Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.17 vom 17.08.2001, Seite 7

Neapel war die Generalprobe

Bei der Demonstration der Rete No Global gegen das Treffen von OECD, Weltbank und Konzernspitzen im März dieses Jahres hat die Polizei erstmals ein Angriffskonzept umgesetzt. Giovanni Russo Spena, Senator für Rifondazione Comunista aus Neapel, erklärte gegenüber der Tageszeitung Il Manifesto, welche Gemeinsamkeiten mit dem Vorgehen der Polizei in Genua im Nachhinein zu beobachten sind.

Welche Analogien gibt es zwischen Neapel und Genua?
Russo Spena: Ich glaube, Neapel war die Generalprobe für das, was dann in großem Stil in Genua praktiziert wurde. Vor allem was das Verhalten der Ordnungskräfte und die Verselbständigung der Einheiten betrifft, die häufig nicht auf die Einsatzleitung gehört haben, wenn sie versuchte, sie zu beruhigen.

Mit den bekannten Ergebnissen.
Russo Spena: Ich sehe vier gemeinsame Elemente zwischen Neapel und Genua. Das erste ist die zunehmende Faschisierung der Ordnungskräfte. Dann die Art der Inhaftierung, die Folter in den Polizeikasernen und die Angst der G8 vor einer Massenbewegung, die sich nicht nur aus Jugendlichen, sondern auch aus Arbeitern, Basisgewerkschaftern, normalen Menschen zusammensetzt.

Welche Verantwortung trifft die Mitte-Links-Koalition?
Russo Spena: Die Mitte-Links-Regierung hat sich auch dort hinter die Ordnungskräfte gestellt, wo ihr Verhalten nicht zu verteidigen war. Auf die Ermittlungsergebnisse, die wir dem Innenminister haben zukommen lassen, hat sie nicht reagiert. Die Mitte-Links-Regierung ist teilweise mitverantwortlich für das, was in Genua passiert ist, denn wenn sie nach Neapel richtig reagiert hätte, wäre das in Genua so nicht passiert.

Was geht in der Polizei eigentlich vor sich?
Russo Spena: Sowohl in Neapel wie in Genua wurden die Einheiten quer Beet, unabhängig von ihren eigentlichen Aufgaben, eingesetzt. Ich glaube, das alles verweist auf die Existenz einer internationalen Schaltstelle, die eine Querstruktur der Ordnungskräfte geschaffen hat, um die Antiglobalisierungsbewegung zu bekämpfen. Nur ein Beispiel: Der Generalsekretär der NATO hat am Tag nach der Ermordung von Carlo Giuliani die Carabinieri und die italienischen Ordnungskräfte gelobt. Die Botschaft ist also klar.

Es bleiben die Folter und die Gewalt in den Kasernen, die weniger leicht zu erklären sind.
Russo Spena: Wir müssen diese Anzeichen einer Faschisierung der Ordnungskräfte tatsächlich genau beobachten. Ein Schwerpunkt muss auf der Auflösung der Sondereinheiten liegen. Sogar die Finanzpolizei wird inzwischen mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung beauftragt. Die Heeresreform, die die Carabinieri zu einer vierten Säule der Armee befördert hat, war ein Riesenfehler der Regierung D‘Alema. Dann gibt es das Problem der Ausbildung: Solche Verhaltensweisen kommen nicht aus dem Nichts.
Wenn einer die faschistische Hymne auf seinem Handy laufen hat und das Maximum, nicht das Minimum an Brutalität anwendet, dann wurde er so ausgebildet. Man brauchte sie nur zu sehen, wie sie in Genua marschiert sind, mit ihren Knüppeln auf die Schilde schlagend, nach lateinamerikanischer Art. Sie haben auch Knüppel mit einem spitzen Ende eingesetzt, bei denen es schon beim ersten Zuschlagen Riss- und Prellwunden gibt. Wer hat sie dazu berechtigt? Solche Entscheidungen müssen an den Pranger, die Militärs und Politiker ohne jede parlamentarische Diskussion gefällt haben.

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