Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 07.06.2001, Seite 5

Metaller-Streik in Italien

Die Jugend kehrt zurück

Kaum eine Woche nach dem Wahlsieg der Rechten in Italien bliesen mehrere hunderttausend Metallarbeiter in ganz Italien zu einem eintägigen Streik und Massendemonstrationen in allen größeren Städten, Das Ausmaß der Mobilisierung reichte an die Massenproteste gegen die Privatisierung der Renten 1994 heran.
Streiks und Demonstrationen richten sich nicht in erster Linie gegen die neue Regierung, sondern gegen die Unternehmer. Der Verband der italienischen Metallunternehmer. Der Tarifvertrag ist seit eineinhalb Jahren ausgelaufen und die Federmeccanica weigert sich, ihn zu erneuern.
Trotz der Wahlniederlage der Linken ist die Stimmung hoffnungsvoll und optimistisch; Berlusconi spielt bei den Demonstrationen keine große Rolle.
"Das ist ein Streik aller Metallarbeiter, gleich ob sie rechts oder links sind. Die Bosse sind immer dieselben, ob unter dem Olivenbaum oder unter dem Pol. Das Problem liegt höchstens darin, dass wir auch unter der Mitte-Links-Regierung hätten streiken sollen."
Arbeitsplatzsicherheit und einen anständigen Lohn — das ist das Dringendste. Die Gewerkschaften fordern einmütig 135 Mark mehr, die Unternehmen wollen höchstens 85 zugestehen. Auf allen lastet das niedrige Lohnniveau. Selbst wenn im Haushalt beide arbeiten gehen, reicht es nicht. Entweder die Eltern können aushelfen, oder das Paar verzichtet auf Kinder.
Die Grenze ist erreicht. So gehen diesmal nicht nur die alten Hasen auf die Straße. Dem Streik der Metallarbeiter haben sich auch Handwerksbetriebe, Bankangestellte und Lehrer. Die Metallindustrie ist nicht die einzige Branche, wo die Beschäfigten seit langem auf einen Tarifvertrag warten; es sind mindestens sechs in dieser Situation. Auch für die Beschäftigten in Kleinbetrieben und für das Heer von Billiglöhnern und Beschäftigten mit Zeitarbeitsverträgen wird der von langer Hand vorbereitete Streik der Metaller zu einer Gelegenheit, den angestauten Unmut und die eigenen Forderungen einmal ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
Vor allem die Jungen aus den Buden der New Economy sind dabei, allen voran die Callcenter Omnitel, Infostrada, Ergom (Ex-Fiat). Für sie ist es der erste Streik. Sie haben sich dazu entschlossen, trotz der Drohungen mit Repressalien. Sie sind neugierig, ob der Streik was bringen wird.
Aber sie wissen auch: "Wenn es keinen Arbeitsvertrag gibt, kann der Boss tun und lassen, was er will. Wir laufen Gefahr, unseren Arbeitsplatz zu verlieren." "Wir sind die Lebhaftesten, weil wir es nicht mehr aushalten. Wir werden gehalten wie Hühner im Käfig, müssen 150mal am Tag am Telefon antworten, immer mit diesem tödlichen Bip im Kopfhörer … Die Inflation ist stärker gestiegen als die Löhne, aber die Bosse wollen uns nicht geben, was uns zusteht."
Die Arbeitsbedingungen machen sie fertig, das ist ein Arbeitstempo, bei dem ältere Beschäftigte nicht mehr mitkommen. Trotzdem nehmen die Krankmeldungen nicht zu. Viele junge Leute machen beim Streik mit, weniger wegen der 135 Mark, sondern um sich mal auszuruhen.
Ihre massive Beteiligung machen die neue Qualität des Streiks aus. Zum erstenmal ist die Jugend mit dabei — nicht für eine politische Demonstration, sondern für ihre sozialen Interessen. Den ersten Streik vergisst man nicht.
Der neue Premier, der sich im Wahlkampf als "Arbeiterpräsident" vorgestellt hat und auf Befehl von Fiat handelt, sogar einen Aufsichtsrat von Fiat in seiner Regierung zählt, wird sich kaum gegen die Interesse der Bosse stellen. Das wird bald auch denen dämmern, die jetzt "nur" gegen die Unternehmer streiken wollten. Die haben nach den Wahlen ihr Siegeslächeln nicht zurückgehalten. Einer der Demonstrierenden in Mailand hatte um vier Stunden Urlaub gebeten, um an der Demo teilnehmen zu können. Der Chef hat sie verweigert und gesagt: "Jetzt haben wir gewonnen, jetzt spielt eine andere Musik."
Nach dem Streik hat die Federmeccanica erklärt, sie weiche von ihrem Angebot kein Jota ab. Ein Termin für neuen Verhandlungen ist nicht vorgesehen. Jetzt wird über einen möglichen Generalstreik diskutiert.

Angela Klein

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