Sozialistische Zeitung |
Viele, sogar die meisten und selbst eng befreundete Linke tun sich schwer, die "Partei des demokratischen Sozialismus" (PDS),
mit dem Raster einer materialistischen Klassenanalyse befriedigend zu erfassen. Begnügen sich die einen mit einer vernichtenden Kritik von Programm und Strategie,
um eine hoffnungslos verhunzte sechsunddreißigste Auflage des Reformismus zu verorten, so verteufeln die anderen mittels einer Batterie von moralischen
Zeigefingern den intellektuellen und politischen Verfall einer Horde von Populisten und Machtgeilen, die sich an der Spitze dieser Partei eingenistet hat, und gnadenlos die
Klaviatur des Opportunismus auf und ab spielt, bis hin zu rassistischen und nationalistischen Ausfällen.
Die einen wie die anderen haben Recht und liegen gleichzeitig falsch, wie auch die Unverdrossenen, die in
der PDS eine angemessene und moderne Art der linken Massenpolitik entdecken. Von allen zur Charakterisierung einer Partei notwendigen Gesichtspunkten, wiegt bei der
PDS ihre historisch-moralische Akzeptanz bei den gesellschaftlichen Klassen am schwersten, und gerade sie wird von den meisten linken Analysen in der Regel dennoch fast
übersehen.
Unter diesem Blickwinkel ist die PDS die Partei der doppelten Niederlage. Sie repräsentiert aus der
Sicht der herrschenden Kapitalistenklasse ungebrochen die vierzig Jahre Niederlage und Existenz eines nichtkapitalistischen Staates auf dem Nachbargrundstück. Und
sie verkörpert aus Sicht der Arbeiterbewegung wie für die antikapitalistische Linke gleichermaßen die Niederlage, dass diese vierzig Jahre
preußisch-stalinistischer Sozialismusversuch nicht ausgereicht haben, um den Kapitalismus zu bezwingen.
Was bleibt, ist die PDS als Kollektiv der strukturellen Frustration, das buchstäblich keine Chance
hat, sie aber dennoch nutzen muss. Lassen wir mal Prognosen, ob dieser Zustand durch die gängigen Therapien nennen sie sich jetzt Programmdebatte oder
Strukturreform noch zu beheben ist, die Zweifel sind allemal frappierend.
Lustig ist aber immer wieder, welch individuelle Fluchtwege die verschiedenen PDS-Strategen und -
Strateginnen freizuschaufeln versuchen. Wer von Unten verlassen und von Oben blamiert wird, der oder die gerät in die Gefahr, es mit der Mitte zu versuchen. So
wetterte der PDS-Arbeitsminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, am 15.März, fast auf den Tag 130 Jahre nach Beginn des ersten Arbeiterstaats der
Geschichte, der Pariser Kommune, im Berliner Reichstag gegen die verfehlte Mittelstandspolitik der Regierung Schröder.
Obwohl "im Osten ein Gründergeist sprießt" und Genosse Holter eine
"Veranstaltungsreihe über Existenzgründer" mit dem Titel "Idee sucht Kapital Kapital sucht Idee" durchgeführt hat,
werden die ostdeutschen Kleinunternehmer auf ihrem Weg zum großen Kapital von den westdeutschen Banken und Politikern verlassen. Dabei hat
"Ostdeutschland nur eine Perspektive als Standort kleiner und mittlerer Unternehmen", denn "im Osten gehen die Uhren etwas anders als im
Westen". "Es gibt viele junge Unternehmen, die derzeit noch nicht aus eigener Kraft überleben können." Da muss ein
"Aktionsbündnis Ost für Arbeit, Aufträge und Ansiedlungen von Unternehmen" her. Dort könnten "regionale
Wertschöpfungsketten" geschmiedet und "Markterschließungsstrategien für die mittel- und osteuropäischen Staaten" erarbeitet
werden.
Angesichts dieser prustenden Bitt- und Ergebenheitsansprache eines deutschen Sozialisten an sein Kapital,
wagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Schauert (der heißt wirklich so…) laut Protokoll vom 15.März einen Zwischenruf: "Sie sind doch ein
Teil des Problems." Tief erschauert pflichten wir bei: wo er Recht hat, hat er Recht.
Thies Gleiss
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04