Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 07.06.2001, Seite 7-10

Papiere jetzt!

von Knut Rauchfuss

Der Pass ist das edelste Stück des Menschen" — dieser zynische Spruch ist die bittere Wahrheit für Hunderttausende von Menschen, die in Deutschland leben. Sie sind "illegal" in den Augen der Behörden und Gerichte, doch ihr Verbrechen besteht in ihrer blossen Existenz auf deutschem Boden. Denn ihnen fehlt ein Stück Papier: die Aufenthaltsgenehmigung. Sie werden in die Illegalität gedrängt. Während die Bundesregierung die Notwendigkeit von Einwanderung für die Bilanzen der Märkte und der Bevölkerungsstatistik propagiert, bleiben jene, die in diesem Rahmen keiner Verwertbarkeit unterliegen, ausserhalb der öffentlichen Debatte. Wann immer das Thema die Bühne staatlicher Politik erreicht, sind die Debatten auf die Abwehr "illegaler" Einwanderung und die Abschiebung der zuvor Illegalisierten ausgerichtet. Seit Jahren arbeiten Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen an der Unterstützung von Illegalisierten. Mit dem Wanderkirchenasyl oder Kampagnen wie "Kein Mensch ist illegal" und der "Karawane für die Rechte von Flüchtlingen" konnte eine gewisse Öffentlichkeit erzielt und die ein oder andere Abschiebung verhindert werden.
Obgleich es in einigen umliegenden europäischen Ländern gelang, MigrantInnen ohne Papiere in unterschiedlichem Ausmass Wege zum legalen Aufenthalt eröffneten, ist in der Bundesrepublik Deutschland auch von Seiten der UnterstützerInnen von Illegalisierten bislang kein ernsthafter öffentlicher politischer Vorstoss zur massenhaften Legalisierung von Flüchtlingen ohne Papiere unternommen worden. Die Vorabveröffentlichung des Berichtes der Zuwanderungskommission bestätigte die Vermutung, dass auch in Zukunft Massnahmen zur Legalisierung bereits hier lebender MigrantInnen keine Rolle spielen sollen. Im Juli will die Kommission offiziell mit ihren Vorschlägen an die Öffentlichkeit treten. Dies haben die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum und das Büro der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (PDS) zum Anlass genommen, die Debatte um ein Bleiberecht für MigrantInnen ohne Papiere anzustossen und noch bevor die Zuwanderungskommission ihre Kriterien veröffentlicht mit eigenen Forderungen nach Legalisierung in die öffentliche Diskussion einzutreten.
So werden Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen am 23. Juni in Bochum auf einer bundesweiten Konferenz ihr Konzept zur Legalisierung von Menschen ohne Aufenthaltstitel unter verschiedenen Gesichtspunkten erarbeiten und als Forderungskatalog der Öffentlichkeit präsentieren. Grundlage der Konferenz bildet eine Studie, die im Auftrag von Ulla Jelpke erstellt wurde. Unter dem Titel "Sans Papiers in Deutschland - Vorschläge für ihre Legalisierung" werden Legalisierungsprogramme, welche in den vergangenen Jahren in Belgien, Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland und Portugal durchgeführt worden sind, kritisch unter die Lupe genommen. In den genannten Ländern wurden seit 1997 Papiere an mehrere hunderttausend Menschen vergeben. Kleinere Massnahmen, vorwiegend im Rahmen von Altfallregelungen, wie sie in den Niederlanden, Großbritannien und in Deutschland stattfanden, streift die Studie nur kurz.
In ausführlichen Länderbeispielen wird die jeweilige politische Motivation zur Legalisierung von MigrantInnen ohne Papiere untersucht sowie die beabsichtigten Fallen und die ungewollten Grenzen, welche die jeweiligen Regierungen und Verwaltungen den AntragstellerInnen setzten, herausgearbeitet. (Weitere Informationen zur Kampagne: www.bo-alternativ.de/papiere-jetzt.)

Ein Blick über den nationalen Tellerrand

Belgien


Nach dem Regierungswechsel im Sommer 1999 beschloss die Sechsparteienkoalition des liberalen Premierministers Guy Verhofstadt auf Druck der beiden grünen Schwesterparteien Agalev und Ecolo ein Legalisierungsprogramm, das über die Altfallregelungen vorangegangener Regierungen weit hinausgehen sollte. Die Umsetzung jedoch verzögerte sich zunächst durch eine Verfassungsklage des rechtsextremen Vlaams Blok. Unter dem Druck flämischer Liberaler und rechter Oppositionsparteien begleitete schließlich eine Reform des Asyl- und Ausländerrechts die Legalisierung, die sich an der Trias "Verfahrensbeschleunigung, konsequente Abschiebung, erweiterte Integrationsmaßnahmen" orientierte und zunächst hauptsächlich mit der Wiederaufnahme von Abschiebungen begann, die nach dem gewaltsamen Tod der Nigerianerin Sémira Adamu im Zuge der Abschiebung ausgesetzt worden waren.
Ab Januar 2000 erhielten "Sans Papiers" die Möglichkeit, bei der örtlichen Gemeindeverwaltung einen Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu stellen, so sie sich am 1. Oktober 1999 in Belgien aufgehalten hatten und eines der nachfolgend aufgeführten Kriterien nachweislich erfüllten:
Aufenthalt ohne Papiere in Belgien seit über 6 Jahren (bei Familien mit schulpflichtigen Kindern 5 Jahre);
Dauer eines Asylverfahrens in Belgien seit über 4 Jahren (bei Familien mit schulpflichtigen Kindern 3 Jahre) ohne dass bisher eine Entscheidung ergangen ist;
humanitäre Gesichtspunkte, schwere Erkrankung oder soziale Bindungen in Belgien (letztes u.a. Schulbesuch von Kindern);
nicht vorhandene Möglichkeit der Rückkehr in das Heimatland wegen dort bestehender Gefahren für den Betroffenen oder keine Möglichkeit der Beschaffung von Reisedokumenten.
Die Sicherung des Lebensunterhaltes ohne öffentliche Unterstützung gehörte nicht zu den geforderten Voraussetzungen.
Mit Beginn der Antragsfrist setzte Belgien die Grenzkontrollen, die im Zuge des Schengener Abkommens abgebaut worden waren, für eine Dauer von drei Wochen wieder in Kraft. Der belgische und luxemburgische Grenzschutz kontrollierte neben den Übergängen für den Auto- und Schienenverkehr auch die sogenannte "grüne Grenze". Dabei wurden mehrere Hundertschaften der belgischen Polizei, unterstützt durch Helikopter und Spürhunde eingesetzt. Auch die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen war ein Zugeständnis an die flämische Rechte. Menschenrechtsgruppen warfen der Regierung vor, mit der Verstärkung der Grenzkontrollen, unnötig Ängste vor einer "Invasion der Illegalen" zu schüren.
Die zur Antragsprüfung eingesetzte "Commission de Regularisation" übermittelte das Begehren innerhalb von 15 Tagen an den Innenminister, der die abschließende Entscheidung traf. Eine Ablehnung konnte erfolgen, im Falle dass "Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" gegen die Aufenthaltsgenehmigung sprachen. Bereits am ersten Tag ließen tausende ihren Antrag registrieren. Unter anderem in Brüssel und Wallonien war der Andrang groß. In Flandern wurde trotz heftiger Kritik durch Menschenrechtsorganisationen keine Werbung gemacht und die Gemeinden leisteten keine Hilfestellung. Zu öffentlicher Kritik führten auch Polizeirazzien, die in der Nacht zum 11.1.2000 im Brüsseler ImmigrantInnenviertel St. Gilles durchgeführt wurden. Dort wurden die Wohnungen von 31 Illegalisierten durchsucht, die am Vortag einen Antrag auf Legalisierung gestellt und damit ihren Aufenthaltsort den Behörden preisgegeben hatten. Alle 31 wurden festgenommen, 27 von ihnen erhielten einen Ausweisungsbescheid. Nach Angaben des Zentrums für Chancengleichheit waren jedoch alle Festgenommenen berechtigt, einen Antrag auf unbefristeten Aufenthalt zu stellen. Insgesamt meldeten sich mehr als ein Drittel aller Illegalisierten, um eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Nach Schätzungen lebten 1999 in Belgien etwa 75000—100000 Menschen ohne Papiere. Mehr als 38000 von ihnen haben einen Antrag gestellt. Mehr als drei Viertel der Flüchtlinge begründeten ihren Antrag damit, dass sie sich bereits länger als sechs Jahre in Belgien aufhalten. Eine Wiederholung der Aktion wird es nach Angaben von Innenminister Duquesne nicht geben.

Frankreich


Die Zugangsbedingungen und der Status von MigrantInnen in Frankreich ist geregelt unter der mehrfach modifizierten "Verordnung zum Eintritt und Aufenthalt von Ausländern in Frankreich", einer Polizeiverordnung aus dem Jahr 1945. Entgegen aller anders lautenden offiziellen Verlautbarungen ist und war die französische Einwanderungsgesetzgebung zu keiner Zeit liberal. Dennoch wurde bis in die 70er Jahre hinein der Aufenthalt von MigrantInnen in der Praxis liberal gehandhabt. Das Gesetz selbst wurde von allen Seiten ignoriert. Seither jedoch wurde die Migrationspolitik mit wachsender Härte durch die Idee der Begrenzung von Einwanderung bestimmt.
Die bis heute in unterschiedlichem Maße generell migrationsfeindliche Rechtspraxis wurde lediglich unterbrochen durch vereinzelte Legalisierungsmaßnahmen, so nach dem Wahlerfolg der Sozialisten im Jahre 1981, als ein breites Programm MigrantInnen, die zwischen 1974 und 1981 illegalisiert worden waren, ermöglichte eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen, sofern sie ihren Lebensunterhalt in Frankreich verdienten. Im Jahre 1983, am Ende der Legalisierungsaktion, wurden von rund 150000 Anträgen 130000 genehmigt. Die persönlichen Daten der Illegalisierten, die sie bei ihrer Antragstellung den Behörden mitteilen mussten, wurden entweder mit Rückgabe der Antragsunterlagen gelöscht oder blieben gespeichert, ohne jedoch für eine Abschiebung herangezogen zu werden.

Soziale Bewegung


In den 90er Jahren schufen die als Pasqua- und Debré-Gesetze bekannt gewordenen Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechtes eine neue Kategorie von MigrantInnen — jene, die weder eine Aufenthaltserlaubnis erhielten, noch aus Frankreich abgeschoben werden durften. Diese organisierten sich schließlich als "Sans-Papiers" und formierten sich damit als soziale Bewegung.
Bei den Wahlen im Jahre 1997 hatten die Sozialistische und die Kommunistische Partei die Veränderung der Migrationspolitik und besonders die Situation der "Sans-Papiers" zu einem der wichtigsten Punkte ihres Wahlprogramms erhoben. Die Pasqua- und Debré-Gesetze sollten abgeschafft und durch eine menschlichere rechtliche Regelung ersetzt werden. Unmittelbar nach dem Wahlsieg gab das neue Regierungsbündnis in einem Rundschreiben ein Programm bekannt, das die Lösung der prekären Situation der "Sans-Papiers" durch eine Legalisierungskampagne vorsah. Durch den Erlass wurden in erster Linie jene erfasst, die eine Familie in Frankreich gegründet hatten und dort mit Kindern lebten. Auch Ledigen, die bereits mehr als sieben Jahre in Frankreich lebten und einer Arbeit nachgingen, sowie ehemals abgewiesenen AsylbewerberInnen, denen bei Ausweisung Gefahr für Leib und Leben drohte, sollte ermöglicht werden, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
Im Detail berücksichtigten die Kriterien des Erlasses in Bezug auf die Legalisierung von Familienangehörigen:
EhegattInnen von französischen StaatsbürgerInnen,
EhegattInnen sich legal in Frankreich aufhaltender MigrantInnen,
EhegattInnen von Flüchtlingen, bei Eheschließung nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus,
seit langem in Frankreich ansässige Familien von "Sans-Papiers",
Eltern von Kindern unter 16 Jahren, sofern diese Kinder in Frankreich geboren waren,
Kinder von rechtmäßig in Frankreich wohnhaften MigrantInnen, sofern diese Kinder nicht im Rahmen der Familienzusammenführung eingereist waren,
einzelne Verwandte in aufsteigender Linie, die von ihren legal in Frankreich wohnhaften Kindern abhängig waren.
Darüber hinaus sollte unverheirateten Personen, die sich "aller Voraussicht nach in die französische Gesellschaft integrieren" ein legaler Aufenthaltsstatus zugestanden werden. Diese jedoch waren verpflichtet, die folgenden Nachweise zu erbringen:
Aufenthalt in Frankreich seit sieben Jahren vor dem 24.Juni 1997,
Lohnnachweise aus illegaler Beschäftigung über diese sieben Jahre,
jährliche Steuererklärungen über den Beschäftigungszeitraum,
mindestens sechsmonatiger kontinuierlicher legaler Aufenthalt in Frankreich.
Abgewiesene AsylbewerberInnen sollten dann eine Aufenhaltserlaubnis erhalten, wenn sie Beweise über eine, im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland drohende Gefahr für Leib und Leben beibringen konnten. Auch Kranke und HochschulstudentInnen sollten Berücksichtigung finden.
Für alle Legalisierungsmaßnahmen jedoch galt die Voraussetzung, dass die AntragstellerInnen "keine Gefahr für Recht und Ordnung darstellen" durften.
Die Personen, die diese Voraussetzungen erfüllten, sollten eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr erhalten, die in Folge verlängert werden kann. Auf Wunsch erfolgte ebenfalls die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung.
Die Legalisierungsaktion endete am 31.Dezember 1998. Bis zu diesem Tag waren 179264 Anträge eingegangen. 146214 Anträge wurden zur Einzelfallprüfung angenommen, mehr als ein Sechstel bereits aus formalen Gründen abgelehnt. 80248 Personen wurden legalisiert. 75% der legalisierten Fälle betrafen das Recht, als Familien zusammen zu leben. Damit wurden etwa 80-90% der Anträge auf der Basis familiärer Bindungen positiv beschieden. Für Ledige sah die Bilanz deutlich schlechter aus. Nur etwa 18% der AntragstellerInnen erhielten eine Aufenthaltsgenehmigung und bildeten damit den weitaus größten Teil der rund 65000 abschlägig beschiedenen Anträge. Der Grund hierfür lag vor allem in den nur schwer zu erbringenden Auflagen für ledige AntragstellerInnen, da diese nur in den wenigsten Fällen über Lohnzettel und Steuererklärungen aus sieben Jahren illegaler Beschäftigung verfügten. Auch ein sechsmonatiger kontinuierlicher legaler Aufenthalt stellte die Ausnahme dar, zumal französische Einreisevisa in aller Regel nur für maximal drei Monate erteilt wurden. Für die von abgewiesenen Asylbewerberinnen zu erbringenden Gefahrennachweise, blieb die Auslegung, was als begründeter Beweis zu gelten habe, weitgehend der Willkür der mit der Bearbeitung befassten Verwaltungsangestellten vorbehalten.

Kein Antrag

Nach Schätzungen haben etwa weitere 150000 "Sans-Papiers" keinen Antrag eingereicht, weil sie in Kenntnis der Bedingungen keine Legalisierungschance für sich sahen.
Noch vor dem Auslaufen der Legalisierungsaktion wurde mit dem "Chevènement- Gesetz" die "Verordnung zum Eintritt und Aufenthalt von Ausländern in Frankreich" modifiziert. Anders als angekündigt, löste die neue Migrationsgesetzgebung die Wahlkampfversprechen der Koalitionsparteien bei weitem nicht ein, sondern schrumpfte unter dem Druck der rechten Opposition zu einem pragmatischen Behelfswerk zusammen. An Stelle der versprochenen Abschaffung der "Pasqua- und Debré-Gesetze" setzte das "Chevènement-Gesetz" weiter auf die beiden Stützpfeiler Abschottung und Integration. Zwar ergaben sich leichte Verbesserungen bei Asylrecht und Visabestimmungen, für die juristische Situation von Illegalisierten enthielt es gegenüber den vorangegangenen Jahren hingegen deutliche Verschlechterungen. So sieht das Chevènement-Gesetz beispielsweise erstmals die strafrechtliche Verfolgung von Vereinigungen vor, "die Ausländer beim illegalen Aufenthalt unterstützen".
Im Juni 1998 kündigte Innenminister Jean-Pierre Chevènement an, die abgelehnten AntragstellerInnen im Falle einer gewährleisteten "Wiedereingliederung im Herkunftsland", bis zu einer jährlichen Kapazität von 10000 Menschen abzuschieben.
Die unzureichenden Maßnahmen zur Legalisierung und das Einsetzen der Abschiebungen der "Sans-Papiers" riefen breite Proteste in der französischen Gesellschaft hervor. Mit Aufrufen zu zivilem Ungehorsam, Unterschriftensammlungen und Botschafts- und Kirchenbesetzungen forderte die Bewegung der "Sans-Papiers" und ihre UnterstützerInnen die Aussetzung der Abschiebungen und die pauschale Anerkennung der abgelehnten AntragstellerInnen. Nach massiven Spannungen innerhalb des Regierungslagers insbesondere mit dem grünen und dem kommunistischen Koalitionspartner, sah sich Premierminister Jospin genötigt zu versprechen, dass die zurückgewiesenen AntragstellerInnen, deren Personendaten und Adressen bei den Präfekturen nun vorlagen, zumindest "nicht von zu Hause" zwecks Abschiebung abgeholt würden. Außerdem besserte die Regierung Jospin die engen Kriterien, die zu der hohen Ablehnungsquote geführt hatten in zwei Punkten nach:
Die Forderung nach sechsmonatigem ununterbrochenem legalen Aufenthalt wurde durch die Forderung nach zweimaligem legalen Aufenthalt ersetzt. Eine Mindestzeit wird dabei nicht verlangt.
Antragstellerinnen mussten sich sich, legale und illegalisierte Aufenthaltszeiten zusammengenommen, mindestens 7 Jahre in Frankreich aufgehalten haben. Als Stichtag wurde nicht länger der 24.Juni 1997, sondern der Tag an dem Rechtsmittel gegen die Ablehnung eingelegt worden waren, zugrunde gelegt. Dadurch gewannen einige AntragstellerInnen ein weiteres Jahr.
Schätzungsweise 70000 Legalisierungen gab es in Folge der Korrekturen.

Italien


Bis weit in die 70er Jahre hinein galt Italien als klassisches Auswanderungsland. Ebenfalls ab Anfang der 70er Jahre jedoch begannen, kaum wahrgenommen von der italienischen Öffentlichkeit, zunehmend Menschen in das Land einzuwandern. Eine Einwanderungsgesetzgebung und damit eine legale Einwanderungsmöglichkeit, existierte nicht.
Erst in den 80er Jahren, als schätzungsweise mehr als 100000 MigrantInnen jährlich einreisten, um eine akute Nachfrage an Arbeitskräften zu decken, gelangte die Frage des Rechtsstatus der "Clandestini", der MigrantInnen ohne Papiere, ins öffentliche Bewusstsein. Bis Januar 2000 wanderten etwa 1270000 Menschen nach Italien ein.
Die vergleichsweise kurze Geschichte Italiens als Einwanderungsland ohne legale Zugangsmöglichkeiten ist geprägt durch fünf Legalisierungskampagnen in den Jahren 1982, 1986, 1990, 1996 und 1998, bei denen ca. 35-40% der "Clandestini" einen Aufenthaltsstatus erhielten.
Die Legalisierungskampagnen in Italien waren stets geprägt von der Dualität: Abschirmung gegen Neuzuwanderung durch stärkere Kontrollen und verstärkte Abschiebungen, in Verbindung mit dem Versuch der Legalisierung und Integration derer, die bereits ohne Papiere im Land lebten. Die Legalisierung erfolgte stets in Form von Amnestien, mit dem hauptsächlichen Ziel, Kontrolle über den Sektor illegaler Beschäftigung zu erlangen. Unter dem Aspekt der Kontrolle des inoffiziellen Arbeitsmarktes, wurden die Legalisierungskampagnen jedoch auch stets als funktionelles Äquivalent zur stärkeren Abschottung gegenüber weiterer Zuwanderung von außen gesehen. Jede der Legalisierungskampagnen wurde als die letzte ihrer Art angekündigt.
Obendrein erfüllten breit angelegte Legalisierungskampagnen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre den Zweck, die mit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens im Oktober 1997 verbundenen Verschärfungen der Abschottungspolitik Italiens, einer kritisch liberalen Öffentlichkeit gegenüber durchsetzen zu können. So wurden repressive Maßnahmen stets im Paket mit Legalisierungskampagnen beschlossen, um den Protest christlicher, liberaler und linker Flüchtlingsorganisationen abzumildern.

Regelmäßige Kampagnen
Die nachfolgend in chronologischer Reihenfolge aufgeführten Legalisierungskampagnen wurden in den achtziger und neunziger Jahren umgesetzt. Die Amnestie des Jahres 1982 ging von der Verwaltung aus. Das Arbeitsministerium bot all jenen AusländerInnen eine Arbeitserlaubnis an, die innerhalb der vorangegangenen zwei Monate einen kontinuierlichen Aufenthalt in Italien und zusätzlich entweder eine dauerhafte Anstellung oder eine feste Beschäftigungszusicherung eines Arbeitgebers nachweisen konnten. Etwa 12000 Menschen profitierten von der Legalisierungsmaßnahme.
Am 30.Dezember 1986 wurde die erste gesetzliche Amnestie verabschiedet. Das Gesetz sah vor, all jenen eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu erteilen, die sich zum Stichtag der Verabschiedung bereits in Italien aufhielten und zu diesem oder einem früheren Zeitpunkt auf illegaler Basis beschäftigt waren. Wegen des Ausbleibens von Anträgen wurde die zunächst auf drei Monate befristete Maßnahme mehrmals auf insgesamt 21 Monate verlängert. Der Erfolg blieb jedoch vergleichsweise gering. Bis 1988 wurden 118349 Personen legalisiert. Als Ursachen für die schleppende Inanspruchnahme wurden mangelnde Bekanntmachung, die Furcht vor dem Verlust der illegalen Beschäftigung und die Ausklammerung selbständiger Tätigkeit aus der Legalisierung diskutiert.
Vier Jahre später, am 28.Februar 1990, wurde das "Maritelli" Gesetz verabschiedet. Es ermöglichte die befristete Legalisierung für ein Jahr — zwei Jahre für jene die nachweislich regulär beschäftigt waren. Die einzige Voraussetzung bildete der Nachweis der Identität und der Anwesenheit in Italien zum Stichtag. Der Antrag war auf den Polizeidienststellen zu stellen, die ihrerseits angewiesen wurden, das Gesetz großzügig auszulegen. Für die erste Verlängerung reichte es aus, ein Mindesteinkommen von umgerechnet 500 DM — auch aus selbständiger Tätigkeit zu beziehen. Jede Verlängerung erfolgte für einen Zeitraum doppelter Länge im Verhältnis zum vorangegangenen, d.h. zunächst für zwei, später vier und dann acht Jahre. Im Verhältnis zu 1986 machten entschieden mehr Menschen von diesem Legalisierungsangebot Gebrauch. Dies war auch einer massiven Öffentlichkeitsarbeit von Regierung, Gewerkschaften sowie einer Unterstützung der AntragstellerInnen durch NGO‘s zu verdanken. Insgesamt wurden 234841 "Clandestini" durch das "Maritelli"- Gesetz amnestiert.
Eine erneute Amnestie erfolgte am 18.November 1995 mit dem "Decreto Dini". Voraussetzung für die bis zum 31.Oktober 1996 andauernde Maßnahme, waren die Vorlage eines Arbeitsangebotes oder eine viermonatige abhängige Beschäftigung innerhalb eines Jahres vor Inkrafttreten des Gesetzes. Im Falle eines Arbeitsangebotes wurde dies allerdings nur unter der Voraussetzung gewertet, dass die jeweiligen Arbeitgeber die Sozialabgaben im Voraus entrichteten: für einen unbefristenen Vertrag den Betrag für sechs Monate und vier für einen befristeten Vertrag. Gleichzeitig wurde die Legalisierung von der Prognose ökonomischer Unabhängigkeit abhängig gemacht. Die einzige Ausnahme von der strikt arbeitsmarktpolitischen Orientierung des "Decreto Dini" bildete die Möglichkeit der Legalisierung über legale Familienmitglieder, die die Versorgung der AntragstellerInnen übernehmen konnten. Dennoch konnten über diese Amnestie erneut 227272 "Clandestini" legalisiert werden.

Neues Einwanderungsgesetz


Die Reform des Einwanderungsgesetzes brachte auf indirektem Weg 1998 schließlich die erneute Möglichkeit einer Amnestie mit sich. Im Einklang mit der Schengener Logik ermöglichte es die Regierung Prodi denjenigen, die sich bereits illegal im Lande befanden, einen legalen Status zu erlangen und erfüllte im Gegenzug in weiten Teilen die insbesondere von der Bundesrepublik Deutschland geforderte repressive Abschottungsstrategie.
Das Einwanderungsgesetz eröffnete denjenigen, die sich zum Tag seines Inkrafttretens am 27.März 1998 nachweislich in Italien aufhielten, einen festen Wohnsitz vorweisen konnten, strafrechtlich nicht vorbelastet waren und zu diesem oder zum Zeitpunkt der Antragstellung einer illegalen Beschäftigung nachgingen oder einen Job in Aussicht hatten, eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Aufgrund des Drucks von Seiten der rechten Opposition wurden jedoch Quoten für die maximale Anzahl der jährlichen Legalisierungen festgelegt. So hatte die Regierung Prodi für 1998 eine Quote von 38000 "Clandestini" zur Legalisierung vorgesehen. Bereits in der ersten Jahreshälfte wurden 20000 Legalisierungen vorgenommen. Die ab Mitte Oktober 1998 amtierende Regierung unter Ministerpräsident Massimo D‘Alema weitete die Quoten jedoch erheblich aus. So wurde für 1998 die Bewilligung von zusätzlichen 32000 Anträgen angeordnet. Angehörige, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Italien kamen fielen nicht unter eine Quote. In den sechs Wochen vor Ablauf der Antragsfrist am 31.12.1998 wurden gleichwohl ca. 300000 Anträge gestellt. Daher sollten diejenigen, die 1998 nicht berücksichtigt werden konnten, obwohl sie die Kriterien erfüllten, in der Quote für 1999 eine erneute Chance erhalten.
Am 9.Februar 1999 kündigte das italienische Innenministerium die Legalisierung von 250000 "Clandestini" bis zum Jahresende an. Außerdem präsentierte Innenministerin Rosa Russo Jervolino eine Gesetzesvorlage zur Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts, die den Legalisierten die italienische Staatsbürgerschaft zukommen lassen sollte. Bis zum Herbst 1999 sollten jene, die erst im Vorjahr ihren Antrag auf Legalisierung gestellt hatten, die italienische Staatsbürgerschaft erhalten können. Betroffen hiervon waren ca. 250000 Menschen. Die Frage, ob sie zusätzlich ihre alte Staatsbürgerschaft behalten oder diese ablegen wollten, wurde ins Ermessen der neuen StaatsbürgerInnen gelegt. Nachgewiesen werden musste für die Einbürgerung ein fester Wohnsitz und ein fester Arbeitsplatz oder eine feste Arbeitsplatzzusage. Außerdem wurde die Vorlage eines Strafregisterauszugs verlangt.
Bis Juni 2000 erhielten etwa 50000 Clandestini die Ablehnung ihres 1998 gestellten Legalisierungsantrags. Es handelte sich in der Hauptsache um Fälle, die die notwendigen Dokumente zum Beweis ihres Aufenthaltes nicht beibringen konnten. Zwar hatte das Innenministerium entschieden, dass Unterlagen aller Art zur Prüfung vorgelegt werden könnten, die prüfenden Beamten entschieden jedoch sehr unterschiedlich. So wurden teilweise Krankenhausaufenthalte als Nachweise akzeptiert, Besuche beim Hausarzt jedoch nicht.

Rigide Ablehnung


Es wurden Fälle bekannt in denen nicht einmal die Geburt eines Kindes in einem italienischen Krankenhaus als Nachweis für den Aufenthalt im Land ausreichte. Monatskarten der öffentlichen Verkehrsmittel wurden als Beweise abgelehnt, Bußgelder wegen Schwarzfahrens jedoch anerkannt. In Einzelfällen wurde bei Ehepaaren, die mit den gleichen Unterlagen ihre Legalisierung beantragt hatten, ein Ehepartner anerkannt, der andere jedoch nicht. Zunächst zeigte sich das Innenministerium konziliant und verschickte im März 2000 ein Rundschreiben mit der Aufforderung, in Zweifelsfällen die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Unter dem Protest der Rechtsopposition trat Innenminister Enzo Bianco jedoch den Rückzug an.
Mit der "Regelung der Einwanderung und die Lebensbedingungen des Ausländers" vom 27.März 1998 setzte nicht nur die Legalisierung sondern auch die verstärkte Ausweisung all jener ein, die kein Bleiberecht erhalten hatten. Allein 1998 wurden 54000 Menschen des Landes verwiesen. Im Durchschnitt wurden 40% aller Flüchtlinge die in den Jahren 1998 und 1999 Italien erreichten abgeschoben. Der größte Teil von ihnen Menschen, die unmittelbar nach der Ankunft verhaftet wurden. Jene 14-Tages-Frist, die Flüchtlingen zuvor gewährt worden war, um ihrer Ausweisung "freiwillig" nachzukommen und während derer sich zahlreiche durch Untertauchen vor der Abschiebung retten konnten, wurde ebenfalls 1998 weitgehend eingeschränkt. Clandestini, denen ein Fluchtverdacht unterstellt werden konnte oder solche, die sich ihrer Ausweisung auf juristischem Wege widersetzten, wurden in für 20—30 Tage in Abschiebelagern interniert.
Mit dem neuen Ausländergesetz änderte sich ebenfalls, dass ein Widerspruch vor Gericht keine aufschiebende Wirkung mehr hatte. Wer sofort abgeschoben wurde, war gezwungen seinen Einspruch vom Ausland aus oder über italienische RechtsanwältInnen weiter zu verfolgen.

Spanien



Traditionell galt Spanien bis weit in die 80er Jahre hinein als Auswanderungsland. Die Realität bereits bestehender Einwanderung wurde staatlicherseits erst 1985 durch die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes anerkannt, welches einen Teil der de facto-Migration legalisierte und bis zum Jahr 2000 als Grundlage der spanischen Einwanderungspolitik bestehen blieb.
Ergänzend wurde 1991 von der sozialistischen Regierung ein Legalisierungsprogramm für AusländerInnen ohne Aufenthaltsstatus durchgeführt. Insgesamt wurde 1991 die Zahl der Illegalisierten auf 350000 geschätzt. Die überwiegende Zahl der Anträge wurde positiv beschieden. Die Angaben über die Anzahl derer, die in den Genuss der Legalisierung kamen, schwanken zwischen 133000 und 174000 Personen. Dies hieß für die Legalisierten, zunächst für zwei Jahre befristet eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Bei Kontinuität des Beschäftigungsverhältnisses war diese in eine fünfjährige Aufenthaltserlaubnis umwandelbar. Ein Großteil der Anträge wurde nicht verlängert, so dass viele der soeben Legalisierten zurück in die Illegalität gedrängt wurden.
Von 1993 bis 1999 erfolgte die Legalisierung illegaler EinwandererInnen in Spanien über die jährliche Bekanntgabe einer Quote für Aufenthaltsgenehmigungen, auf die sich jene "Sin-Papeles" bewerben konnten, die einen Arbeitsvertrag besaßen.
1999 wagte die spanische Regierung schließlich einen erneuten Vorstoß für eine Amnestie. 94819 Anträge waren auf die 30000 Legalisierungen umfassende Jahresquote eingegangen. In Form einer Art Altfallregelung sollten demnach auch jene 65000 Sin-Papeles eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, die zuvor bereits schon einmal eine beantragt hatten und die abgelehnt worden waren.
Anfang August 1999 einigten sich die führenden politischen Parlamentsparteien, die regierende konservative Volkspartei (PP) und ihr Koalitionspartner die katalanische Nationalistenpartei (CiU), die die Minderheitenregierung tolerierende Kanarische Koalition (CC) sowie die sozialistische Opposition (PSOE), auf einen Gesetzesentwurf, der das 1985 geschaffene Einwanderungsgesetz ablösen und mit einer Legalisierungskampagne einhergehen sollte. Der Gesetzesvorschlag wurde am 6.September 1999 zur ersten Lesung ins Parlament eingebracht und sah folgende Neuerungen vor:
Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis an alle "Sin Papeles", die vor dem 1.Juni 1999 nach Spanien gekommen waren und sich bereits mehr als zwei Jahre im Land befanden.
Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis an alle "Sin Papeles", die bereits zuvor einen Antrag gestellt und abgelehnt worden waren,
Vereinfachung und Beschleunigung des Antragsverfahrens auf Erteilung einer Residencia zwecks schnellerer Integration der ImmigrantInnen,
Regelmäßige befristete Legalisierung (bis 5 Jahre) von "Sin Papeles" nach zweijährigem ununterbrochenem Aufenthalt in Spanien, sofern diese bei einer Gemeinde gemeldet sind,
Für alle Legalisierungen galt die Bedingung, dass die AntragstellerInnen weder vorbestraft seien, noch eine Ausweisungsverfügung, oder einen Sperrvermerk der Schengen-Vertragsstaaten erhalten haben durften,
Einführung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis,
statusunabhängige Garantie des lokalen Wahlrechtes für alle volljährigen AusländerInnen,
statusunabhängige Garantie des Rechtes auf Bildung für alle unter 18-jährigen, einschließlich des Rechtes auf Universitätsbesuch und den Bezug staatlicher Stipendien,
statusunabhängiger Anspruch auf soziale Fürsorge und die Grundleistungen der Sozialversicherung,
statusunabhängige Garantie sozialer Rechte, wie Streikrecht, Demonstrationsrecht und Vereinigungsfreiheit,
statusunabhängiges Recht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts,
Aufnahme legaler MigrantInnen in die Sozialversicherungssysteme,
Arbeitserlaubnis für alle legalen MigrantInnen, einschließlich des Rechtes auf selbstständige Arbeit und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst,
Lockerung der Voraussetzungen zum Erwerb einer Arbeitserlaubnis,
Garantie eingeschränkter medizinischer Versorgung für "Sin Papeles",
Garantie vollständiger medizinischer Versorgung für Illegalisierte unter 18 Jahren und Schwangere,
Garantie des Rechts auf Familienzusammenführung von EhepartnerInnen und finanziell abhängigen Kindern unter 25 Jahren,
Bleiberecht für Opfer von Schlepperbanden bei Kooperation mit den Sicherheitsbehörden,
Bleiberecht für Opfer erzwungener Prostitution, Integrationshilfe und Erteilung einer Arbeitserlaubnis,
Beendigung der polizeilichen Abschiebung, die nunmehr durch einen Richter verfügt werden muss; alle ImmigrantInnen erhalten bereits an der Grenze einen Pflichtverteidiger.
Am 25.November 1999 schließlich wurde das neue Einwanderungsgesetz nach achtzehnmonatiger Beratung einstimmig vom Madrider Abgeordnetenhaus verabschiedet.

Rassistische Pogrome

Kurze Zeit später änderte die PP, die wie alle Fraktionen dem Gesetz zugestimmt hatte, unter dem Druck des Wirtschafts- und des Innenministeriums, denen das Gesetz zu liberal war, ihre Meinung. Im Senat ließ Präsident José María Aznar 51 der 63 Artikel revidieren und an das Abgeordnetenhaus zurückgeben.
Die Änderungen betrafen hauptsächlich die mit dem Gesetz verbundene Stärkung von Rechten von EinwanderInnen, insbesondere jene der Illegalisierten. Die PP unterlag im Abgeordnetenhaus jedoch deutlich einer breiten Mehrheit, die auf der Beibehaltung des bereits im November verabschiedeten Gesetzes bestand. Selbst der nationalistische katalanische Koalitionspartner ließ die PP bei der Abstimmung im Stich, so dass das Gesetz am 1.Februar 2000 in Kraft treten konnte. Am 18.Februar eröffnete die Regierung per Verordnung das Legalisierungsverfahren. Das Inkrafttreten des Gesetzes war durch schwere rassistische Pogrome in der andalusischen Kleinstadt El Ejido begleitet.
Ab dem 22.Februar hatten all jene, die aufgrund eines bereits vormals abschlägig beschiedenen Legalisierungsgesuches berücksichtigt werden sollten, zwei Monate lang die Möglichkeit, ihr Regularisierungsgesuch zu stellen. Vom 21.März bis zum 31.Juli 2000 erhielten die übrigen Betroffenen fast vier Monate Zeit, einen Legalisierungsantrag einzureichen. Bei Behörden, Gewerkschaften und NGOs wurden Anlaufstellen für die AntragstellerInnen eingerichtet. Als Beweis für die Verweildauer in Spanien wurden selbst Telefonrechnungen und Mietbescheinigungen anerkannt.
Zum Ende der Antragsfrist waren nach Angaben der spanischen Regierung 224959 Anträge registriert worden, mehr als dreimal so viele, wie ursprünglich erwartet. In 101517 zu diesem Zeitpunkt bereits getroffenen Entscheidungen wurde an 85526 Personen eine Aufenthaltserlaubnis vergeben. Dies entspricht einer Anerkennungsquote von rund 84%. Der Schwerpunkt der Anträge lag in den großen Städten, allen voran Madrid. Ca. ein Drittel war im privaten Dienstleistungsbereich, hauptsächlich in Haushalten tätig. Es folgten die Beschäftigungssektoren Baugewerbe, Hotels und Gaststätten, Kleingewerbe und Landwirtschaft.
Mit den Wahlen vom 12.März 2000 erlangte die PP die Möglichkeit alleine zu regieren und kündigte an, das kurz zuvor in Kraft getretene Gesetz baldmöglichst zu verändern. Am 14.Juni brachte Innenminister Jaime Mayor einen neuen Gesetzesentwurf ins Parlament ein, der in 56 der 63 Artikel Änderungen, insbesondere im Bereich der rechtlichen Gleichstellung, sowie die ersatzlose Streichung der regelmäßigen Möglichkeit zur Erlangung eines legalen Status nach zweijährigem Aufenthalt, vorsah. Darüber hinaus sollten Abschiebungen wieder vereinfacht werden.
Im Juli passierte das Gesetz das Kabinett, wurde jedoch zunächst vom Generalrat für Justizgewalt zurückgehalten, den zu konsultieren die Regierung unterlassen hatte. Um einer Verfassungsklage vorzubeugen, musste die Regierung Aznar diesen Schritt nachholen. Der Generalrat erklärte das Gesetz für verfassungsrechtlich bedenklich und erhob zahlreiche Einwände. Die Versuche der Regierung, das liberale Ausländergesetz vom Vorjahr zu beschneiden, führte ebenfalls zu heftigen Protesten auf Seiten von Gewerkschaften und Opposition. Dennoch wurde das verschärfte Gesetz im Parlament verabschiedet und trat am 23.Januar 2001 in Kraft.

Griechenland



Zum 1.Januar 1998 traten in Griechenland zwei Gesetze in Kraft, die Illegalisierten MigrantInnen, die sich zum Stichtag 28.November 1997 in Griechenland aufgehalten hatten, die Möglichkeit eröffnen sollten, sich legalisieren zu lassen und eine zeitlich auf maximal fünf Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Mit der Antragstellung erhielten die zuvor Illegalisierten zunächst für die Zeit bis zum Abschluss der Prüfung ihrer Unterlagen eine befristete Legalisierung "Whitecard", die bei positiver Entscheidung in eine "Greencard" umgewandelt werden sollte. In einem ersten Schritt wurde die "Greencard" jedoch für nur zwölf Monate ausgestellt und konnte anschließend auf maximal fünf Jahre Aufenthaltsdauer verlängert werden.
Vom 1.Januar bis Ende Mai 1998 hatten ca. 380000 der nach offiziellen Angaben 500000 illegal in Griechenland lebenden MigrantInnen einen Antrag auf Ausstellung einer "Greencard" gestellt. Vielen gelang es jedoch nicht, bis zum Auslaufen der Frist ihre Unterlagen vollständig vorzulegen. Daher verabschiedete das griechische Parlament am 30.Juni 1998 zwei Präsidialdekrete mit denen die Antragsfrist zur Legalisierung bis zum 31.Oktober desselben Jahres verlängert wurde. Bis zu diesem Datum mussten die AntragstellerInnen zumindest alle erforderlichen Unterlagen bei den Behörden beantragt haben. Außerdem wurde den AntragstellerInnen erlaubt, Griechenland für zwei Monate zum Zweck der Heimreise zu verlassen und anschließend legal wieder einzureisen. Die Aus- und Wiedereinreisegenehmigung galt sowohl für die zunächst bis Ende 1998 befristete "Whitecard" als auch für die "Greencard".
Im Januar 1999 verschob die Regierung die Antragsfrist ein drittes Mal bis zum April. Die Verschiebung schloss das Zugeständnis ein, dass die zeitlich begrenzte "Whitecard" mindestens bis zu diesem Stichtag ihre Gültigkeit behalte. Die Verschiebung beruhte auf Schwierigkeiten bei der Antragstellung, die für eine "Greencard" notwendigen Unterlagen beizubringen. Als größtes Hindernis erwies sich der geforderte Nachweis über 40 Tageslöhne für einen Sozialhilfeausweis. Bis Ablauf des ersten Jahres waren nur 30000 der 373196 AntragstellerInnen in der Lage die formalen Anforderungen zu erfüllen. Nur 2711, d.h. weniger als 1% hatten bis zum 31.12. auch wirklich eine "Greencard" erhalten. Gleichzeitig beschloss die Regierung den Prüfungsaufwand für die Anträge erheblich zu reduzieren.
Ende August 1999 erklärte Arbeitsminister Papioannou die Absicht der Regierung abgelehnte AntragstellerInnen auszuweisen. Gleichzeitig wurden Schritte zur Integration der Legalisierten unternommen, die die Möglichkeit der Annahme der griechischen Staatsbürgerschaft nach einer bestimmten Anzahl von Jahren einschlossen.
Nahezu 400000 Personen wurde innerhalb des Jahres 1999 eine "Whitecard" erteilt, eine "Greencard" erhielten bis zum 31.Oktober jedoch nur 72792 Personen. Die Bearbeitung der übrigen Anträge verzögerte sich.
Die zweite Runde der Regulierung wurde im Juli 2000 auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ein Legalisierungskonzept für die BRD



Die geschilderten Beispiele zeigen, dass die durchgeführten Amnestien im Wesentlichen Fälle erfassten, in denen AsylbewerberInnen zuvor abgelehnt worden waren. Dennoch konnten sie nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Andere Anträge waren nicht innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet worden.
Deutschland und Großbritannien hatten bisher in geringem Umfang ausschließlich derartige Fälle legalisiert, in Belgien bildeten sie einen wesentlichen Teil derer, die die Kriterien zur Vergabe von Papieren erfüllen konnten, und auch in Spanien betraf die Legalisierung all jene, die in den Vorjahren einen Antrag gestellt hatten und abgelehnt worden waren.
Anders in Griechenland und Portugal. Die dort getroffenen Maßnahmen orientierten sich in erster Linie an arbeitsmarktpolitischen Erwägungen. Die Legalisierung der vorwiegend ArbeiterInnen ohne Arbeitserlaubnis sollte eine bessere Kontrolle über den Sektor der Schwarzarbeit bringen und die illegal Beschäftigten in den offiziellen Arbeitsmarkt zurückführen.
Die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen an Illegalisierte, die eine gesicherte ökonomische Existenzbasis nachweisen mussten, wie hauptsächlich in Italien, den Niederlanden und Frankreich, kann als einwanderungspolitische Maßnahme verstanden werden, die maßgeblich wirtschaftlich und bevölkerungspolitisch motiviert war.
Im Zuge der migrations- und flüchtlingspolitischen Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten der EU gerieten in den 90er Jahren die Länder Südeuropas für ihre Legalisierungspolitik und gelegentlich großzügigen Einwanderungsbedingungen zusehends unter den Druck ihrer nördlichen Nachbarn, die ihre eigene Abschottungspolitik gefährdet sahen. Damit wurde die relativ immigrationsfreundliche Politik insbesondere Spaniens und Italiens, aber auch Griechenlands speziell von deutscher Seite zur "offenen Flanke" der Festung Europa ideologisiert. Unter diesem Druck und gebunden durch die Regelungen als Mitgliedsstaat des Schengener Abkommens verschärfte nicht nur Italien den Umgang mit ImmigrantInnen.

Haken und Ösen


In diesem Rahmen erfüllten die jüngsten Legalisierungsprogramme noch einen anderen als ihren vordergründigen Zweck. Gekoppelt an restriktive einwanderungspolitische Maßnahmen und im Paket verabschiedet und umgesetzt, dienten die Amnestien auch der Besänftigung fortschrittlicher gesellschaftlicher Kräfte, die an der Seite von Flüchtlingen für die Ausweitung von Einwanderungs- und Zufluchtsmöglichkeiten und die Stärkung von MigrantInnenrechten eintraten. Gekoppelt an eine Legalisierungskampagne ließen sich restriktive migrationspolitische Maßnahmen gegenüber dieser Öffentlichkeit gegen einen geringeren Widerstand durchsetzen.
Bei der Legalisierung von MigrantInnen ohne Papiere kamen in den verschiedenen Ländern im wesentlichen vier Kriterienkomplexe zur Anwendung:
Amnestien bei Nachweis des Aufenthaltes im Lande zu einem bestimmten Stichtag (Stichtagsregelung) und/oder über einen längeren Zeitraum (kontinuierliche Legalisierung),
soziale Komponenten (Familienzusammengehörigkeit, Schulbesuch, Krankheit, erlittene Gewalt),
ökonomische Kriterien (eigenes Einkommen, dauerhafte Beschäftigung oder Beschäftigungszusicherung, ausreichender Wohnraum, wirtschaftlicher Stellenbedarf),
fehlende Vorstrafen,
Zusätzlich wurden in Italien und vorübergehend auch in Spanien im Rahmen neuer Einwanderungsgesetze die statusunabhängigen Rechte von MigrantInnen gestärkt.
Schwierigkeiten für die AntragstellerInnen ergaben sich auf mehreren Feldern.
Zunächst rechneten manche Länder nicht mit einem entsprechend hohen Antragsaufkommen, da sie die Zahl der Illegalisierten deutlich unterschätzten. Der aus der Anzahl der Anträge erwachsende Bearbeitungsaufwand stand in drastischem Widerspruch zu den bereitgestellten personellen und infrastrukturellen Ressourcen und führte bei Einzelfallprüfung zu überlangen Bearbeitungszeiten der Anträge. Aus den langen Wartezeiten resultierte für viele AntragstellerInnen die erneute Illegalisierung nach Ablauf eines kurzzeitig legalen Status, da immer wieder nötige Verlängerungen der Anfangsphasen von Regularisierungsprogrammen den Eintritt in Folgephasen verzögerten oder ganz verhinderten.
In anderen Fällen hinterließen überzogene Anforderungskataloge eine große Anzahl von AntragstellerInnen, die diese Kriterien nicht erfüllen konnten. Teilweise mangelte es an der entsprechenden Informationspolitik und Hilfestellung beim Ausfüllen der Anträge, was zu Verfahrensfehlern führte. Andererseits herrschte in zahlreichen Ländern eine völlige Fehleinschätzung der Möglichkeiten von Illegalisierten vor, ihren illegalen Aufenthalt oder illegale Arbeit mittels Dokumenten nachweisen zu können.
In der Mehrzahl der Legalisierungsprogramme waren zwar klare Schritte für jene vorgezeichnet, deren Anträge anerkannt würden. Garantien für Abgelehnte fehlten jedoch völlig. Speziell in Belgien und Frankreich, aber auch in Spanien wurde dies für viele AntragstellerInnen zum Verhängnis, als die ersten Abschiebungen einsetzten. Mit ihrem Antrag hatten sie sich aus der Deckung der Illegalität herausgewagt und ihre persönlichen Daten und Aufenthaltsort den Behörden preisgegeben.
Andererseits stellten jene, die Dank einer gewissen Skepsis diese Probleme voraussahen und ihrem Legalisierungsgesuch eher geringe Chancen beimaßen, erst gar kein Antrag. Sie verblieben weiter in der Illegalisierung.

Legalisierung und mehr

Auf der Grundlage dieser Erfahrungen schlagen die Organisatoren der Konferenz "Papiere jetzt" ein Legalisierungsprogramm für die BRD vor. Sie unternehmen damit den Versuch, jenen Problemen, die mit den analysierten Kampagnen verbunden waren, Rechnung zu tragen und sie im eigenen Vorschlag weitgehend auszuschließen.
Auch wird berücksichtigt, dass nach einer einmaligen Stichtagsregelung für eine Amnestie notgedrungen weiterhin Illegalisierung erfolgen muss, wenn nicht gezielte statusunabhängige Migrantenrechte dies verhindern. Die Studie stellt Kriterien auf, denen ein Legalisierungsprogramm genügen sollte:
Verzicht auf eine langwierige Einzelfallprüfung im Rahmen der Amnestie. Wer den Kriterien genügt, sollte automatisch das Recht auf einen Status erhalten. Das eigentliche Antragsverfahren dient damit nicht mehr dem Erwerb des Rechtsstatus, sondern nur noch dessen formaler Festschreibung, so dass auch Menschen, die diese Festschreibung noch nicht vollzogen haben, bereits als "legal" zu gelten haben.
Die einfachste Lösung des Problems das sich aus der Ablehnung von AntragstellerInnen ergibt, deren Aufenthaltsort mit dem Antrag den Behörden bekannt geworden ist, besteht in einer Minimierung der zu erfüllenden Kriterien. Darüber hinaus sind weitreichende Garantien für abgelehnte AntragstellerInnen durchzusetzen, die einen umfassenden Abschiebeschutz einschließen müssen.
Neben einer Stichtagsregelung müssen Möglichkeiten für eine regelmäßige Legalisierung jener festgeschrieben werden, die erst nach dem Stichtag einreisen.
Die statusunabhängigen Rechte von MigrantInnen müssen in einem umfassenden Gesetzeswerk gestärkt werden.
Die ausreichende, mehrsprachige Ankündigung der Programme bei gleichzeitiger Bereitstellung von ausführlicher dezentraler Beratung in notwendigem Umfang muss gewährleistet sein.
Neben einer umfassenden Wiederherstellung und Ausweitung des Grundrechtes auf Asyl, sowie weitreichenden legalen Einwanderungsmöglichkeiten für nicht politisch Verfolgte fordern die AutorInnen daher:
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für alle MigrantInnen ohne legalen Status, die sich zu einem festzulegenden Stichtag in der BRD aufhalten und sich seit mehr als einem halben Jahr in der BRD befinden — ohne Einzelfallprüfung,
die regelmäßige Legalisierung auf Einzelantrag für MigrantInnen, die erst nach dem Amnestie-Stichtag in die BRD eingereist sind und seit mehr als einem halben Jahr bei einer Gemeinde in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet sind,
die sofortige Legalisierung auf Antrag für Opfer von Gewaltverbrechen, von Schlepperbanden und von Zwangsprostitution,
die sofortige Legalisierung auf Antrag für Kinder.
Um mittels statusunabhängiger Garantien die Rechte von MigrantInnen mit dauerhaften Einwanderungsabsichten zu stärken und damit auch jene, die keine Papiere erhalten, vor Illegalisierung zu schützen, werden als zusätzliche Forderungen aufgestellt:
die sofortige Erteilung einer Arbeitserlaubnis, einschließlich des Rechtes auf selbstständige Arbeit und der Beschäftigung im öffentlichen Dienst,
die Sicherung des Zugangs zu medizinischer Regelversorgung in vollem Umfang mit speziellem Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Therapieplatzes für traumatisierte Gewaltopfer,
die Gewährleistung des Rechtes auf Bildung, einschließlich der Möglichkeit des Universitätsbesuches und des Bezuges staatlicher Ausbildungsförderung,
die Aufnahme in Sozialversicherungssysteme und Anspruch auf den Bezug von Sozialleistungen in vollem Umfang,
die Ausdehnung der Geltung verfassungsmäßiger Grundrechte auf alle EinwohnerInnen der BRD,
die Gewährleistung des Rechtes auf freie Wahl des Aufenthaltsorts,
die Sicherung des Rechtes auf Familienzusammenführung,
die Abschaffung sämtlicher diskriminierender Sondergesetze und -normen,
die Abschaffung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen,
die verpflichtende Bereitstellung von Integrationshilfen,
die Gewährleistung des Rechtes auf gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung mit Einrichtung entsprechender dezentraler Beratungs- und Beschwerdestellen,
die Ratifizierung der "UN-Konvention zum Schutze der Rechte von Wanderarbeitern und ihren Familienangehörigen" von 1990 und die Aufhebung der deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention von 1992.

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