Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 23.05.2001, Seite 2

Bricht das Eis der Konjunktur?

In einem ausführlichen Interview äußerte Bundesfinanzminister Eichel seine Zuversicht, dank seiner "Sparpolitik" im Jahre 2006 einen Staatshaushalt aufstellen zu können, der ohne Neuverschuldung auskommt. Allerdings entschlüpfte ihm hierbei ein Satz, der aufhorchen lassen muss: "Wenn die Weltwirtschaft einbricht, dann können auch wir mit der größten Steuerreform aller Zeiten nicht viel bewegen."
Denn der französische Ökonom Frédéric Clairmont sieht in Le Monde Diplomatique (Mai 2001) das "Ende des Wachstums in den USA" und damit eine einbrechende Weltwirtschaft. Erbelegt dies mit eindrucksvollen Zahlen: Die US-Industrie schlittere allmählich in eine Überproduktionskrise. "Der Nasdaq-Index … ist seit dem 10.März 2000 um 50% gefallen. Dieser Wall- Street-Index hat damit das schlechteste Jahr seiner Geschichte erlebt. Der britische Techmark 100 hat im selben Zeitraum um 57%, der deutsche Nemex um 67% nachgegeben. Diese drastischen Kurseinbrüche sind Ausdruck des verlangsamten Wirtschaftswachstums und der pessimistischen Markteinschätzung der Investoren."
Beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass der US-Boom und die Stärke des Dollars auf Verschuldung beruhen und daher auf Sand gebaut sind. Nach Angaben der US-Zentralbank sei das Volumen der aufgenommenen Kredite zwischen 1964 und 1999 von gut 1,027 Billionen auf 25,678 Billionen Dollar gestiegen. Die Verschuldung der Unternehmen habe 1999 die Grenze von 7 Billionen Dollar überschritten. Das ist das 144fache der Schuldensumme von 1964.
"Der US-Kapitalismus hängt am Tropf der Verschuldung; zum Überleben braucht er Finanzspritzen in Höhe von jährlich 400 bis 500 Milliarden Dollar … Boomende Finanzmärkte haben das Auslandskapital angezogen; ein Konjunktureinbruch genügt, und diese Gelder werden per Mausklick wieder abgezogen … Die amerikanische Regierung und das amerikanische Großkapital haben weder den Willen noch die Mittel die Schulden zurückzuzahlen. Dasselbe gilt für die Länder der Dritten Welt. Es ist durchaus denkbar, dass sie und die USA einen großen Teil ihrer Schulden schon in naher Zukunft nicht mehr anerkennen werden. Irgendwelche Faktoren, die diese düstere Situation spürbar und dauerhaft positiv beeinflussen könnten, sind nirgends in Sicht", lautet die pessimistische Schlussfolgerung von Clairmont.
Das Eis, auf dem sich die weltweite Weltwirtschaftskonjunktur bewegt, wird immer dünner. Dass es eines Tages einbrechen muss, ist so gut wie sicher. Damit würde aber auch die "größte Steuerreform aller Zeiten", wie sie ihr Autor Hans Eichel großspurig nennt, nicht mehr viel bewegen können.
Vielleicht aber kann sich Eichel seinen Traum, 2006 einen Staatshaushalt ohne Neuverschuldung zu verabschieden, doch noch erfüllen, wenn er den Mut hat, den Rat des Ökonomen Elmar Altvater zu befolgen. Der schlägt vor, die vom IWF auf 1,5 Billionen jährlich geschätzten schmutzigen Dollar zu "konfiszieren". Sie stammten aus Drogenhandel, Menschenschmuggel, Prostitution, Finanzbetrug, Korruption von Politikern oder Steuerhinterziehung und werden Jahr für Jahr in "sauberes Kapital" verwandelt.
Allerdings hat die US-Regierung angekündigt, die OECD zurückpfeifen zu wollen, die in den letzten Jahren Initiativen zur Unterbindung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung in den Steuerparadiesen dieser Erde unternommen hatte. Schließlich könnte hierbei herauskommen, mit welchen Geldern George Bush seine Wahl finanziert hat.
Ein SPD-Minister hat es bisher nicht gewagt, seinen US-Bundesgenossen bloß zu stellen oder von seinen Partnern in der EU Menschenrechte oder schlicht Unbestechlichkeit einzuklagen.

Jakob Moneta

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