Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.17 vom 17.08.2001, Seite 4

Repression

Europäische Knüppel

Nach Genua wird jetzt über den FAO-Gipfel im November in Rom diskutiert. Aber zuvor wird es noch andere Treffen geben: NATO- Gipfel zur Raketenabwehr im All im September in Neapel und zahlreiche Termine während der belgischen EU-Ratspräsidentschaft.
Vor allem eine geplante Großdemonstration im Dezember in Brüssel könnte ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Gegner der kapitalistischen Globalisierung werden.
Angesichts dieses Szenarios hat BRD-Innenminister Otto Schily nach einem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen Claudio Scajola einen Vorschlag gemacht: eine europäische Polizeieinheit zur "Bekämpfung von Gewalt bei Demonstrationen gegen Gipfeltreffen" zu schaffen.
Dies hatte er bereits in einem Interview mit der Tageszeitung Welt am Sonntag vorgeschlagen und darüber mit dem italienischen Innenminister diskutiert, der dem Vorschlag wohlwollend gegenüber steht.
"Wir müssen uns dem neuen Phänomen der Gewalt auf internationalen Gipfeln stellen", hatte Schily auf seinem Treffen mit Scajola erklärt, "wir sind darauf nicht vorbereitet." Aus diesem Grund hatte er die Frage gestellt, ob eine europäische Polizeitruppe für Gipfeltreffen auf der nächsten Ministerratssitzung der EU am 28.September in Brüssel in Angriff genommen werden könnte.
"Es handelt sich um ein komplexes Projekt, das im Detail diskutiert werden muss", erklärte der Sprecher Schilys Vorschlag, der die Verstärkung der Verbindung zwischen den nationalen Polizeikräften, einer besseren Koordination und Informationsaustausch vorsieht.
Schilys Eifer wurde mit beredten Worten vom Verantwortlichen der belgischen Polizei für den Ablauf der beiden europäischen Gipfel in Gent und Brüssel, Patrick Zanders, abgekühlt: "Es wird noch einige Zeit vergehen, bis ein Deutscher mit einem Wasserwerfer auf belgischem Territorium auf Demonstranten schießen kann."
Der Präsident der europäischen Polizeigewerkschaft, Hermann Lutz, nannte Schilys Projekt "unrealisierbar", ebenso der britische Verantwortliche für die Polizei, der eine Beteiligung seines Landes an dieser Initiative ausschloss.
Keinen Kommentar gab bisher der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, ab, während sich Paris hinter einer "notwendigen Vertiefung der Details des deutschen Vorschlags" versteckte.
Auch im eigenen Land hat Schilys Vorschlag Polemiken hervorgerufen. Die grünen Koalitionspartner sind gegen die Bildung eines europäischen Polizeikorps für Gipfeltreffen und haben eine internationale Untersuchungskommission über die Verantwortlichkeiten der italienischen Ordnungskräfte in Genua gefordert. "Wir dürfen uns nicht in die Rolle eines Kontrolleurs Italiens aufschwingen", hat Schily dagegen eingewandt. Aber er hat nicht versäumt hinzuzufügen, dass in Genua "das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht respektiert wurde" und dass die Gewalt der Militanten "nicht die brutalen Missbräuche seitens der Polizei rechtfertigt".
Möglicherweise, so vermuten einige Kritiker, soll der Vorschlag Schilys auch dazu beitragen, die Repression gegen die Gegner der kapitalistischen Globalisierung "sauberer und effektiver" zu gestalten und künftig Bilder wie die von der Diaz-Schule in Genua vermeiden helfen.

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