Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.09 vom 25.04.2001, Seite 5

Erwerbslosenhetze

Gemeinsam gegen Arbeitszwang und Billigjobs

Gerhard Schröder ist ein erfahrener Populist. Er weiß zur rechten Zeit medienwirksam die rechten Vorurteile und Stimmungen zu bedienen und von den Mängeln der eigenen Politik abzulenken.
Rechtzeitig bevor die Medien ihn der Unfähigkeit im Umgang mit der Massenarbeitslosigkeit hätten zeihen können, weil die Konjunktur nachlässt noch bevor die Zahl der registrierten Erwerbslosen nennenswert gesunken wäre, hat er die Flucht nach vorn angetreten und den Erwerbslosen die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, dass der bescheidene Wirtschaftsaufschwung an ihnen vorbeigeht. Schließlich ist es nicht nicht lange her, dass Kanzler Kohl wegen solcher "Unfähigkeit" die Wahlen verloren hat. Und mit Dresche auf die Schwächsten lässt sich immer noch die Oberhoheit über deutsche Stammtische gewinnen — das läuft gegen Erwerbslose nicht anders als gegen Ausländer.
Da unterscheidet sich Schröders Hetze gegen Erwerbslose nicht von Kochs Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft — das spricht Bände über den angeblichen Willen der Bundesregierung, die soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Bei verbalen Diffamierungen ist es nicht geblieben: Mit der Ankündigung, die kollektive soziale Absicherung bei Erwerbslosigkeit in Frage zu stellen, betreibt die Regierung Schröder die soziale Ausgrenzung aktiv, nicht nur mit Stammtischparolen.
Einstweilen scheint die Rechnung aufgegangen zu sein. Nach einer Blitzumfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie gaben zwei Drittel der Bevölkerung Schröder recht. Vor drei Jahren, in der Endphase der Amtszeit Kohls, wurden diesem die hohen Arbeitslosenzahlen noch als Skandal angekreidet, Initiativen wie die Jagoda-Tage stießen in der Presse auf Sympathie.
Unter der SPD-Grüne-Regierung hat sich das völlig geändert. Ihre Politik des "akivierenden Sozialstaats" hat zwar den Abbau von Vollzeitarbeitsplätzen nicht aufgehalten und den Ausbau von Billigjobs beschleunigt vorangetrieben, dafür aber einen Stimmungswandel erreicht, dass die Gesellschaft heute den Erwerbslosen die Schuld an ihrer Lage gibt.
Das muss nicht so bleiben. Wo mitten im Wirtschaftsaufschwung Massenentlassungen bei Bahn, Post und Telekom angekündigt werden, wo Schröder in einem Atemzug den Erwerbslosen den Arbeitszwang und den Beschäftigten eine Nullrunde androht, kann leicht die Situation entstehen, dass auch die abhängig Beschäftigten sich um den Konjunktur- und Produktivitätsaufschwung betrogen fühlen, da kann auch wieder Solidarität entstehen.
In Frankreich sind Erwerbslose aktiv an den Streiks gegen die Entlassungen der Beschäftigten bei Danone beteiligt — und sie tun dies mit dem Ziel, eine gemeinsame Front derer mit und ohne Erwerbsarbeit gegen die Willkür der Konzerne und die Willfährigkeit der Politik aufzubauen.
In Deutschland haben Zwickel und Bsirkse angekündigt, bei den kommenden Tarifverhandlungen ordentlich zulangen zu wollen. Erwerbslose und Sozialhilfebeziehende sollten sich ihnen anschließen mit der Forderung nach Aufstockung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe auf einen Betrag, der eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht, sowie nach gesicherten Arbeitsplätzen, die der eigenen Qualifikation entsprechen.
Es muss in der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden, dass die Angriffe auf Reallöhne und Soziallöhne zusammengehören und dasselbe im Schilde führen: den Einstieg in einen Niedriglohnsektor, der den Ausstieg aus dem Tarifvertragssystem nach sie zieht.

Angela Klein

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


LeserInnenbrief@soz-plus.de
zum Anfang