Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.09 vom 25.04.2001, Seite 2

Verfassungsbruch

Demontage der Schiene

von GERHARD KLAS

Mit der Verfassungstreue hält es die Bundesregierung manchmal nicht so genau. Auch dann nicht, wenn es um Verkehrspolitik geht. Denn die hundertprozentige Bahneignerin ist nach Grundgesetz Artikel 87e dazu verpflichtet, "Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes" zu gewährleisten. Doch nach den Plänen der Bahn AG soll bis 2003 ein Viertel des gesamten Schienenfernverkehrs gekürzt werden, Anfang Juni schon mal 13 Millionen der insgesamt 170 Millionen Schienenkilometer. Damit würden wichtige Fernverbindungen auf der Strecke bleiben.
Kein Problem für Bundesverkehrsminister Bodewig und Bahnchef Mehdorn. Die Bahn sei jetzt Aktiengesellschaft, heißt es, deshalb könne man ihr nicht vorwerfen, Verbindungspläne so zu ändern, dass sie wieder wirtschaflich seien. Ob Klimaschutz, ob Verfassungsauftrag: die Bahnrendite zählt. Deshalb sollen im Juni auch mehrere tausend Beschäftigte wegrationalisiert werden, in den nächsten Jahren bis zu 90000.
Aber mehr noch zählt die Rendite der Autoindustrie, die ihre Freunde im Aufsichtsrat der Bahn AG (und der Bundesregierung) plaziert hat. Bei gestiegenen Spritpreisen muss die Attraktivität der Bahn weiter abgesenkt werden, damit die Deutschen ihr liebstes Spielzeug nicht in der Garage stehen lassen. Die Entlassungen werden‘s schon richten: noch mehr Verspätungen, schlechter Service, gereizte Kundschaft und genervte Beschäftigte. Notfalls müssen die Preise nochmal rauf. Und was will die größte Eisenbahnergewerkschaft "Transnet" angesichts des gebrochenen Verfassungsauftrages machen? Die "letzten Züge mit schwarzem Trauerflor verabschieden", sagt Wolfgang Zell, Regionalleiter Nord-Ost. Denn "politische Streiks sind in Deutschland verboten".

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