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Urlaub für die Mehrzahl der abhängig Beschäftigten in Deutschland etwas, was ihnen per Gesetz zusteht.
Für die Beschäftigten bei adm etwas, was sie sich erkämpfen müssen. Im März hatten hier 76 Beschäftigte einen kollektiven Antrag
auf anteilig bezahlten Urlaub gestellt. Die Geschäftsleitung lehnte das Anliegen rundheraus ab, dies käme den Betrieb zu teuer, die Beschäftigten seien
ohnehin gut genug bezahlt. Drei der Antragsteller machte sie gleich als Rädelsführer aus und kündigte ihnen postwendend. Die anderen
UnterzeichnerInnen forderte die Geschäftsleitung einzeln auf, ihren Urlaubsantrag zurückzuziehen.
Bis Mitte April wurden zwischen 80 und 100 Beschäftigte entlassen. Die Kündigungen
wurden als "betriebsbedingt" deklariert und unterschiedlich begründet: zum Teil mit der "allgemeinen Einstellung zur Arbeit und zum
Betrieb", zum Teil auch mit "mangelnder Qualität der geleisteten Arbeit". Gleichzeitig kursierten im Betrieb Gerüchte über neue
Großkunden und Ankündigungen, ab April oder Mai werde neu eingestellt.
Die Kündigungen empfanden die Betroffenen als willkürlich. Die meisten wollen rechtliche
Schritte einleiten, um eine Lohnfortzahlung gemäß der gesetzlichen Kündigungsfristen zu erwirken, wo die Geschäftsleitung sie nicht freiwillig
gewährt. Diese hat schon vorgebeugt: Selbstverständlich könnten die Beschäftigten den Urlaub auch eingeklagen, doch dann würde man
sich leider trennen müssen.
Nach außen gibt sich adm anders: arbeitnehmerfreundlich und kooperativ. Als erstes freies Callcenter
führt das Unternehmen Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di. In einem Schreiben an die adm-Beschäftigten betonte ver.di-Kontaktmann Jörg
Kiekhäfer, adm sei die erste Firma der Branche, bei der sich die Gewerkschaft den Zutritt nicht gerichtlich habe erstreiten müssen. "ADM ist das einzige
Callcenter, das sich nicht gesträubt hat, als wir da Informationen verteilen wollten", berichtet Kiekhäfer. Normalerweise müsse er den Zugang per
Anwalt erstreiten.
Die freien Callcenter sind nicht in einem Unternehmerverband organisiert; ein Haustarifvertrag mit adm
könnte in der Branche ein Vorbild sein, hofft Kiekhäfer. "In Mecklenburg-Vorpommern zahlen einige Betriebe nur 9,50 Mark die Stunde" sagt er.
Anderswo unterschrieben Mitarbeiter jeden Tag einen neuen Arbeitsvertrag: Tagelöhnerei.
ver.di ist dabei, für die etwa 1400 Beschäftigten bei adm in Berlin und Mannheim einen
Tarifvertrag auszuhandeln. Es wäre nach eigenen Angaben der erste Tarifvertrag für ein freies Callcenter in Deutschland. Bisher sind nur die TelefonistInnen
bei Banken oder Reisekonzernen tariflich abgesichert. Rund 150000 Angestellte arbeiten nach Angaben des Deutschen Direktmarketing-Verbands in deutschen Callcentern.
Das Geschäft boomt: 1998 gab es halb soviel Callcenter wie heute.
Für ver.di ist es eine Prestigefrage, wenn sie es schafft, sich zu Beginn ihrer neuen Existenz als
Supergewerkschaft ausgerechnet mit der Durchsetzung von Tarifverträgen im Billiglohnbereich zu profilieren.
Doch gibt es da einige Ungereimtheiten. Die Gewerkschaft wusste von der Entlassungswelle bei adm
nichts, als sie in die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung einstieg. Wie das? Nun, sie kontakierte als erstes nicht die Belegschaft, sondern die
Geschäftsleitung. Der war es recht, die Verhandlungen mit einem betriebsfremden Apparat zu führen, der die Forderungen und Nöte der Belegschaften
nicht so genau kennt; das ist ihr allemal lieber als aufmüpfige Beschäftigte, die auf ihre Rechte pochen.
So ist wohl auch der Geschäftsführer zu verstehen: "Wenn ein Betriebsrat
gegründet wird, schließe ich den Standort und gehe woanders hin!" dies versicherte er bei einem Hearing Anfang April.
Diejenigen, die die Protestaktion für ihr Recht auf Urlaub angezettelt haben, sehen sich durch das
Vorgehen der Gewerkschaft übergangen. Die legte keinen Wert darauf, Mitglieder zu gewinnen, Eigeninitiative sei ihr eher suspekt, beklagen sie. Als die KollegInnen
bei einer Betriebsbesichtigung Flugbätter warfen, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen, distanzierte sich ver.di davon, das sei "Aktionismus". Sie
haben jetzt eine Selbsthilfegruppe "Callcenteroffensive" gebildet.
Aber ihre Situation ist verfahren: Zwar bietet ver.di den Entlassenen mittlerweile Rechtsschutz an, doch
das ist kein Ersatz für einen selbstbestimmten Arbeitskampf. Die Callcenteroffensive wiederum will die KollegInnen vor Ort organisieren, aber die geringsten
Versuche scheitern an umgehenden Repressalien der Geschäftsleitung.
Eine effektive und eine demokratische Interessenvertretung scheinen sich hier mal wieder
auszuschließen. Auf dem lobenswerten Anlauf, Niedriglöhnern mehr Schutz zu bieten, liegt der Schatten ihrer Entmündigung.
Angela Klein
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