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Ende April wurde in Mexiko das Gesetz für indianische Rechte und Kultur verabschiedet, nur hat die jetzt beschlossene Version nicht
mehr viel mit dem ursprünglichen Vorschlag der Friedenskommission Cocopa gemein. Die chiapanekische Guerilla EZLN reagierte darauf mit dem sofortigen
Abbruch aller Kontakte zur Fox-Regierung. "Der Krieg in Chiapas kümmert sie nicht?" fragte Subcomandante Marcos in einem Kommuniqué und
antwortete gleich selbst darauf: "Natürlich kümmert er sie! Genau deswegen haben sie die Reform so ausgearbeitet. Denn so gehen sie sicher, dass der
Krieg nicht aufhört, dass die Militärs weiterhin ihre dreckigen Geschäfte in Chiapas treiben können, dass die Zapatisten in der Klandestinität
bleiben und dass die Indianer weiterhin Objekt milder Gaben und Verachtung sind."
Der Bezug zum ursprünglichen Vorschlag der Cocopa ist in der verabschiedeten Version
tatsächlich nur formal. Substantielle Aspekte, wie etwa die Anerkennung der indianischen Gemeinschaften als kollektive Rechtssubjekte, die Anerkennung
indianischer Territorien und der kollektiven Verfügung und Nutzung der Rohstoffe sowie die Möglichkeit des freien Zusammenschlusses indianischer
Gemeinden, sind in der verabschiedeten Gesetzesvorlage nicht mehr enthalten. Das Recht auf Autonomie wurde zwar anerkannt, doch die notwendigen juristischen
Reformen um der Autonomie einen territorialen Ausdruck zu geben, unterblieben, womit auch die Autonomie hinfällig ist.
Subcomandante Marcos bezeichnete das Gesetz in einem Kommuniqué daher als
"Verfassungsrechtliche Anerkennung der Rechte und Kultur der Großgrundbesitzer und Rassisten". "Wir wissen schon was jetzt folgt", fuhr
Marcos fort: "Eine große Medienkampagne über die ‚zapatistische Unnachgiebigkeit, erhöhter militärischer und polizeilicher Druck,
die Wiederbelebung der paramilitärischen Gruppen, eine Offensive usw. Den Film haben wir schon gesehen und wird kennen auch seinen Verlauf (fragen sie mal den
Herrn Zedillo)."
Fest geschrieben wurde in dem verabschiedeten Gesetz auch die bisherige paternalistische Indianerpolitik
der vorangegangenen PRI-Regierungen, die die indianischen Gemeinden zum Fürsorgeobjekt des staatlicher Programme macht. Die Vertreter der linksoppositionellen
PRD kritisierten während der Debatte zwar den veränderten Entwurf, stimmten ihm aber letztendlich zu und verteidigten ihre Entscheidung mit dem Argument
es sei nicht möglich gewesen mehr zu erreichen.
"Es wäre unlogisch, wenn wir eine Reform, die wir während der vergangenen sechs
Jahre angeschoben haben, zum Zeitpunkt der Abstimmung ablehnen", kommentierte der PRD-Abgeordnete Demetrio Sodi das Abstimmungsverhalten seiner Partei. Er
gab zwar zu, dass die verabschiedete Reform "die Probleme der Indígenas nicht löst und wahrscheinlich auch nicht den Frieden bringt", aber das
Ergebnis sei dennoch "zweifellos ein Triumph der EZLN".
Ganz anders sieht es sein Parteikollege Héctor Sánchez López, Vorsitzender der PRD-
Kommission für indianische Angelegenheiten, der im Abgeordnetenhaus gegen den Entwurf stimmte. Die abgeänderte Fassung trage nicht zum Frieden bei und
müsse als "Ultimatum für einen Krieg" interpretiert werden.
Das Gesetz wurde gemäß des mexikanischen Zweikammersystems zunächst am
25.April im Senat verabschiedet und am 28.April im Abgeordnetenhaus. Während im Senat alle Parteien, die linksoppositionelle PRD eingeschlossen, für den
Entwurf stimmten, sprachen sich im Abgeordnetenhaus nur noch die Vertreter der ehemaligen Staatspartei PRI, der regierenden konservativen PAN und der Grünen
(PVM) dafür aus. Die PRD hatte ihre Position wieder revidiert und stimmte dagegen.
Das Abstimmungsverhalten führte zu einem internen Konflikt in der PRD bei dem eine Mehrheit
und auch die Parteiführung schließlich die Zustimmung als großen Fehler titulierte. Der Vorsitzende der Cocopa, Félix Castellanos
Hernández, bezeichnete das verabschiedete Gesetz als "Totgeburt", es berücksichtige weder die Bedürfnisse der Indianer noch
entspräche es im mindesten ihren Forderungen, daher erfülle es auch nicht die Forderung der EZLN, um den Dialog wieder aufzunehmen.
So fand auch das "Klandestine revolutionäre Indígenakomitee
Generalkommandatur der EZLN", das höchste Gremium des Aufstandes, deutliche Worte. Die Reform entspreche in keiner Weise den Forderungen der
Indianer, der EZLN, des Indianischen Nationalkongresses (CNI) oder den nationalen und internationalen Mobilisierungen. Dies sei ein klarer Bruch des Abkommen von San
Andrés, auf dem der Vorschlag der Cocopa beruhte. Fox habe gelogen, als er immer wieder betonte sich den Vorschlag der Cocopa zu eigen zu machen.
Der vorliegende Vorschlag habe die Tür zum Dialog zugeschlagen und gäbe allen
Organisationen Recht, die in Mexiko bewaffnet kämpfen. Aus diesen Gründen weise die EZLN Fernando Yáñez Múñoz, Verbindungsperson
zwischen Regierung und EZLN, an, sofort alle Kontakte zur Fox-Regierung abzubrechen.
Die EZLN sei nicht mehr zu Gesprächen bereit, bis der ursprüngliche, auf den Abkommen von
San Andrés basierende Vorschlag verfassungsrechtlich verankert sei. Die Zapatisten befänden sich weiter in "Widerstand und Rebellion" und riefen
in Mexiko wie international zu Mobilisierungen für die Erfüllung ihrer Forderungen auf.
Der Indianische Nationalkongress (CNI), ein Bündnis von indianischen Organisationen 52
verschiedener indianischer Ethnien, lehnte die verabschiedeten Reformen ebenfalls energisch ab. Auch wenn das durch den Senat verabschiedete Gesetzespaket die
Autonomie der indianischen Gemeinschaften fest lege, so fehlten doch die entscheidenden Mechanismen, um diese auch aus zu üben, "das Land der
indianischen Gemeinden wird nicht anerkannt und die Indianer sind nicht als Rechtssubjekte, sondern nur als ‚Subjekte öffentlichen Interesses anerkannt
worden, damit erkennt dieses Gesetz die Rechte der Indianer nicht an", erklärte Adelfo Regino Montes, Anwalt des CNI.
Die Veränderungen seien nicht nachvollziehbar, "Wir haben selbst das Unmögliche
vollbracht, um unsere Position verständlich zu machen, man hört uns einfach nicht zu", ergänzte Montes seine Ausführungen. Der CNI
protestierte auch gegen das Abstimmungsverhalten der PRD-Abgeordneten im Kongress und kündigte eine umfassende Mobilisierung gegen die verabschiedete
Initiative an.
Präsident Vicente Fox hingegen gratulierte den Abgeordneten für die "hervorragende
Arbeit" und sieht in dem Gesetz einen "großen Schritt in Richtung Frieden". Fox behauptete sogar weiterhin, Marcos sei "ein großer
Freund". Auch der PAN-Vorsitzende und Rechtsaußen Luis Felipe Bravo Mena zeigte sich hoch erfreut über das neue Gesetz, denn es verhindere die
"Balkanisierung" Mexikos. Die Ex-Managerin Xóchitl Gálvez, die von Fox ernannte Verantwortliche des "Präsidentenbüros
für die Entwicklung der indigenen Völker" betonte, es handele sich um ein "sehr umfassendes Gesetz, das alle Seiten zufrieden stellt", gab
aber zu bedenken, dass die Frage des Territoriums "eigentlich sehr wichtig ist".
Der Vorsitzende des mexikanischen Unternehmerverbandes Coparmex, Luis Espinoza Reyes,
äußerte ebenfalls Zufriedenheit bezüglich des neuen Gesetzes. Hatte Coparmex im Vorfeld noch befürchtet, eine Umsetzung des Cocopa-
Vorschlags könne "Investitionen in bestimmten Regionen unmöglich machen" und es den Indianern erlauben, über die Formen des
Zusammenlebens selbst zu entscheiden und sie so der Versuchung aussetzen "irgendeine Form von Sozialismus, einen Kooperativismus, eine versteckte
Tyrannei" einzuführen, so sei die nun verabschiedete Version "besser und klarer".
Auch ranghohe Vertreter der katholischen Kirche Mexikos werteten die verabschiedete Gesetzesinitiative
als positiv und forderten die EZLN dazu auf "realistisch zu sein und den Weg des Friedens einzuschlagen". Felipe Arizmendi, Bischof von San Cristobal de las
Casas, bezeichnete die ablehnende Haltung der EZLN als "normal", denn der Kongress "kann es ja nicht allen recht machen" und forderte Marcos
auf, nun endlich "den Frieden, den wir alle wollen" zu akzeptieren.
Aus verschiedenen zapatistischen Basisgemeinden in Chiapas wird nun über eine erhöhte
Militärpräsenz und erste Übergriffe berichtet. In absehbarer Zeit dürfte die EZLN aber offensive militärische Aktionen wohl nicht wieder
aufnehmen. Zunächst wird es eine verstärkte zivile Mobilisierung geben. Der Hinweis der EZLN, die Ereignisse gäben allen Recht, die weiterhin
bewaffnet kämpfen, ist, wie der angesehene Schriftsteller und Guerilla-Kenner Carlos Montemayor der Tageszeitung La Jornada erklärte, nicht als Drohung
aufzufassen, sondern als Analyse der Begebenheiten. Die Chancen auf einen Frieden sind nun in weite Ferne gerückt.
Dario Azzellini
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