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Fast jeder vierte Eisenbahner soll sich in den kommenden drei Jahren eine andere Arbeit suchen. Von zuletzt 220.000 Mitarbeitern werden
bis zu 50.000 ausgegliedert. Die Bahn will die Personalkosten drastisch senken, um 3,3 Milliarden Mark jährlich bis 2004.
Der jetzt bekannt gewordene Plan einer Vermittlungsgesellschaft kommt nicht überraschend.
Vorstand und Gewerkschaften hatten sich im März nach langen Verhandlungen auf ein Beschäftigungsbündnis verständigt. Der Bahnkonzern
verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen. Im Gegenzug ermöglicht ein neuer Tarifvertrag ein differenziertes Entlohnungssystem. Je nach Konkurrenz- und
Geschäftslage können Mitarbeiter bei gleicher Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden. Die Gewerkschaft stimmt also dem Lohnabbau zu.
Das von den Gewerkschaften gefeierte Beschäftigungsbündnis ist nicht grundsätzlich
gegen Entlassungen, es sorgt für einen weniger harten Ausstieg der Betroffenen in eine neu gegründete Vermittlungsgesellschaft. In diese neue Gesellschaft
solle überzählige Beamte und praktisch unkündbare Beschäftigte wechseln, sofern ihr bisheriger Arbeitsplatz gestrichen wird.
Härter trifft es die Beschäftigten ohne verankerten Kündigungsschutz. Sie sollen in so
genannten Transfergesellschaften auf eine neue Tätigkeit vorbereitet werden. Bis zu 36. Monaten können die Betroffenen in den nicht bahneigenen Firmen
bleiben. Dadurch spart die Bahn kräftig Kosten, denn in diesen Fällen zahlen die Arbeitsämter 67% des letzen Nettolohns. Die Bahn stockt den Betrag
auf 85% auf. Einen Verlust der Differenz zum letzten Gehalt müssen die Betroffenen hinnehmen.
Mit diesem Instrument hat die Bahn bereits Erfahrungen gemacht. Vorgänger der
Vermittlungsgesellschaft war die DB Arbeit. Sie hat seit 1999 rund 24.000 nicht mehr benötigte Bahner übernommen, Weiterbildung angeboten und die
Beschäftigten bei der Vermittlung in neue Jobs, innerhalb und außerhalb des Konzerns, unterstützt. Ende 2000 waren noch über 5000 Bahner dort
untergebracht.
Die Eisenbahnergewerkschaft Transnet wandte sich gegen diese Form des Personalabbaus. Es sei falsch,
dass bis zu 47000 Stellen aus dem Konzern verlagert werden sollen, es gäbe darüber keine Vereinbarungen zwischen der Organisation und dem Unternehmen.
Vielmehr habe Transnet Anfang März einen Kündigungsschutz für Eisenbahner bis Ende 2004 durchgesetzt.
Das Personalvorstandsmitglied der Bundesbahn Horst Föhr sieht das anders: Dem Aufsichtsrat wurde
im April eine Planung zur Senkung der Personalkosten vorgelegt, was dieser zur Kenntnis genommen habe. Das Ziel stehe fest, bis 2005 müssten insgesamt 3,3
Milliarden Mark Personalkosten eingespart werden. Der Konzern löst seine Modernisierungspläne auf Kosten der Sozialkassen.
Dabei ist es kaum vorstellbar, dass das Personal der Bundesbahn, welches in Vermittlungsgesellschaften
abgeschoben werden soll, Gelder aus der Arbeitslosenversicherung bekommt. Die Bundesanstalt für Arbeit wird im kommenden Jahr erstmals ohne Zuschuss aus dem
Bundeshaushalt auskommen müssen, wie ein Sprecher des Arbeitsministeriums einräumte. Das Ministerium hatte sich zuvor noch für eine erneute
Geldspritze in der Größenordnung von 1,2 Milliarden Mark ausgesprochen. Nach Ansicht von Experten wäre auch das kaum ausreichend: In den ersten
vier Monaten dieses Jahres belief sich das Defizit im Etat der Bundesanstalt für Arbeit bereits auf 3,6 Milliarden Mark.
Willi Scherer
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