Sozialistische Zeitung |
Anfang August 2000 hat die maoistische Kommunistische Partei Nepals (CPN-M) ihre Guerillaeinheiten offiziell zu einer
"Volksbefreiungsarmee" hochgestuft. Die Gründung einer offiziellen revolutionären Armee wurde auf einer Pressekonferenz der Partei im
Dschungel von Jureli Danda bei Khalanga im Jajarkot-Distrikt bekanntgegeben.
Der Krieg zwischen verschiedenen Regierungen und der maoistischen KP hat bislang über
2000 Menschenleben gefordert, rund 400 davon Polizisten, der Rest überwiegend Zivilisten. Dass die Gründung einer "Volksbefreiungsarmee"
mehr war als eine inhaltslose Propagandageste deutete sich schon Anfang vergangenen Jahres an.
Der Londoner Economist schrieb am 26.2.2000 nachdem zuvor die Mehrheit der Abgeordneten der
Regierungspartei den erst neun Monate zuvor gewählten Ministerpräsidenten Krishna Prassad Bhattarai zum Rücktritt aufgefordert und 11 Minister
zurückgetreten waren: "Aber das Timing und die Art und Weise von Bhattarais Rücktritt könnte die Chancen für einen Frieden in einem
Land beeinflussen, in dem eine Aufstandsbewegung niedriger Intensität droht, eine ernste Gefahr zu werden."
Die im Norden und Westen des Landes schwerpunktmäßig aktive Guerilla hatte
gleichzeitig mit dieser Destablisierung der Regierung 15 Polizisten getötet und weitere 20 verwundet, offensichtlich ihre bis dahin militärisch
erfolgreichste Operation seit Beginn des Kampfes im April 1995. Bemerkenswert ist, dass weder die militärische Großoffensive im Juni 1998 noch die
Tatsache, dass bereits Ende 1994 die ebenfalls maoistische Kommunistische Partei Nepals (Vereinigte Marxisten-Leninisten) (CPN-UML) als stärkste Partei in
die Regierung gewählt wurde und bei den Kommunalwahlen von 1997 sogar über 50% der Stimmen erhielt, die Entwicklung der Guerilla der CPN-M
wesentlich aufhalten konnte.
In der Tat hat die Lal Sena, die "Rote Armee", Anfang April dieses Jahres ihre
Operationen deutlich verstärkt. Nachdem sie zunächst am 2.April einen Polizeiposten überrannt und dabei 42 Polizisten getötet und 20
gefangen genommen hatte, stürmte sie am 7.April einen weiteren Polizeiposten tötete dabei 31 Polizisten.
Die maoistische Guerilla, die die Zahl ihrer Kämpfer innerhalb von fünf Jahren von
einigen hundert auf 25000 erhöht haben soll, ist inzwischen in der Hälfte der 72 Distrikte des Königreichs aktiv. Während die
bewaffnetenAktionen im Westen des Landes stattfinden, soll der Einfluss der Partei aber weit darüber hinaus reichen. In der Hauptstadt Katmandu soll
inzwischen fast jedes Geschäft "Revolutionssteuern" an die CPN-M abführen.
Dazu mag beigetragen haben, dass die CPN-UML im März 1997 in eine Regierung unter
Führung der rechten, monarchistischen Nationaldemokratischen Partei (RPP) teilgenommen hat. Diese Beteiligung der CPN-UML an verschiedenen staatlichen
Institutionen hat offensichtlich auch das Wüten der "Ordnungskräfte" nicht verhindern können.
Die UNO und Amnesty International haben die diesbezügliche Bilanz des Landes kritisiert. Die
Regierung selbst gab Anfang des Jahres zu, dass die Polizei bis November 1999 innerhalb eines Jahres 436 Menschen getötet habe. Nach Ansicht von Kritikern
habe es sich in der Hälfte der Fälle um Morde gehandelt. Von den 5000, die in den vergangenen vier Jahren verhaftet wurden, sind viele
"verschwunden" und andere gefoltert worden.
Der Menschenrechtsaktivist Gopal Siwakoti verglich die Situation mit dem Chile Pinochets. Vor
allem aber hat sich die im vergangenen Jahr gewählte Regierung als völlig unfähig erwiesen, irgend etwas gegen die grassierende Korruption, Armut
und die halbfeudalen Beziehungen auf dem Land zu unternehmen.
Der Erfolg des von der CPN-M augerufenen Generalstreiks am ersten Wochende im April deutet
darauf hin, mehr noch aber die Landbesetzungen der jüngsten Zeit durch ehemalige Schuldknechte rund 100000 bis zur Verbot der Schuldsklaverei im Juli
2000 , die bei Großgrundbesitzern für einen Hungerlohn schuften mussten. Im Januar hatten zunächst 3000 Familien im Westen des Landes
Staatsland besetzt, da die Regierung ihrer Zusage, den zwar aus der Schuldknechtschaft befreiten aber völlig mittellosen Familien Land zuzuweisen, nicht
nachgekommen war.
Dass der wachsende Erfolg der maoistischen "Volkskrieger" zu einer verstärkten
Oberhoheit Indiens über Nepal werden könnte, hat weniger mit der Haltung der heutigen Regierung in Peking zu tun, die von der CPN-M ohnehin
völlig abgelehnt wird. Ausschlaggebend ist vielmehr die Tatsache, dass die CPN-M, die zur vom peruanischen Sendero Luminoso ("Leuchtender
Pfad") gegründeten "Revolutionären Internationalistischen Bewegung" (RIM) gehört, mit bewaffneten maoistischen Organisationen
in Indien zusammenarbeitet, vor allem mit der Peoples War Group in Andhar Pradesh und dem Maoist Coordination Centre in Bihar.
Indien behauptet im Übrigen, dass die Maoisten vom pakistanischen Geheimdienst Inter
Services Intelligence (ISI) unterstützt würden. Die durch das letztjährige Treffen zwischen Nepals Ministerpräsident Girija Prasad Koirala
und indischen Regierungsvertretern unterstrichenen Bemühungen Indiens, mit Nepal die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zu intensivieren, werden von der
VR China mit Argusaugen betrachtet. Peking hat entsprechende Angebote gemacht, Nepals wirtschaftliche Abhängigkeit von Indien zu mindern. Chinas Interesse
ist nicht zuletzt darauf gerichtet, seine Kontrolle über Tibet zu festigen, dessen religiöser Herrscher, der Dalai Lama, sich in Indien im Exil befindet.
Anton Holberg
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04