Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 07.06.2001, Seite 4

Homoehe

Ehe(r) rückschrittlich

Vierzig Milliarden Mark jährlich lässt sich der ideelle Gesamtpatriarch, Vater Staat, die Subventionierung einer der patriarchalsten Institutionen kosten: die Hausfrauenehe. Seit mehrereren Jahren versuchen mehrheitlich schwule Lobbyvereine wie der LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland), mit großem propagandistischen Getöse die Öffnung der Institution Ehe für Lesben und Schwule und die Teilhabe an ihren Privilegien als vordringlichstes Problem von Lesben und Schwulen zu verkaufen.
Es steht außer Frage, dass heiraten dürfen soll, wer will. Lesben und Schwule selbstverständlich auch, alles andere ist undemokratisch und diskriminierend.
Nur: Auch die rot-grüne Regierung plant kein Gesetz, das Lesben und Schwulen das Heiraten ermöglicht. Statt ein deutliches Zeichen gegen reaktionäre Moralvorstellungen zu setzen, wird ab dem 1.August 2001 das "Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften" in Kraft treten. Dabei handelt es sich um ein Sondergesetz für Lesben und Schwule mit einigen, aber nicht allen Rechten und Privilegien der Ehe, aber auch mit ihren Pflichten (Unterhaltsrecht).
Die Nachteile der sogenannten "Homo-Ehe" überwiegen deutlich. Generell sind Sondergesetze abzulehnen — wer garantiert, dass hier nicht neue "rosa Listen" geführt werden? Was haben (standes-)amtlich registrierte Lesben und Schwule zu erwarten, wenn eine reaktionärere Regierung als die jetzige an die Macht kommt? Reicht es nicht, wenn öffentlich auftretende Lesben oder Schwule immer wieder von wildgewordenen Bürgern oder Nazischlägern angegriffen werden, müssen sie auch noch staatlich registriert werden?
Dem stehen Verbesserungen im Miet- und im Erbrecht gegenüber. Unterhaltspflichten sind genaugenommen nichts Neues - da sind die Sozialämter ja beispielsweise auch gegenüber unverheiratet zusammenlebenden Heteros nicht zimperlich.
Ein Aufenthaltsrecht für Menschen ohne deutschen Pass aus Nicht-EU-Ländern scheint auf den ersten Blick eine Verbesserung zu sein. Allerdings schafft das an den Bestand der Beziehung gebundene Aufenthaltsrecht eine extreme Abhängigkeit vom "deutschen" Teil der eingetragenen Partnerschaft. Ein Abschiebestopp für Lesben und Schwule hätte die aufenthaltsrechtlichen Probleme binationaler Partnerschaften zwar auch gelöst, aber das ist undenkbar für die dem rassistischen Teil der Gesellschaft verpflichtete rot-grüne Regierung!
Gruppen mit ehekritischen Positionen wie beispielsweise der Lesbenring (die bundesweit größte Interessenvertretung für Lesben, ein Zusammenschluss feministischer Lesben) wurden massiv ausgegegrenzt. So log etwa Manfred Bruns vom LSVD, der Lesbenring sei früher einmal gegen die Homo-Ehe gewesen, aber heute äußere er sich nicht mehr zu dem Thema. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin stellte von Anfang an klar, dass es eine Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule nicht geben werde.
Die juristische Expertin des Lesbenring lud sie erst nach massivem Druck von feministischer Seite überhaupt zu den entsprechenden Fachgesprächen ein, und zwar so knapp terminiert, dass sie nicht mehr teilnehmen konnte. Christina Schenk, offen lesbisch lebende Bundestagsabgeordnete der PDS-Fraktion, stimmte gegen die eingetragene Lebenspartnerschaft und wurde dafür vom Sprecher des LSVD, Michael Schmidt attackiert, sie verrate die Interessen der Lesben und Schwulen. Dabei hatte sie sich nur geweigert, einem Gesetz zuzustimmen, das keine Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren bringt.
"Natürlich gibt es auch Lesben und Schwule, die wie ich aus Gründen der rechtlichen Gleichheit mit Heterosexuellen der Öffnung der Ehe zustimmen würden, und genau deshalb ein Sondergesetz nur für Homosexuelle ablehnen [...] Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist kein Sieg, sondern eine nachgerade peinliche Selbstgenügsamkeit, die letztlich das Anliegen der Mehrheit der Lesben und Schwulen beschädigt." (Christina Schenk, Offener Brief, dokumentiert in Lesbenring-Info, Nr.2, Februar 2001.)

Worum müsste es tatsächlich gehen?

Soziologisch gesehen ist die Ehe, vor allem die lebenslängliche, ein Auslaufmodell. Die Mehrheit der Menschen, ob hetero- oder homosexuell, lebt nicht mehr dauerhaft nach dem Prinzip der "Arche Noah" — dem Mythos, dass die Menschheit sich paarweise geordnet im Leben zu befinden habe.
Die Lebensformen von Lesben und Schwulen (und vielen anderen) sind heute wesentlich vielfältiger und passen nicht in das Korsett der Ehe mitsamt ihren antiquierten Vorstellung von Pflichten und ihren ungerechtfertigten Privilegien.
Die tatsächliche Vielfalt von gelebten "Wahlverwandtschaften", in denen Menschen füreinander sorgen, braucht rechtliche Absicherungen. Eine Reform des Familienrechts muss diese vielfältigen Formen und die daraus entstehenden Regelungsbedürfnisse in den Blick nehmen.
Selbstverständlich ist es wichtig, "Angehörige" als solche zu benennen, auch wenn mensch mit den meisten weder blutsverwandt noch verheiratet ist und in keiner Paarbeziehung lebt. Es ist wichtig, wie die Kinder und die Liebsten ihre Beziehungen gestalten, es ist wichtig, wer ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, und wer Auskunft erhält, wenn jemandem etwas zustößt, wer Entscheidungen über medizinische Maßnahmen trifft, wenn die Einzelne es selber nicht kann, wer sie pflegt, wer Schallplatten und Bilderbücher erbt und wer sich um ihre Beerdigung kümmert. Und ganz sicher sind das mehrere Menschen, nicht nur einer, so wie auch zur "Verwandtschaft" der Kinder mindestens zwei Familien und zwei Wohngemeinschaften gehören.
Gesetzliche Regelungen müssen eine flexible Ausgestaltung von Beziehungen ermöglichen. Andererseits müssen Eheprivilegien konsequent abgeschafft werden — statt für Hausfrauenehen würden 40 Milliarden Mark sinnvoller ausschließlich für die Pflege von Kindern und anderen Menschen angelegt!
Es geht natürlich auch um Bleiberecht und eine eigenständige Existenzsicherung für ausnahmslos alle Menschen, damit die Beziehungen frei sein können.

Dorothea Mann

Nähere Infos: Unser Stück vom Kuchen — Zehn Positionen gegen die Homo-Ehe. Eine flüssig zu lesende, sehr informative und politisch pointierte Streitschrift, Quer-Verlag, 24,80 DM.



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