Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.13 vom 21.06.2001, Seite 2

PDS

Abschied von der Opposition

von ANGELA KLEIN

Gregor Gysi will nicht mehr Oppositionsführer sein. Diese Entscheidung, die er schon einmal fällte, als er den Vorsitz der Bundestagsfraktion niederlegte, bekräftigte er noch einmal am 17.Juni bei seiner Vorstellung als Spitzenkandidat der Berliner PDS in den kommenden Neuwahlen. Gysi kandidiert nun für das Amt des Regierenden Bürgermeisters; wenn es unbedingt sein muss, weil die PDS in einer SPD-PDS-Grüne-Koalition nicht stärkste Partei würde, ist er auch noch bereit, Senator zu werden — diesen Preis zu zahlen, ist ihm schon schwer gefallen. Aber als Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus die Oppositonsbank drücken, das ist nicht mehr drin.
Was treibt ihn um, sich nach solchen Ämtern zu drängen in einer Zeit, da Berlin ein schmerzhaftes Spar- und Privatisierungsprogramm bevorsteht? Der Wunsch, gegen den Strom zu schwimmen und die Logik in Frage zu stellen, dass bei sozialen Ausgaben gespart werden muss, damit mehr Geld in die Wirtschaftsförderung fließt, kann es nicht sein. Stellenabbau, die Schließung öffentlicher Einrichtungen, Privatisierungen — das alles ist mit ihm zu machen (und mit der PDS-Fraktion). Er bewegt sich im Großen und Ganzen im Rahmen der derzeitigen bundesdeutschen Politik, wenn er auch im einzelnen andere Akzente setzt. Dazu gehören andere Schwerpunkte in der Wirtschaftsförderung — stärker zentriert auf die Zweige der New Economy und innovative Technologien, die kleinen und mittleren Unternehmen Anlagemöglichkeiten versprechen.
Sein besonderes Steckenpferd ist, Berlin "zu einer wirklichen Hauptstadt" zu machen. Auch das ein Markenzeichen, das die PDS nicht loslässt. Schon 1990 waren es ihre Stimmen, die für den Umzug der Bundesregierung nach Berlin den Ausschlag gaben. Auf der Pressekonferenz am vergangenen Wochenende klagte Gysi, wie provinziell die Berliner Politik trotz allem geblieben sei. Die Leute haben noch nach elf Jahren nicht gemerkt, dass Berlin, und nicht mehr München, oder Hamburg die neue Hauptstadt ist. Das muss sich ändern. Hauptstadt sein muss eine wirtschaftliche und kulturelle Vision werden. Wie? Keine Streichungen bei Kultur und Wissenschaft (übrigens sein bevorzugtes Senatsressort), dafür aber Abstriche am Föderalismus und mehr politischer Zentralismus. Dafür müsste es mehr Bundesgeld für die Bundeshauptstadt geben.
Man kann Gysis Hauptstadtvisionen als Initiative für mehr deutschen Nationalstaat interpretieren; damit läuft er direkt in Forderungen von Unternehmerverbänden hinein, denen die föderale Ordnung nach dem Fall der Mauer zu schwerfällig geworden ist. Selbst auf Elemente von stärker autoritären politischen Strukturen könnten beide sich einigen — etwa die Direktwahl von Staatsoberhaupt und Bürgermeistern (den Vorschlag hat Gysi selbst gemacht). Als er auf der Pressekonferenz gefragt wurde, wie er mehr Transparenz in die Stadt bringen will, fiel ihm spontan ein, wie die Verwaltung rationeller arbeiten kann, aber nicht die partizipative Demokratie, die seine Partei fordert, wenn auch nur für die Bezirksebene.
Die Kandidatur zum Regierenden hat für sich genommen aber auch ihren Reiz — und der ist näherliegender als die Frage, was er denn in einem Amt machen wird, das alles in allem sehr fern ist.
Gysi setzt auf Sieg, dafür muss er die PDS von jetzt 17 auf mindestens 24—25% bringen. Das geht nur, wenn die SPD im Westteil der Stadt massiv einbricht und die PDS entsprechend dazugewinnt. Gysis Kandidatur ist ein Großangriff auf die SPD- "Linke". Die wäre am ehesten zu überreden, diesmal PDS zu wählen, um den Druck auf die SPD, mit ihr zu koalieren, so stark wie möglich zu machen. Zwischen diesem Pol und der antikomunistischen Riege, die Klaus Wowereit schon Verrat vorwarf, weil er eine Koalition mit der PDS eine denkbare Option nannte, könnte die SPD zerrieben werden. Darauf spekuliert im übrigen auch die CDU, die aller Beteuerungen von Angela Merkel zum Trotz auf einen Wahlkampf des Kalten Krieges nicht verzichten wird.
Gysis Hoffnung auf Sieg stützt sich darüberhinaus auf die Nichtwähler. Sie waren bei der Wahl 1999 mit ca. 36% der Stimmen die stärkste Partei; die Große Koalition hatte insgesamt nur die Zustimmung von 41% der Wahlberechtigten. Die Aussicht, dass PDS-wählen was bringt, nämlich die Partei in die Regierung, könnte viele von ihnen motivieren, diesmal zur Urne zu gehen und der PDS den Erdrutschsieg zu liefern, den sie braucht.
Und wenn das nicht klappt? Dann ist nichts verloren. Gysi bleibt Abgeordneter im Bundestag, die PDS war monatelang die Nummer eins in den Medien und sie hat immer noch die Chance, zumindest soviel hinzuzugewinnen, dass eine neue Schubwelle für den Westaufbau dabei herauskommt. Denn was wäre erfolgreicher als der Erfolg?
In die Partei hinein wäre es ein deutliches Signal für Regierungskoalitionen und für die Abkehr von so "altem Plunder" wie die Verstaatlichung der Banken und Konzernen. Eine wirksamere Keule gegen die Programmkritik der Parteilinken kann man sich schwer vorstellen. Nach einem glorreichen Wahlsieg an der Spree würden die linken Kritiker auf dem Parteitag in Dresden plattgemacht und der Weg wäre frei für eine Kandidatur zu den Bundestagswahlen, die die PDS als Juniorpartner andient. Drei auf einen Streich — auch kein schlechtes Ergebnis.
Dass Gysi sich in einem Regierungsamt von der PDS nichts vorschreiben lassen würde, hat er schon kundgetan. Wieder sind erhebliche Zweifel am Demokratieverständnis angebracht, denn wozu ist die Partei noch da, wenn sie die Vertreter, die sie in Amt und Würden bringt, nicht mehr mit einem Auftrag versehen darf? Aber man kann getrost davon ausgehen, dass Gysi auch hier ehrgeiziger ist: Er würde sich nicht scheuen, von seinem Amt aus die Positionen in der Partei abzukanzeln, die ihm von links in die Quere kämen. Die PDS ist auf dem besten Weg, die Fahne des Antikommunismus, der in Deutschland auch nach dem Fall der Mauer Staatsräson geblieben ist, aufzuheben und weiterzutragen.

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