Sozialistische Zeitung |
Lange ist es her, dass es in Deutschland im Rahmen von Tarifverhandlungen einen Arbeitskampf für mehrere Prozente über
dem Inflationsausgleich gegeben hat. Seit Anfang Mai zeigten nun die Piloten deutscher Fluglinien, dass es auch anders geht: sie wollen 24% Lohnerhöhung
über die nächsten vier Jahre. Und ausgerechnet der von einigen mit etwas Hoffnung begleiteten Gewerkschaftsneugründung ver.di fällt nichts
Besseres ein, als gemeinsam mit dem Lufthansamanagement, dem Unternehmerpräsidenten Dieter Hundt und der EU-Kommission die Piloten zur
Mäßigung aufzufordern.
Die Differenzen rühren von offen gebliebenen Rechnungen und sind lebendiger Ausdruck der
gewerkschaftspolitischen Impotenz. Ver.di ist sauer, weil die Piloten vor zwei Jahren als "Vereinigung Cockpit" eine ihrer fünf Mitgliedsgewerkschaften,
die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG), und damit das Boden- und Kabinenpersonal im Stich gelassen hatten. "Unsolidarisch" sei das gewesen, genauso
wie die heutigen Lohnforderungen, die auf Kosten von Arbeitsplätzen in anderen Bereichen des Konzerns gingen.
Dabei haben und hatten die Piloten durchaus ihre Gründe: Im Zeitalter der Globalisierung fordern sie
auch im internationalen Vergleich eine Angleichung der Löhne nach oben. Demgegenüber hielt die Lufthansa auch dann noch an ihrer Sparlogik fest, als das
Unternehmen die Krise der ersten Hälfte der 90er Jahre längst überwunden hatte und wieder schwarze Zahlen schrieb. Und die DAG, deren Chef Roland
Issen nebenbei im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt, spielte brav mit und verzichtete auf nennenswerte Lohnerhöhungen. Das hindert Issen nicht daran, auch
weiterhin im Gewerkschaftsapparat Karriere zu machen er sitzt auch heute wieder im Bundesvorstand von ver.di.
Natürlich gehören die Piloten zu den Besserverdienenden. Aber sie lassen nicht wie der
Lufthansa-Konzern andere für sich arbeiten, sondern tragen ihre eigene Haut zu Markte auch wenn viele von ihnen zum Vorzugspreis Kleinaktionäre
des Unternehmens sind und etwas Rendite mit nach Hause nehmen. Zumindest hat das ihr Bewusstsein nicht so sehr getrübt wie der Aufsichtsratsposten des
Gewerkschaftsbonzen Issen.
Auch wenn die Pilotenvereinigung eine falsche und berufsstandsorientierte Kritik an den "unflexiblen
Flächentarifverträgen" übt, gibt es keinen Grund, mit dem moralischen Zeigefinger zu mahnen und Sozialneid zu schüren. Es gilt, wie die
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den Pilotenstreik als Vorbild für kommende Tarifverhandlungen zu nehmen.
Und Kollaborateure in den Gewerkschaftsetagen sollten endlich mit einem Unvereinbarkeitsbeschluss bei
gleichzeitiger Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat zum Teufel gejagt werden. Sonst werden sich noch weitere privilegierte Berufsgruppen tarifpolitisch selbstständig
machen und die großen Gewerkschaften können ihr eigenes Grab schaufeln.
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