Sozialistische Zeitung |
Stimmt es denn nicht, dass die Zeitung in den letzten Jahren die Rotform aufgeben, ihre Redaktion und ihren Mitarbeiterstab
einschränken musste mit den unvermeidlichen Folgen für ihre Qualität? Es stimmt, und trotzdem halte ich das grobe Bild vom kontinuierlichen
Aufschwung bis in die frühen 90er und dem ebenso kontinuierlichen Abschwung danach für vereinfacht und in dieser Form falsch. Und nicht nur deswegen,
weil es im Weiß der Anfangsphase nicht auch Schwarzes gegeben hätte, und umgekehrt, im düsteren Bild der Endzeit nicht auch aufhellende Flecken da
wären. In dem linear absteigenden Grau verfehlt Christoph wesentliche qualitative Punkte, die den Krebsgang verursachten: den Rückgang des
Ortsgruppenverkaufs auf ein Minimum, und den Rückgang der Abos, der bis heute auch mit Werbemaßnahmen nicht aufgehalten werden konnte. Dies sind die
beiden Punkte, an denen zu arbeiten ist, wenn die Zeitung aus ihrer Talsohle wieder herauskommen will.
Was sagt uns das? Der Rückgang des Ortsgruppenverkaufs hängt natürlich zusammen
mit dem Rückgang der VSP-Strukturen, die ehedem politisch eingegriffen und mit der SoZ ein organisierendes Ziel verfolt haben. Der Rückgang der Abos hat
diffusere Gründe, vereinfacht gesagt sind es aber auch hier verschiedene Formen von Rückgang des politischen Engagements und Interesses.
In Christophs Vorstellung sind die Zeiten der politischen Organisierung vorbei, heute "weitgehend
ohne politische Realität". Hier regt sich mein erster Widerspruch. Ich sehe nicht nur Zerfallsprozess auf der Linken, ich sehe auch einen ebenso schwierigen und
langwierigen wie sichtbaren Prozess der Erneuerung.
Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Zeitung wie die SoZ keine Zukunft hat und auch die
geforderte "politische Linie" nicht findet, wenn sie in den neuen Bewegungen, d.h. im Widerstand gegen die neoliberale Offensive in all ihren Formen, nicht
aktiv präsent ist, den Ehrgeiz hat, darin eine wichtige Rolle zu spielen, und sich in praktisch organisierender wie in theoretisch reflektierender und strategisch
analysierender Hinsicht als nützlich erweist.
Das ist Expansion was anderes? Wie glaubt man, eine Zeitung auf einem Stand von 1200
Abonnenten konsolidieren zu können? Diese Perspektive gibt es nicht. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir finden einen Weg, wieder zu wachsen,
oder wir schrumpfen weiter.
Ich behaupte: Es gibt einen Spielraum zu wachsen. Alle Rückmeldungen, die es über das
Produkt SoZ gibt, besagen: Trotz der quantitativen und qualitativen Einschnitte, die die SoZ hinnehmen musste, gibt es keinen Grund, warum sie nicht 2000 oder 2500
AbonnentInnen haben könnte. Selbst die SoZ so wie sie heute ist, könnte einen größeren Leserstamm haben, als sie tatsächlich hat. Ein Teil
der Gründe für den Rückgang der SoZ ist also außerhalb der Zeitung zu suchen, und auch nur dort zu lösen.
Damit meine ich: Die Wiederherstellung eines organisierten Zusammenhalts ist für den Bestand der
SoZ überlebenswichtig. Bei Christoph spielt diese Überlegung keine Rolle, er diskutiert nicht, in welchem Milieu er die konsolidierte SoZ verankern will. An
dieser Frage kommt man aber auch dann nicht vorbei, wenn man die Perspektive, sie in einer Bewegung zu verankern, nicht teilt. Man muss dann allerdings sagen, wo man
sie verankern will.
Wir werden nicht umhin kommen, diese Frage in den Mittelpunkt unserer Debatte zu stellen. Die SoZ hat
seit Mitte der 90er Jahre ihr Milieu und ihren Zweck nicht mehr vor Augen. Es nimmt deshalb nicht wunder, dass sie auf verschiedene, manchmal widerstrebende
Erwartungen reagiert und zuweilen ein disparates bis beliebiges Bild abgibt. Dass wir heute wieder in der Lage sind, darüber zu diskutieren, was wir mit der SoZ
wollen, ist ein Fortschritt: es reflektiert den Fortschritt in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um uns herum, ist aber auch ein Fortschritt der Redaktion, die trotz
personeller Ausdünnung und materieller Schwächung neben der Redaktionsarbeit weiterhin auch politische Arbeit leistet mit einem gewissen Erfolg,
der sich auch in der SoZ niederschlägt. Das sind hart erarbeitete Pluspunkte, die man nicht unterschlagen darf.
Der andere Teil der Gründe für den Rückgang der SoZ liegt in der Redaktionsarbeit
selbst. Wir können bei unseren mageren Ressourcen keine Sprünge machen und müssen zunächst einmal feststellen, ob wir die Zeitung für
das selbstgesteckte Ziel optimal einsetzen. Also: ist die Zeitung dort, wo wir sie verkaufen wollen, lesbar?
Hier setzt meine Kritik an der SoZ an: Zu viele Artikel sind zu lang, nicht wenige zu beliebig (sprich:
entbehrlich). Das hängt mit der Arbeitsweise der Redaktion zusammen: Weil sie zu schwach ist, hat sie die Tendenz, zu publizieren, was ihr angeboten wird. Wenn
man aber eine Zeitung machen will, die ein Konzept verfolgt, dann muss die Redaktion in die Lage versetzt werden, ihr Konzept artikelmäßig zu
unterfüttern und durchzusetzen. Sprich: Sie muss gestärkt und ausgeweitet werden, angefangen bei den vielen Autorinnen und Autoren, Leserinnen und Lesern,
denen die Zeitung ans Herz gewachsen ist und die bereit sind, Zeit und Energie in sie zu investieren.
Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die SoZ-Konferenz Ende April schon diskutiert: Wir werden
vierteljährliche Treffen organisieren, die die politische Situation und ihren Niederschlag in der Zeitung diskutieren. Das Ziel ist, um die SoZ herum einen lebendigen
Diskussionskreis aufzubauen.
Die Zeitung, die mir vorschwebt, wird von politischen AktivistInnen gelesen. Ihnen erfüllt sie
mehrere Funktionen:
1. Sie bietet Gegenöffentlichkeit, d.h. sie informiert über Entwicklungen und Bewegungen,
über die die bürgerliche Presse (und auch ein großer Teil der linken Presse) nicht informiert. Damit hängt zusammen:
2. Weit mehr als bisher muss die SoZ ihren Blick auf gesellschaftliche (im Gegensatz zu im engeren Sinne
politische und ökonomische) Verhältnisse richten: das Alltagsleben, wie Menschen den Terror des Marktes erfahren, kulturelle Entwicklungen. Die
Entpolitisierung der letzten Jahrzehnte (die ja auch einer Zeitung wie der SoZ das Leben schwer macht) bewirkt, dass diese Bereiche enorm viel wichtiger geworden sind,
auch für die Politik. Wenn wir es verstehen, sie auszubauen, können wir viele Menschen erreichen, die den Zeichencode der alten Linken nicht mehr verstehen,
aber ihre Lebensverhältnisse in der Zeitung widergespiegelt finden und sich deshalb von ihr angesprochen fühlen. Daraus ergibt sich:
3. Wir müssen neue Leserschichten für die SoZ erschließen. Das werden AktivistInnen
sein, Menschen, die beginnen sich zu politisieren, handeln wollen, eine politische Orientierung suchen. Sie müssen die Zeitung lesen und verstehen können.
Die SoZ muss ihnen Erklärungen und Handlungsperspektiven bieten, und dies auf einem leicht verständlichen, aber inhaltlich anspruchsvollen politischen
Niveau.
Aus diesen Anforderungen heraus bin ich für ein Konzept, das den täglichen Gebrauchswert in
der Bewegung unterscheidet von der gleichfalls bestehenden Anforderung, in der theoretischen und programmatischen Debatte angelehnt an das internationale
Niveau weiterzukommen. Letztere Anforderung können wir gut erfüllen, wenn wir das SoZ-Magazin dafür einsetzen, die innerlinke
Auseinandersetzung zu reflektieren und in sie einzugreifen.
Ich bin mir bewusst, dass auch dieses Konzept eine Konzentration der Kräfte erfordert. Solange wir
die Talsohle nicht durchschritten haben, ist es vernünftig, dass wir eine Weile weniger, dafür aber zielstrebiger produzieren. Deshalb habe ich den Vorschlag
gemacht, wenn es irgendwie geht nicht die Erscheinungsweise, sondern den Seitenumfang auf 12 Seiten zu reduzieren, begleitet von drei SoZ-Magazinen jährlich, die
eine veränderte Konzeption hätten (weniger feuilletonistisch, mehr diskursiv und theoretisch). Mag sein, das ist immer noch zu optimistisch, mag sein, ein
monatliches Erscheinen ist unabwendbar. (Für beide Varianten werde ich ein Seitenkonzept erarbeiten.) Doch selbst dann halte ich es für geboten, zwischen der
Funktion der Gegenöffentlichkeit und Hintergrundanalyse auf der einen Seite und der Funktion der theoretischen Reflexion und des innerlinken Diskurses auf der
anderen Seite säuberlich zu unterscheiden.
Angela Klein
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