Sozialistische Zeitung |
Robin Wood, die mit ihrer spektakulären Ankettungsaktion den Castro-Transport um einen Tag verzögern konnte,
erklärte abschließend dazu:
"Die Menschen im Wendland und die Robin-Wood-AktivistInnen haben mit ihren Protesten
gemeinsam erreicht, dass die Diskussion um den völlig unzureichenden Atomkonsens nun wieder aufgebrochen ist. Die Befriedung des Widerstandes gegen die
Atomenergie, die die rot-grüne Bundesregierung anstrebt, ist ihr nicht gelungen. Die Solidaritätsbekundungen ungezählter Menschen, die wir seit der
Aktion aus der ganzen Bundesrepublik und auch aus dem Ausland erhalten haben, ist einfach überwältigend." (Vorstandssprecher Jürgen Sattari.)
Die Organisation wehrt sich gegen den Vorwurf aus dem Innenministerium, sie habe zu Straftaten
aufgefordert, und bezeichnet ihre Aktion als eine des zivilen Ungehorsams "eine Blockadeaktion wie jene, an denen sich früher auch Innenminister
Schily beteiligt hat".
Da Schily hohe Schadenersatzansprüche gefordert hat, sammelt Robin Wood Geld für
absehbare Prozesskosten (siehe unten).
Von ganz anderer Seite kommt eine weitaus schärfere Abrechnung mit den Ansinnen der
Bundesregierung, die Atomtransporte um jeden Preis durchzusetzen.
In der FAZ bescheinigte Siegfried Thielbeer der Regierung eine "strategische Niederlage":
"Das nach dem Atomkonsens und wegen des Spagats der Grünen erhoffte Abbröckeln
des Widerstandes der Atomkraftgegner ist ausgeblieben. Anfangs erschien trotz intensivierter Aufrufe die Mobilisierung gering. Doch dann, als der Castor-Transport
einzutreffen schien, war die ganze Region, alt und jung, auf den Beinen. Anfangs hatte die Polizei die Schätzung der Beteiligung an den Demonstrationen
künstlich hochgespielt, schon um ihren Großaufmarsch zu rechtfertigen, intern aber wegen der in Wirklichkeit relativ geringen Beteiligung auf ein leichtes
Durchbringen des Castor-Transports gehofft. Wenn der Transport erfolgreich sei, so hofften wieder die Politiker, werde Resignation um sich greifen: Castor-Transporte als
Normalität. Es kam anders.
Das massive Engagement ganz normaler Bürger zerschlug die Illusionen. Und die
spektakulären Erfolge der Blockierer, das Sich-unter-Brücken-Einklinken der Greenpeace-Aktivisten ebenso wie das Sich-Einbetonieren in die Gleise der
Robin-Wood-Aktivisten, haben den Castor-Gegnern unerhörten Auftrieb gegeben. Ihre Strategie, den Castor nicht nur durch Straßenblockaden aufzuhalten,
sondern ihm ,auf den Schienen entgegenzugehen, hat sich, jedenfalls aus ihrer Sicht, als richtig bestätigt. Künftig wird mit noch umfangreicheren
Aktionen dieser Art zu rechnen sein und mit anderen trickreichen Manövern. Die Finte der Polizei, den Demonstranten über den abgehörten Polizeifunk
eine falsche Abfahrtzeit zu suggerieren, wird andererseits kein zweites Mal funktionieren."
"Um von dem Debakel, dass der Transport erfolgreich blockiert werden konnte, abzulenken, warnen
die Politiker vor den angeblichen ,Gewaltaktionen oder gewalttätigen Demonstranten. Und Bundesinnenminister Schily, selbst erfahren im Blockieren, sprach
von ,schwersten Verbrechen und der ,Gefährdung von Menschenleben. Nichts wäre falscher. Blockaden, darauf berufen sich die
Bürgerinitiativen und die Demonstranten, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht notwendig Gewalt und unter bestimmten Bedingungen
durchaus hinzunehmen. Zwar gilt dies generell nicht für Bahnanlagen, aber die Demonstranten können schließlich darauf verweisen, dass auf den
Bahnschienen, die sie besetzen wollten, in der fraglichen Zeit eben nichts anderes fahren würde als eben der Castor-Transport. Die juristische Lage dürfte
zumindest strittig sein und könnte noch zu bizarren Prozessen führen. Jedenfalls ist es wegen der früheren Blockaden von Castor-Transporten so gut wie
nie zu Verurteilungen gekommen. Kann man da von ,schwersten Verbrechen sprechen?
In Wirklichkeit waren die Demonstrationen und Blockaden diesmal ungewöhnlich friedfertig, gerade
auch die Aktionen der von der Polizei misstrauisch verfolgten Bewegung x-tausendmal quer, von Greenpeace oder Robin Wood ganz zu schweigen. Wer frühere
,Demos, etwa bei der Startbahn West oder Anti-Atom-Aktionen der siebziger Jahre erlebt hat, musste den Unterschied wie Tag und Nacht empfinden. Selbst bei den
angeblichen ,Chaoten und ,Autonomen herrschte ein frivol-frotzelnder Ton vor. Zu Handgreiflichkeiten kam es so gut wie nie. Weder wurden
Molotowcocktails geworfen, noch wurde mit ,Zwillen geschossen. Es gab einige vereinzelte Steinwürfe in der heißen Schlussphase. Aber in aller Regel
brachten die Wendländer Bürger, energische Mütter oder vermittelnde Pfarrer die Randalierer durch gutes Zureden von ihrem Treiben ab...
Wenn nach tagelangem Einsatz von bis zu 18000 Polizisten am Ende 29 Blessuren vermeldet werden,
meist Schrammen, dann spricht das für sich. Ein einziger Beamter erlitt ernste Verletzungen, als er am Boden lag und auf ihn eingetreten wurde. (Der einzige andere
schwerer Verletzte wurde von einem Kollegen umgefahren.) Dass gewalttätige Demonstranten Säureattentate verübt hätten oder dass mit
'Leuchtspurmunition geschossen worden sei, bleibt dummes Geschwätz, auch wenn es von Politikern wiederholt wird. Dem Einsatzleiter der Polizei war diese
Latrinenparole, die viele seiner Leute nervös gemacht hatte, am Ende selber peinlich. Es waren Feuerwerkskörper in die Luft geschossen worden, so wie an
Silvester, und Leuchtkugeln, mehr nicht."
"Das Gerede von der angeblichen Gewalt, wenn es nicht nur Folge des Fortschreibens alter Feinbilder
ist, täuscht über das eigentliche Desaster des Castor-Transports hinweg. Polizeichef Reime sagte, mit Chaoten könne man fertig werden, das habe man
geübt. Probleme habe er bekommen, wenn sich die normalen Bürger zu Sitzblockaden niedergelassen hätten. Nun, sie waren in größeren
Zahlen gekommen, als irgend jemand erwartet hatte. Die Polizei hatte sie nur diesmal ausgetrickst. Das strategische Ziel, den Widerstand der Gegenseite zu
überwinden, wurde nicht erreicht. Dieses war aber auch die Absicht des Atomkonsenses. Es ist absehbar, dass der Konsens neu definiert werden muss."
Das Zusammenwirken des Protests der breiten Bevölkerung mit Verhinderungsaktionen kleinerer,
entschlossener Gruppen war eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg. Übrigens eine Konstellation, die sich auch in anderen Zusammenhängen wie
in Seattle im Dezember 1999 oder in Berlin am 1.Mai dieses Jahres als erfolgreich herausgestellt hat. Die Frage ist, ob sie auch auf andere Regionen ausgeweitet werden
kann z.B. Mecklenburg, wo am 9.Mai Atomtransporte nach Greifswald und Lubmin rollen sollen. Für den 6.Mai haben über 15 ostdeutsche Initiativen
zu Protesten und zivilem Ungehorsam nach Rheinsberg aufgerufen.
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