Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 07.06.2001, Seite 2

Genua

Staatlicher Terrorismus

von GERHARD KLAS

Die Absage des Weltbanktreffens Ende Juni in Barcelona bejubelten einige Gegner der kapitalistischen Globalisierung als Erfolg. Bei einem Blick auf die Begründung bleibt das Lachen jedoch im Halse stecken: die Pressesprecherin vergleicht die geplanten Proteste gegen die Weltbanktagung mit der nationalsozialistischen Bücherverbrennung: "Es ist an der Zeit, gegen die Bedrohung der freien Meinungsäußerung Stellung zu beziehen" (siehe S.4). Mit diesem unseriösen Vergleich will sie nicht nur an die linksliberale Moral appellieren und gleichzeitig die Verbrechen der Weltbank an der Menschheit aus dem öffentlichen Bewusstsein drängen. Diese Äußerungen bereiten auch den Boden für Repressionen, die sich vor allem im Zusammenhang mit dem kommenden G7-Gipfel in Genua andeuten — in einem für Europa während der letzten Jahrzehnte ungekannten Ausmaß.
In der Hafenstadt soll Ende Juli die Sicherheit der Regierungschefs von Sondereinheiten der Armee gewährleistet werden. Die Soldaten sind ermächtigt, "im Falle von Unruhen" einzugreifen und Demonstrationen zu blockieren. Der Hafen und sämtliche Bahnhöfe der Stadt werden während der Gipfeltage stillgelegt, schon heute gibt es regelmäßige Arbeitstreffen zwischen Innen- und Verteidigungsministerium, um den Einsatz der Polizei- und Streitkräfte zu koordinieren.
Den fast 700.000 Einwohnern Genuas wird nahegelegt, für eine Woche die Stadt zu verlassen. Italienische und internationale Geheimdienste reden von einem "neuen Terrorismus", der insbesondere von Euromarsch und dem nationalen Bündnis gegen den Gipfel drohe.
Doch all dies wird die zunehmende Legitimationskrise der Weltwirtschaftsordnung nicht aufhalten, sondern verstärken. Das Treffen ihrer exponiertesten Vertreter in Genua wird von den Anklagen der abertausend Protestierenden übertönt werden. Let‘s go Genua!

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