Sozialistische Zeitung |
Anfang März trafen sich in Köln knapp zwei dutzend Menschen zur Gründung einer neuen sozialistischen
Organisation. Behelfsweise nennt sich diese noch [IS] (für "Internationale Sozialistinnen und Sozialisten"; die Bezeichnung ist jedoch schon belegt,
bis zum nächsten Treffen soll ein Name gefunden sein).
Die Beteiligten kommen alle aus der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP), die ihre
Aktivitäten Ende Dezember eingestellt hat; sie sind fast alle Mitglieder im Verein für solidarische Perspektiven (VsP), dessen wichtigste Aufgabe neben
sozialistischer Bildungsarbeit die Herausgabe der Sozialistischen Zeitung ist, die auch für die neu gegründete Organisation eine zentrale Aktivität
darstellt.
Die Auseinandersetzung mit dem Scheitern der VSP stand naturgemäß am Beginn der
Beratungen, wobei der Begriff "Scheitern" nicht ausdrückt, daß die Beteiligten diese Erfahrung ausschließlich negativ bewerteten. Will
man eine ehrliche Bilanz ziehen, muß man eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen: Wo standen die Vorläuferorganisationen zum Zeitpunkt
der Vereinigung und welche Perspektiven hatten sie damals (1986)? Unter welchen politischen Rahmenbedingungen fand sie statt und haben wir diese damals
ausreichend berücksichtigt?
Davon hängt auch ab, ob die Ziele, die wir uns damals mit der VSP gesteckt haben,
einlösbar waren oder nicht. Es gab zu diesen Fragen keine einheitliche Meinung und eine gemeinsame Analyse der Vergangenheit wird auch nicht Grundlage der
gemeinsamen politischen Aktivität sein.
Eine eingehendere Diskussion gab es um die Grundpositionen, die die VSP 1986 mit ihrem
Programm formuliert hat. Der Niedergang der VSP wurde jedoch weniger auf ihre programmatischen Positionen, als auf die allmähliche Preisgabe des Willens
zurückgeführt, über das "Vereinigen statt spalten" hinaus und trotz des Niedergangs der radikalen Linken den Willen zur Organisierung
revolutionärer und sozialistischer Kräfte zu behaupten, die VSP in Auseinandersetzung mit den neuen Entwicklungen weiter zu entwickeln und neue
Mitglieder für sie zu interessieren.
Die Bereitschaft zur kollektiven politischen Außenaktivität mit dem Ziel der
Organisierung für ein sozialistisches Programm hat über mehrere Jahre hinweg stetig abgenommen, sodaß die Selbstauflösung am Ende nur
ein logischer Endpunkt gewesen ist.
Mit diesem Ergebnis wollen sich diejenigen, die sich Anfang März getroffen haben, jedoch
nicht zufrieden geben. Die zunehmenden Katastrophen, die der globalisierte Kapitalismus Tag für Tag beschert für die Armut, Kriege, BSE,
Überschwemmungen und Flüchtlingselend nur die Spitze des Eisbergs sind belegen zwar objektiv die dringende Notwendigkeit, diesem Irrsinn
organisiert entgegenzusteuern. Aus einer objektiven Notwendigkeit ergibt sich aber nicht immer zugleich die subjektive Kraft zu einem solchen Schritt, der heute nicht
besser in die politische Landschaft zu passen scheint als das "Vereinigen statt spalten" vor 15 Jahren.
Maßgebend dafür, daß die Beteiligten den Eindruck haben, nicht zu einem
aussichtslosen Unterfangen aufzurufen, ist die weltweite Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und die
neuen Auftrieb und neue Zuversicht verschafft, wenn ihr Echo in der BRD bisher auch noch gering ist. In diesen Rahmen wollen wir uns stellen, von dieser
internationalen Warte aus wollen wir die Verhältnisse in Deutschland analysieren und beschreiben, was wir zu ihrer Überwindung beitragen
können.
Wir haben uns vorgenommen, unsere derzeitige Position in eine programmatischen Erklärung
zu fassen, die um folgende Punkte herum aufgebaut sein wird: Kapitalistische Globalisierung oder die neue Barbarei; Deutschland in der EU; die innerdeutschen
Verhältnisse (mit besonderem Augenmerk auf die Entwicklungen der Parteien, der Gewerkschaften und der übrigen sozialen Bewegungen); was wir
wollen und Schwerpunkte unserer Arbeit. Die Erklärung soll möglichst bis Ostern vorliegen.
Auf großen Zuspruch stieß jedoch auch der Vorschlag, sich damit nicht zufrieden zu
geben, sondern sogleich an der Herstellung einer Kampfschrift gegen die kapitalistische Globalisierung zu arbeiten, die auch eine solidarische Bilanz der bisherigen
sozialistischen Ansätze zieht und daraus positive Anhaltspunkte für eine neue Verortung der sozialistischen Linken zieht. Das Vorhaben ist ehrgeizig;
über einen ersten Gliederungsentwurf wollen wir beim nächsten Treffen im Juni diskutieren.
Nach einem Überblick über die örtlichen Aktivitäten der Beteiligten haben
wir beschlossen, an folgenden Schwerpunkten zu arbeiten:
Die soziale Entwicklung wir wollen sie von Anfang an im Kontext der EU und deren
weltweitem Agieren angehen. Das betrifft betriebliches Engagement ebenso wie die Einmischung in Gewerkschaftsdebatten (ver.di; Zukunftsdebatte der IGM) wie
auch Aufklärung und Mobilisierung zur Reform der Renten, des Gesundheitswesens, der sozialen Schutzsysteme und die Ausweitung der ungeschützten
Beschäftigungsverhältnisse. Damit wollen wir auch zur Stärkung der Initiative zur Vernetzung der linken GewerkschafterInnen und der
Euromärsche beitragen;
der Kampf gegen Rechtsradikalismus und Rassismus. Ein besonderes Augenmerk verdient
dabei der Zusammenhang zwischen Migration, EU-Osterweiterung, "Greencard"-Debatte, Einwanderungsgesetz und Illegalisierung der Flüchtlinge.
Wir sehen in diesem Zusammenhang eine typische Folgewirkung der kapitalistischen Globalisierung und wollen sie u.a. im Rahmen von ATTAC thematisieren;
wir werden uns an der Mobilisierung zum G8-Gipfel Mitte Juli nach Genua beteiligen;
wir werden uns an der Programmdiskussion der PDS beteiligen.
Die neue Organisation versteht sich als Kern von radikal-sozialistischen AktivistInnen, die in
verschiedenen Zusammenhängen (sozialen Bewegungen, Verbänden, Gewerkschaften etc.) initiativ arbeiten.
Am Samstag abend gab es einen Bericht von einem Teilnehmer am Weltsozialforum in Porto Alegre,
mit Videofilm über den dort praktizierten Beteiligungshaushalt.
Die neue Organisation erklärt sich in Sympathie zur IV.Internationale, in der sie einen
bestehenden Ansatz zur internationalen Organisierung der radikalen Linken sieht. (Die große Mehrheit derer, die anwesend waren, versteht sich als Mitglieder
der Internationale.) Sie will an ihren Debatten zum geplanten Weltkongress teilnehmen und auf dieser Basis bis Ende des Jahres über ihr Verhältnis
definitiv entscheiden. In diesem Rahmen sind auch Diskussionen mit dem RSB anvisiert. Aus finanziellen Gründen wird die neue Organisation (zumindest in
der Anfangsphase) in hohem Maße eine virtuelle sein d.h. viele Informationen und Diskussionen werden über das Internet laufen. Eine
Homepage wird eingerichtet.
Das nächste Treffen findet am 9.und 10.Juni in Köln statt. Auf der Tagesordnung stehen
u.a.: die Gliederung für eine Kampfschrift gegen die kapitalistische Globalisierung; Arbeitsgruppen zu Septemberkonferenz der Gewerkschaftslinken, zur PDS-
Programmdiskussion, zur ATTAC-Konferenz und Mobilisierung nach Genua; Arbeitsweise und Finanzen. Den Namen nicht vergessen.
Angela Klein
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