Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 23.05.2001, Seite 12

Was will Berlusconi?

Vor der Wahl hat Berlusconi im Fernsehen mit den Italiener einen "Pakt" geschlossen; an fünf Punkten sollten sie ihn messen, verwirkliche er sie nicht, sollten sie ihn beim nächsten Mal wieder abwählen. Die fünf Punkte lauteten: eine umfassende Reform des Staatsapparats; massive Steuererleichterungen für alle; große öffentliche Investitionen; einen Plan für den Süden; Reform der Bildung.
In der ersten Kabinettssitzung will er die Schenkungs- und Erbschaftssteuer abschaffen, große Bauarbeiten festlegen, die Stelle des Kontaktbereichsbeamten schaffen und die Privatisierung des Schulsystems einleiten. Auf diesen letzten Punkt drängt vor allem der Vatikan, der geradeheraus die Abschaffung des staatlichen Schulsystems gefordert hat. Die katholischen Bischöfe wollen auch auf die Abschaffung des Abtreibungsgesetzes aus dem Jahr 1974 drängen.
Für die ersten 100 Tage hat Berlusconi sich vor allem solche Fragen vorgenommen, die unmittelbar seine privaten Interessen berühren:
• die Machtübernahme im staatlichen Fernsehen RAI mit seinen drei öffentlichen Kanälen; hier wird das gesamt leitende Personal ausgetauscht;
• die Lösung des "Interessenkonflikts", d.h. die formale Übergabe der Mehrheitsbeteiligungen an den privaten TV-Kanälen in befreundete Hände. Die einzige saubere Lösung wäre ihr Verkauf, daran denkt Berlusconi aber nicht einmal im Traum — obwohl er dies vor der Wahl versprochen hat. Am ehesten kommt für ihn die befristete Übertragung der Unternehmensleitung an ein befreundetes Unternehmen (z.B. Kirch, oder Murdoch, oder den Saudi Al Waleed) in Frage — solange wie er sein Regierungsamt innehat;
• die dritte Staatsreform, die unmittelbar seine Interessen berührt, ist die Justizreform. Er will die Aufgabenverteilung innerhalb der Justiz neu regeln — und stößt damit jetzt schon auf massiven Widerstand der Richter und Staatsanwälte. Zuvor aber wird ein Parlamentsausschuss die Ermittlungsprioritäten der Staatsanwälte anders definieren: weg von der Wirtschaftskriminalität, derer er persönlich angeklagt ist, hin zur "Kleinkriminalität" und illegalen Einwanderung;
• auch die Renten werden noch einmal in die Mangel genommen.
Andere Themen, die er seinen Bündispartnern versprochen hatte — z.B. die "Devolution", weitere Verfassungsänderungen, Fragen des Arbeitsrechts, in denen er den geschlossenen Widerstand der Gewerkschaften zu fürchten hat, werden eher auf die lange Bank geschoben werden.

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