Sozialistische Zeitung |
Nach der erfolgreichen Taktik der Bundesregierung im Vermittlungsausschuss ist nunmehr die Rentenreform beschlossen Sache. Kurz darauf
erschien in den Zeitungen ein Anzeige mit einem strahlenden Walter Riester und dem Satz "Solidarität mit Gewinn!"
Besuche und Telefonanrufe von Vertretern aller Versicherungen, die schnell noch ein Stück vom 20-
Milliarden-Kuchen der Zukunft ergattern wollen, sind schon signifikant angestiegen. Da nützen auch alle warnenden Aufrufe des Ministers nichts, mit dem Abschluss
der Verträge zu warten, bis ab 1.Januar 2002 mit der Förderung begonnen wird, sich vorher genau zu informieren und abzuwarten, bis die
Genehmigungsbehörde ihre Zulassungen erteilt. Ein großer Versicherer meldete bereits einen Zuwachs von 28% in den ersten Monaten bei
Neuabschlüssen. Bei Versicherungszeiten von bis zu sechzig Jahren von der ersten Einzahlung bis zur letzten Auszahlung ein lohnendes
Geschäft.
Man kann es nur noch einmal wiederholen: mit der Lüge, dass kapitalgedeckte Rentenversicherungen
bei dem zukünftigen Wandel der Altersstruktur der Bevölkerung sicherer wären, wurde eine ganze Nation von Beitragszahlern die Sicherheit bei den
Renten vorgegaukelt.
Mit der Deckelung der Arbeitgeberanteile an der Rentenversicherung wird zudem die Umverteilung von
unten nach oben beschleunigt. Mit dem Aufbau eines Kapitalstocks werden die jungen BeitragszahlerInnen doppelt belastet, während den RentnerInnen die Renten
gekürzt werden. Die "Riester-Rente" ist ein Geschenk an die Finanzkonzerne, deren Anlagen mit staatlichen Zuschüssen gefördert werden.
Insofern muss es statt "Solidarität mit Gewinn" in Wirklichkeit "Solidarität
mit Gewinnen" heißen: es geht nicht mehr um Solidarität der Beitragszahler untereinander und mit den jetzigen RentnerInnen, und die ihrer Kinder mit
den zukünftigen RentnerInnen, sondern um Solidarität mit den "Gewinnern" aus dem Kapitalstock das werden im Wesentlichen nicht die
Frauen, Arbeitslosen und prekär Beschäftigten sein, und nur zum kleinen Teil die in traditionellen Arbeitsverhältnissen Lebenden, sondern die
Versicherungskonzerne, Banken sowie Fonds und ihre Verwaltungen.
Mit der Abkehr von der "paritätischen Finanzierung", der Kürzung der
Sozialrenten und der Einführung der Privatrente auf Kapitalbasis ist der rot-grünen Regierung mit einem ehemaligen stellvertretenden IG-Metall-Vorsitzenden
als Minister ein Systembruch gelungen, wie er vorher mit der schwarz-gelben Regierung nicht zu verwirklichen gewesen wäre.
Die Einbindung der Gewerkschaftsvorsitzenden in dieses Konzept gelang offenbar mit Versprechungen, die
sogenannten Pensionsfonds über tarifliche Regelungen einzubeziehen. Die Gewerkschaftsbosse Schmoldt, Zwickel und Bsirske rechnen nun mit zusätzlichen
Anreizen für sich und ihre Beschäftigten bei der Einrichtung und Verwaltung von Tariffonds.
Dabei hat es nie eine "paritätische Finanzierung" im eigentlichen Sinne gegeben: die
Arbeitgeber bezahlten die Rentenbeiträge für die Beschäftigten schließlich nicht aus der eigenen Tasche, sondern das waren Lohnbestandteile, die
auf den Bruttolohn gezahlt wurden.
Mit der Deckelung dieser Lohnbestandteile und der Zahlung der Beiträge an die Privatversicherung
aus dem Bruttolohn erfolgt eine direkte Lohnkürzung. Direkte Folge ist eine Kürzung für die Renten, deren Erhöhungen jeweils aus den
Nettolöhnen errechnet werden. Unmittelbare Folge ist eine weitere Umverteilung von der Lohn- zur Gewinnquote.
Langfristig wird damit das Gesamtrentenniveau aus der sozialen Rentenversicherung von 70 auf 64% des
Durchschnittsverdienstes, die sogenannte Eckrente (nach 45 Versicherungsjahren mit Durchschnittseinkommen) um rund 10% gesenkt. Die Beiträge zu den
Sozialversicherungen sinken ebenfalls, weil die Löhne um den Eigenanteil der Versicherten zur Privatversicherung sinken. Noch stärker sinken die
Hinterbliebenenrenten Witwen bekommen nur noch 55% der Versichertenrente.
Einige Zugeständnisse an die politischen Parteien wurden noch eingebaut, damit möglichst
viele Landesregierungen im Bundesrat zustimmen konnten: kein Einfrieren der Anrechnungsbeträge der eigenen Einkommen von Witwen, Einbau von
Wohneigentum in das Privatrentenmodell. Das letztere auf Forderung der FDP und mit einem Modell, von dem schon heute klar ist, dass die wenigsten durchblicken
und es sich leisten können.
Die Zustimmung der PDS, die wegen der Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern fast zum
Zünglein an der Waage geworden wäre, sollte durch ein stundenlanges Gespräch zwischen Schröder und Claus und Holter errungen werden.
Zugeständnisse bei der Finanzierung von PDS-Vorhaben im Osten schienen eine Rolle zu spielen. Letztlich entschied die reine Machttaktik von Schröder und
Ringstorff wenn Ringstorffs "Ja" auch nicht mehr nötig zur Mehrheit war, dann doch, um der PDS zu zeigen, wo der Hammer hängt…
Ebenfalls sollte klar sein, dass die von Riester gelobte staatliche Unterstützung der Beiträge
zur Privatrente schließlich auch aus den Taschen der Beschäftigten bezahlt wird. In zunehmendem Maße wird das Steueraufkommen aus Lohnsteuern
und Mehrwertsteuer gespeist, bei gleichzeitigem Rückgang der Körperschaftssteuern. Auch hier hat schon länger eine Umverteilung von unten nach oben
eingesetzt, welche die Regierung Schröder ebenfalls nicht umkehren will.
Auch die steuerliche Förderung die für die Betroffenen bei der Belastung sicher eine
Unterstützung ist bedeutet eine direkte steuerliche Subvention zugunsten der Finanzkonzerne, da sie damit rechnen können, dass viele Menschen eine
Rentenversicherung abschließen, um in den Genuss dieser Steuerbefreiung bzw. der Zuschüsse zu kommen.
Ein weiteres dunkles Kapitel der Rentenreform ist der Eifer, mit dem die Gewerkschaften nun auf tariflich
einzurichtende Pensionsfonds setzen. Hier soll den Beschäftigten zum Beispiel der Metallindustrie angeboten werden, die Beiträge zur Privatrente in einen
Fonds zu zahlen, der branchenweit tarifvertraglich geregelt sein könnte. Damit könnten die bisherigen Betriebsrenten abgelöst werden.
Die Kosten dieser Fonds sollen angeblich nur 10% gegenüber einem Viertel bei freien Fonds
ausmachen. Wie weit es gelingt, die Unternehmen zur Beteiligung an den Fonds zu "gewinnen", ist völlig offen. Klar ist nur, dass dann auch die
jeweiligen Einzahlungen bei Tarifverhandlungen in die zu verteilende Gesamtmasse eingehen, und so die realen Lohnerhöhungen senken werden.
Noch schädlicher ist aber das gesamtwirtschaftliche Wirken solcher Fonds. Um die geplanten
Renditen zu erwirtschaften, müssen größere Teile der Beiträge in Aktien und Wertpapieren angelegt werden. Die von den Fonds massiv
unterstützte "Shareholder-Value-Politik" zur Wertsteigerung der Aktienpakete führt dazu, dass die Interessen der Anteilseigner in diametralem
Gegensatz zu dem der Beschäftigten stehen: Arbeitsplatzabbau steigerte bisher noch immer den Unternehmenswert.
Beim Tariffonds stehen sich diese Interessen aber in der gleichen Person gegenüber ein
unlösbarer Widerspruch, über den das beste Gerede der Gewerkschaftsvertreter von der "Beteiligung" nicht hinweg täuschen kann. Auch hier
ist also eher die "Solidarität mit den Gewinnen" gefragt, und auch hier ist schon klar, wer Gewinner und wer Zahler sein soll.
Hier gelang der Kapitalseite mit Hilfe von Riester die Einführung eines "trojanischen
Pferdes" in die Gewerkschaftsbewegung, an dem die jetzigen Beitragszahlenden und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner schwer zu tragen haben werden.
Rolf Euler
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