Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.07 vom 29.03.2001, Seite 2

Der beschränkte Teutomanismus

Dass der Stolz darauf, Deutscher zu sein, zu den Standarderklärungen von Nazis bereits vor 1933 gehörte, scheint heute vergessen zu sein. Junge Sozialisten reagierten mit der verfänglichen Frage: "Wenn ihr nicht stolz darauf wärt, wärt ihr dann keine Deutschen?" Sie aber hatten noch ein Lied darauf, das sie, ohne behelligt zu werden, gröhlen konnten: "Wenn das Judenblut vom Messer fließt, dann geht‘s nochmal so gut!" In der Weimarer Demokratie herrschte schließlich Redefreiheit. Zumindest für Nazis.
Es war Heinrich Heine, der viel früher bereits auf den "Judenhass der Deutschtümler" hinwies, der bereits beim Wartburgfest offenbar wurde, das am 18.Oktober 1817 aus Anlass des vierten Jahrestags der Leipziger Schlacht, also der Befreiung vom "Franzosenjoch", stattfand. Dort wurde auch eine Bücherverbrennung inszeniert. Unter den Schriften, die die Studenten ins Feuer warfen, war nicht nur der Code Napoléon, der eine der kostbarsten Errungenschaften der Französischen Revolution verankerte, die Gleichheit vor dem Gesetz, sondern auch die Germanomanie des deutsch-jüdischen Demokraten Saul Ascher, die vor verbohrtem Nationalismus warnte.
Mit wütendem Hass erklärten die Studenten, die seine Broschüre den Flammen übergaben: "Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum schmähen und spotten." Heinrich Heine sah darin einen "beschränkten Teutomanismus", der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wusste, als Bücher zu verbrennen. In seinem Trauerspiel Almansor schrieb er jedoch prophetisch: "Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen."
Aber Heine ließ der "Teutomanismus" keine Ruhe. Er nahm ihn sich gründlich vor, in dem Gedicht "Die Wahl-Esel", wo es heißt:

Die Freiheit hat man Satt am End,
Und die Republik der Tiere
Begehrte, dass ein einzger Regent
Sie absolut regiere. [...]

Als er jedoch die Kandidatur
des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: Du bist ein Verräter!

Du bist ein Verräter, es fließt in dir
Kein Tropfen vom Eselsblute;
Du bist kein Esel, ich glaube schier
Dich warf eine welsche Stute.

Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut
Sie ist gestreift zebräisch;
Auch deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch. [...]

Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.

Ich bin ein Esel, und will getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten lieben Eselei,
Am Eseltume halten. [...]

So sprach der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit den Hufen.

Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt er mit dem Schwanze.

Wer hätte gedacht, dass die "Germanomie" oder der "Teutomanismus", das Festhalten an einer "deutschen Leitkultur", zwei von der herrschenden Klasse Deutschlands angezettelte Weltkriege und Auschwitz überleben werde?

Jakob Moneta

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