Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.09 vom 25.04.2001, Seite 14

Deutsch oder kommunistisch

Wir haben uns an dieser Stelle schon mehrfach mit den Turnübungen derer beschäftigt, die meinen, mensch müsse nur ordentlich antideutsch sein, um als KommunistIn oder wenigstens als Linke(r) durchzugehen. Die Dialektik von notwendiger und hinreichender Bedingung hat uns nämlich schon im Mathematikunterricht fasziniert.
Die umgekehrte Fragestellung ist allerdings auch nicht schlecht. Wie kommunistisch darf oder muss jemand sein, der oder die noch die Erlaubnis erhält, sich deutsch zu nennen. Wer z.B. die beiden Reichstagsdebatten verfolgt hat, die zum einen über den WDR-Fernsehfilm Es begann mit einer Lüge, der sich mit dem Balkankrieg der Bundeswehr und den Propagandalügen von Scharping und Fischer beschäftigt, und zum anderen über das Bekenntnis "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein" und die Haltung des Ministers Trittin geführt wurden, konnte in allen widerwärtigen Einzelheiten feststellen, dass so mancher CDU/CSU-Fuzzi, aber auch Riesenstaatsmann Westerwelle von der FDP auch heute gerne noch das Mittel des Entzugs der Staatsbürgerschaft gezückt hätte.
Aber mensch kann nicht alles haben, so musste es bei Brandreden gegen die vaterlandslosen Gesellen von Trittin bis Rau bleiben. Aber das reichte schon, dass noch fast ein halbes Jahrhundert nach Godesberg, nach dem Modell Deutschland von Helmut Schmidt und nach den Balkankriegern Schröder, Scharping und Fischer, wo also selbst der letzte Scholastiker es aufgegeben hat, noch etwas Linkes in der deutschen Sozialdemokratie zu entdecken, es für viele Sozialdemokraten immer noch ein Bedürfnis des vorauseilenden Gehorsams ist, den Deutschnationalen die Stiefel zu lecken, allen voran der Rüttler am deutschen Stacheldraht Gerhard Schröder. Schweigen wir in dieser Sache lieber von den Grünen...
Das Bundesverwaltungsgericht hatte Ende März ebenfalls eine solche Fragestellung auf dem Tisch. Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) hat schon seit seiner vorletzten Novellierung von 1993 deutlich gemacht, dass Funktionsträger der totalitären Regimes in Osteuropa kein Anrecht hätten, als Spätaussiedler deutschen Blutes anerkannt zu werden. Am 1.Januar 2000 trat eine weitere Verschärfung in Kraft.
§5 Absatz 2b und 2c schließt "deutsche Volkszugehörige" vom "Erwerb der Rechtsstellung eines Spätaussiedlers" aus, wenn sie "in den Aussiedlungsgebieten Funktionen ausgeübt haben, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galten" oder mit "Inhabern einer solchen Funktion mindestens drei Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben".
Dagegen hatten ein paar mittlere Parteibonzen aus Kasachstan, Usbekistan und Russland geklagt — und verloren. Das Gericht entschied, dass selbst untere Funktionäre der Kommunistischen Partei ihr Deutschsein verwirkt hätten.
Die Gesinnung wiegt schwerer als das dickste Blut und auch die Sippenhaftung wäre rechtens. Selbst wenn die Funktionäre im Zuge der neuen Machtverhältnisse im Osten nach 1989 plötzlich wieder zu unerwünschten Personen in ihren Ländern wurden, das Deutschtum kommt nicht zurück.
Einem der Kläger machte das Gericht wieder Hoffnung, über ihn berät noch einmal die untere Instanz. Er war in Kasachstan beim Generalstaatsanwalt dafür zuständig, kriminelle Eingriffe in den Luftverkehr zu untersuchen. Die einfache Verbrecherjagd wäre laut Gericht mit dem Deutschtum zu verbinden, wenn es aber die Hatz im Auftrag der Partei auf politische Straftäter gewesen ist, dann war‘s wieder undeutsches Handeln.
Dieser Mann ist im Übrigen vom Räderwerk des Machtwechsels in der UdSSR und der Brutalität der neuen Marktwirtschaft geradezu zermalmt worden: er hat sich gerade in einem kleinen deutschen Metallbetrieb als einfacher Maschinenbediener beworben — mit einer Spitzenausbildung als Flugzeugtechniker und juristischen Examen. Er wurde nicht genommen, weil ihn auch noch eine Allergie erwischt hat.
Was raten wir ob dieser Dramen: als wirklicher Kommunist ist mensch immer ein Vertriebener und ohne Vaterland (auch wenn frau die Zonen-Gabi ist und Zimmer heißt). Lasst es euch eine Ehre sein — dagegen anzuklagen, geht in jeder Hinsicht daneben.

Thies Gleiss

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