Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 23.05.2001, Seite 13

Italien: Linke Wahlverluste

Niederlage hausgemacht

Die geschlagene Linke wie die triumphierende Rechte haben nach den Wahlen eine fatal ähnliche Sprache gesprochen: beide beschworen sie, dies seien keine Wahlen, sondern ein "Plebiszit" für Berlusconi gewesen, es habe einen "Machtwechsel" gegeben. Fatal ist das, weil es Triumph und Ohnmacht medial verstärkt und den Wahlsieg als ein Naturereignis darstellt, gegen das der Mensch machtlos — deshalb auch verantwortungslos ist.
Das Bild stimmt nicht: Erstens ist Berlusconis Wahlsieg kein Erdrutsch, sondern verdankt sich wesentlich dem neuen Wahlrecht, das die Linke eingeführt hat; zweitens konnte er auf der Politik aufbauen, die die Linke in den letzten fünf Jahren auf den Weg gebracht hat. Den Rest leistete seine Medienmacht, die die Linke nicht gewagt hat zu beschneiden, und mit deren Hilfe die Wahlen erheblich manipuliert wurden.
Anders ausgedrückt: Die Rechte hat die Wahlen gewonnen, weil die Linke sie verloren hat. In den letzten fünf Jahren hat sie zweieinhalb Millionen Stimmen eingebüßt und ist auf einem historischen Tiefstand angelangt. Durch das erste Experiment Berlusconi 1994 war sie vorgewarnt, aber sie hat ihre Zeit an der Regierung vergeudet in der schieren, fast buchhalterischen Verwaltung der Kapitalinteressen, deren wichtigstes Anliegen damals war, Italien für den Euro fit zu machen. Das ist ihr gelungen, darüber hat sie sich das Genick gebrochen.
Die Linksdemokraten (DS) zahlen mit dem Verlust von 1,7 Millionen Stimmen den größten Tribut. Sie sind bis heute gespalten in einen Flügel, der der bürgerlichen Mitte um die Margerite zustrebt und ihr linkes Feigenblatt sein möchte (Walter Veltroni), und einem Flügel um Massimo D‘Alema, der eine neue sozialdemokratische Partei light, mit Mitgliederstrukturen u.ä. anstrebt. Diese Differenz belastet die DS erheblich, bedeutet aber keineswegs, dass es scharfe Differenzen in inhaltlichen Fragen wie Wahlrecht, Flexibilisierung und Privatisierung gäbe. Hier ist der Konsens eher groß und die Positionen der DS nur wenig von denen der Margerite zu unterscheiden. Beide Führer der DS haben ihre Partei im Wahlkampf im Stich gelassen und sich in ihre Wahlkreise verkrochen, während ihr Generalsekretär Piero Fassino den Wahlkampf Rutellis unterstützte.
Nachdem die bürgerliche Mitte sich unter der Führung Francesco Rutellis als Siegerin im Oppositionsbündnis und als unbestritten führende Kraft erwiesen hat, kann sich die Orientierungskrise der DS in der Zangenbewegung zwischen der Margerite und Rifondazione, zwischen einer bürgerlich-demokratischen und einer sozialistischen Kraft, nur verschärfen. Der Leidensweg ist nicht zu Ende.
Die Margerite hat angekündigt, ihre Komponenten auf einem Parteitag im Juli in eine einheitliche Partei zu überführen; das gibt eine Art "Dritter Weg", der sich auf Wertkonservative, katholische Soziallehre, christliche Gewerkschaften, Umweltschützer, neue Selbständige und Besserverdienende stützt. Es ist gut möglich, dass diese neue Partei die Grünen (die schon über ihre Selbstauflösung diskutieren) wie auch die Europäischen Demokraten, vielleicht sogar die Saubermann-Partei von Di Pietro anzieht.
Die billige Anmache der gemäßigten Linken, Rifondazione Comunista sei schuld an der Wahlniederlage der Linken, hat ziemlich kurze Beine. Erstens ist sie rein rechnerisch haltlos; zweitens übersieht sie, dass zwischen den DS und Rifondazione der politische Graben mittlerweile sehr tief ist — der Vorsitzende von Rifondazione, Fausto Bertinotti, hat dazu gesagt: "Man kann nicht Erdäpfel mit Möhren vergleichen."
Die beiden Parteien wollen etwas gänzlich anderes: die DS haben den Krieg im Kosovo betrieben, Rifondazione ging dagegen auf die Straße; die DS hat die Finanzierung der katholischen Schulen und die Flexibilisierung des Arbeitsmarkt unterstützt, Rifondazione verteidigt das öffentliche Schulsystem und geschützte Beschäftigungsverhältnisse. Rutelli hat dies anerkannt und selbstbewusst signalisiert, er werde nicht nach linksaußen schielen, um neue Mehrheiten für seine Linie zu zimmern. Die DS und die um sie herumschwirrenden Intellektuellen hingegen liefern das erbärmlich Schauspiel dessen, der mit linken Stimmen gegen linke Anliegen regieren will.
Rifondazione ist die einzige Partei, die sich unabhängig gegen das neoliberale Denken in all seinen Varianten gestellt und aus eigener Kraft die 4%-Hürde überwunden hat. Sie stellt einen wirklichen Bezugspunkt für eine andere Politik dar — bei allen Schwierigkeiten, mit denen auch sie zu kämpfen hat. Zwei Tage nach den Wahlen titelte sie in ihrer Zeitung Liberazione an die DS gewandt: "Von der Neugründung (Rifondazione) ausgehen." Eine sinnige Anspielung daran, dass die Neugründung einer sozialistischen oder kommunistischen Massenpartei, die diesen Namen verdient, längst keine gemachte Sache und die PRC nicht ihr fertiger organisatorischer Ausdruck ist. Das neue Projekt für eine solidarische, die Gesellschaft ergreifende und organisierende Antwort auf die neoliberale Offensive muss noch gefunden werden. Fünf Prozent sind kein Ruhekissen

Angela Klein

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