Sozialistische Zeitung |
Darin beklagt das Bündnis, das die Aktionen des Gegengipfels vorbereitet, dass sowohl die lokalen wie die nationalen Behörden
monatelang keinen Termin mit dem Bündnis wahrgenommen haben, trotz mehrfacher Aufforderung. Es ist dem Bündnis in der Zeit nicht möglich
gewesen, gegenüber den Behörden darzulegen, welches seine Ziele sind und was es beabsichtigt durchzuführen. Ebensowenig konnten Raumfragen
geklärt werden. Erst am 9.Februar gab es ein Treffen mit Vertretern der Gemeinde, der Provinz, der Region und des Innenministeriums.
Das Bündnis hat einen detallierten Plan vorgelegt mit dem Ziel, in jeder Phase der Entwicklung die
Behörden auf dem Laufenden zu halten. Darauf gab es jedoch bis zum heutigen Datum keine Reaktion. Insbesondere die örtlichen Behörden wiesen
daraufhin, dass sie auf eine Entscheidung von oben warten.
Das Bündnis wies in seinem Offenen Brief außerdem auf die gleichzeitig laufende
Pressekampagne hin, die darauf abzielt, die geplanten Aktionen zu kriminalisieren und ein Klima der Spannung zu schaffen.
Die Sicherheitsbehörden haben sich damit hervorgetan, in der Presse Horrorszenarien über
angebliche Zusammenstöße und Gewalttaten zu verbreiten und eine vollständige Schließung der Stadt in den Tagen des Gipfels zu fordern. Die
Polizei hat die Büros von Organisationen durchsucht, die dem Bündnis angehören und die für ihr demokratische und gewaltfreie Wirkungsweise
bekannt sind. Insbesondere die Euromärsche und das G8-Bündnis werden seit langem in die Nähe von terroristischen Vereinigungen gestellt. Italienische
und internationale Geheimdienste reden einen "neuen Terrorismus" herbei, unter Einsatz von "AIDS-Kugeln und nicht-konventionellen tödlichen
Waffen".
Das Bündnis hat den Staatspräsidenten aufgefordert, aktiv zu werden, damit der Zustand, dass
Genua auf die kommenden Aktionen nicht vorbereitet ist, aufhört. Auch darauf gab es keine Reaktion.
Am 17.März führte das Bündnis eine Pressekonferenz zum Thema durch und startete
eine Kampagne "Genua, offene Stadt". Es ist eine Unterschriftensammlung für die Garantie der Grundrechte auf Meinungsäußerung und
Demonstrationsfreiheit im Gang. Die Petition fordert die Aufnahme von Verhandlungen mit der Regierung über die Fragen, die im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel
anstehen; außerdem die Garantie, dass den Netzwerken, NGOs und Initiativen, die in den Tagen von Genua die kollektiven Interessen der Zivilbevölkerung
darstellen, geeignete Räume und Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Am 24.Mai führte das Bündnis eine dritte Pressekonferenz durch, in dem es nochmals
Verhandlungen mit der Regierung forderte. Außerdem kündigte es an, dieser Forderung mit einem Internationalen Aktionstag am 2.Juni und Aktionen des
zivilen Ungehorsams Nachdruck verleihen zu wollen.
Inzwischen berichtet der Corriere della Sera (25.Mai) die Sicherheit der G8 werde in den Tagen vom 20.
bis 22.Juli von Sondereinheiten der Armee gewährleistet. Sie bewachen die "rote Zone" um den alten Hafen, wo sich die Herren der Welt versammeln.
Wie schon in Nizza wird der Luftraum von einem dichten Netz US-amerikanischer Aufklärungssatelliten kontrolliert.
Die Soldaten sind diesem Bericht nach ermächtigt, "im Falle von Unruhen" einzugreifen
und die DemonstrantInnen zu blockieren. Außerdem werden sie auch eingesetzt, um "sensible Objekte" zu schützen.
Insgesamt plant das Innenministerium, 18000 bewaffnete Männer aufzufahren, davon sind angeblich
8000 Polizisten, Carabinieri (eine Art Militärpolizei) und Finanzpolizisten. Das Innenministerium will seine Entscheidungen mit dem Verteidigungsministerium
abstimmen.
Die für die Sicherheit "kritischen Punkte" wurden wie folgt definiert: die sechs
Mautstationen auf den Autobahnen, der Hafen (über den Hafen kommen die hohen Herren zum Gipfel), die Konsulate und die rote Zone. Hier hat eine ständige
Überwachung aller Bewegungen bereits begonnen.
Immer noch nach Angaben des Corriere fordert die Stadtverwaltung die 667000 EinwohnerInnen Genuas
auf, in der Woche vom 16. bis 22.Juni die Stadt zu verlassen. Alle Bahnhöfe, darunter auch die beiden Hauptbahnhöfe, Porto Principe und Brignole, sollen
geschlossen werden; ebenso der Hafen und der Flughafen. Aus "Sicherheitsgründen" könnten auch die Autobahnausfahrten Genua West, Genua Ost,
Flughafen u.a. geschlossen werden. Selbst die hochgelegene Schnellstraße, die von Sampierdarena quer durch die Stadt nach Genova-Foce führt, könnte
dichtgemacht werden. Sie ist die Hauptader der Stadt, die zwischen Küste und Bergen schmal ist und sich von West nach Ost lang zieht. Wie Nizza würde
Genua dadurch zweigeteilt. Auch Krankenhäuser bleiben abgeschnitten. Um sich treffen zu können, setzen die hohen Herren einmal kurzerhand das Recht auf
Freizügigkeit sowie die Sicherheit und Verfügbarkeit der öffentlichen Dienste außer Kraft. Das sind Maßnahmen knapp unterhalb des
Ausnahmezustands sie zeigen, dass die G8 zwar immer noch keine Antwort auf den Mangel an Legitimation haben, den sie in Prag feststellten, dafür jetzt aber
bereit sind, mit Kanonen zu antworten.
Hunderttausend Menschen haben in den Tagen zwischen dem 18. und dem 23.Juli die Urlaubsfähren
auf Sardinien oder Korsika gebucht. Diese Fahrten sind auf Anweisung von oben storniert.
Die Gemeindeverwaltung möchte die vollständige Blockade der Stadt verhindern. Sie wartet
aber immer noch auf einen genauen Sicherheitsplan der G8. Die Gemeinde regiert schön längst nicht mehr in Genua; das wird ihnen von Rom und Washington
schon längst aus der Hand genommen.
Letztes, pikantes Detail: Der neue italienische Außenminister wird aller Voraussicht nach Renato
Ruggiero heißen. Ruggiero war von der Gründung der WTO 1995 bis April 1999 deren Generaldirektor. An der Herausbildung von supranationalen
Institutionen, die von niemandem kontrolliert werden, arbeitet er jedoch schon seit 1969. Damals leitete er in Brüssel die Verhandlungen über eine
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ein, die mit dem Vertrag von Maastricht Wirklichkeit wurde, später auch die Verhandlungen über
den Übergang von den Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union. Ende der 70er Jahre kehrte er nach Italien zurück, wurde dort
Staatssekretär im Außenministerium und arbeitet in dieser Eigenschaft an der Durchsetzung der Stationierung der NATO-Mittelstreckenraketen. Später
wechselte er ins Außenhandelsministerium. 1991 trat er in den Aufsichtsrat von Fiat ein. Die Familie Agnelli hat damit einen direkten Vertreter in der neuen
Regierung sitzen. Ruggiero blickt auf eine Serie von Ritterkreuzen zurück, die einen eher das Gruseln lehren...
Italien ist ohne Zweifel heute in Europa das richtige Land zum Demonstrieren.
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