zur Reform der Renten, des Gesundheitswesens, der sozialen Schutzsysteme und die Ausweitung der ungeschützten Beschäftigungsverhältnisse. Damit wollen wir auch zur Stärkung der Initiative zur Vernetzung der linken GewerkschafterInnen und der Euromärsche beitragen;
der Kampf gegen Rechtsradikalismus und Rassismus. Ein besonderes Augenmerk verdient dabei der Zusammenhang zwischen Migration, EU-Osterweiterung, "Greencard"-Debatte, Einwanderungsgesetz und Illegalisierung der Flüchtlinge. Wir sehen in diesem Zusammenhang eine typische Folgewirkung der kapitalistischen Globalisierung und wollen sie u.a. im Rahmen von ATTAC thematisieren;
wir werden uns an der Mobilisierung zum G8-Gipfel Mitte Juli nach Genua beteiligen;
wir werden uns an der Programmdiskussion der PDS beteiligen.
Die neue Organisation versteht sich als Kern von radikal-sozialistischen AktivistInnen, die in verschiedenen Zusammenhängen (sozialen Bewegungen, Verbänden, Gewerkschaften etc.) initiativ arbeiten.
Am Samstag abend gab es einen Bericht von einem Teilnehmer am Weltsozialforum in Porto Alegre, mit Videofilm über den dort praktizierten Beteiligungshaushalt.
Die neue Organisation erklärt sich in Sympathie zur IV.Internationale, in der sie einen bestehenden Ansatz zur internationalen Organisierung der radikalen Linken sieht. (Die große Mehrheit derer, die anwesend waren, versteht sich als Mitglieder der Internationale.) Sie will an ihren Debatten zum geplanten Weltkongress teilnehmen und auf dieser Basis bis Ende des Jahres über ihr Verhältnis definitiv entscheiden. In diesem Rahmen sind auch Diskussionen mit dem RSB anvisiert. Aus finanziellen Gründen wird die neue Organisation (zumindest in der Anfangsphase) in hohem Maße eine virtuelle sein — d.h. viele Informationen und Diskussionen werden über das Internet laufen. Eine Homepage wird eingerichtet.
Das nächste Treffen findet am 9.und 10.Juni in Köln statt. Auf der Tagesordnung stehen u.a.: die Gliederung für eine Kampfschrift gegen die kapitalistische Globalisierung; Arbeitsgruppen zu Septemberkonferenz der Gewerkschaftslinken, zur PDS- Programmdiskussion, zur ATTAC-Konferenz und Mobilisierung nach Genua; Arbeitsweise und Finanzen. Den Namen nicht vergessen.

Angela Klein

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


zum Anfang