Sozialistische Zeitung |
Das Verhalten der Polizei während und nach den No-global-Demonstrationen in Genua stellt eine regelrechte Aktion des "Low-
intensity warfare" (Krieg niedriger Intensität) dar, wofür die Regierungen aller acht am Gipfel beteiligten Länder die politische Verantwortung
tragen (entgegen der legalen Verantwortung, die den italienischen Behörden zugeschoben wird).
Der Krieg niedriger Intensität war die Antwort der USA auf die Niederlage in Vietnam. Entstanden
in der Anfangszeit der Reagan-Ära waren Nikaragua, El Salvador und Guatemals die wichtigsten Laboratorien dieser Strategie, die nur unter der Bedingung absoluter
Überlegenheit der USA anwendbar ist. Vom CIA wurden die wenigen nikaraguanischen Häfen vermint und die sog. Contras ausgerüstet.
In El Salvador und in Guatemala nahm die Strategie die Form einer Verflechtung an zwischen den USA,
der jeweiligen offiziellen Armee und den Todesschwadronen gegen die Bauern, Gewerkschafter und Geistlichen, die gegen diese Diktaturen kämpften.
Im Fall Nikaraguas war die Operation von einer Kampagne begleitet, die darauf abzielte, das Land als
Gefangenen einer Diktatur hinzustellen, obgleich die somozistische Oligarchie offen die Contras unterstützte.
Gegenüber sehr kleinen und sehr armen Ländern kann diese Strategie funktionieren. Jedoch
wirft sie ein Licht auf den Charakter der "Sicherheits"apparate, die sich außerhalb der Institutionen befinden. Tatsächlich war die US-Regierung, bei
den Operationen gegen Nikaragua gezwungen, den Kongress zu umgehen, der nach dem Vorfall der Pentagonpapiere (die Washington Post hatte gezeigt, dass der Vorfall im
Golf von Tonkin, aufgrund dessen US-Präsident Johnson die Bombardierung Vietnams befahl, eine reine Erfindung war: es gab keine nordvietnamesischen Angriffe
auf amerikanische Schiffe) Vorkehrungen zur Kontrolle der Finanzierung von Geheimoperationen getroffen hatte. Deshalb initiierte die US-Regierung über Umwege
ein Geschäft mit Israel und Khomeinis Iran, um die Contras zu finanzieren und sie mit Waffen zu versorgen ("Irangate"). Wenn dies die notwendigen
Aktionen sind, um ein Imperium zu haben, ist es offensichtlich, dass es kein Imperium ohne Imperialismus gibt.
Doch hat der Krieg niedriger Intensität seine Wurzeln in den USA selbst, wo er entstand, um
besonders "gefährliche" soziale Bewegungen oder Protest von Seiten ausgegrenzter Teile der Bevölkerung zu unterdrücken. In den 20er
Jahren wurden regelmäßig private Polizeikräfte eingesetzt, um die Kämpfe und Organisationen der Bergleute gewaltsam zu vernichten. Dasselbe
gilt für die schwarzen Ghettos in den 60er Jahren wie für Los Angeles vor zehn Jahren oder Cincinnati vor einigen Monaten.
Mit dem Ende des "offiziellen" Kommunismus werden die Mechanismen imperialistischer
Intervention und die der Repression nach innen zusammengeführt. Der Urheber dieser Verbindung war Bill Clinton. Unter seiner Präsidentschaft wurden die
neuen Fronten dieses nicht mehr so kalten Krieges festgelegt: terroristische Gruppen (Islamisten und andere), gesetzlose Staaten, humanitäre Interventionen, dort wo
sie gelegen kommen. So wird jede humanitäre Intervention im Irak blockiert, während der Türkei freie Hand bei der Unterdrückung der Kurden
gelassen wird. Gleichzeitig hat Jospins Minister Bernard Kouchner, der jetzt versucht, sich bei der No-global-Bewegung einzuschmeicheln, als UN-Kommissar im Kosovo
der ethnischen Säuberung von Serben, Juden und Roma beigewohnt oder vielmehr: diese geleitet.
Heute wird die No-global-Bewegung als ernste Gefahr betrachtet, denn sie kann zu einer Brücke
werden zwischen den Opfern der nunmehr permanenten wirtschaftlichen Umstrukturierungen in der kapitalistischen Welt und jenen der armen Länder, die dem
Imperialismus unterworfen sind.
Tatsächlich ist die Diffamierung dieser Bewegung als einer neuen Form des Terrorismus weit
fortgeschritten. Diese Etikettierung begann in Seattle, aber die Kriminalisierung wurde durch die Beteiligung des US-Gewerkschaftsverbands AFL-CIO, der für die
Präsidentschaftskampagne der Demokraten absolut notwendig war, behindert. In Europa angelangt, wird die Bewegung sofort beschuldigt, neo- oder paraterroristisch
zu sein. Es genügt sich daran zu erinnern, wie die Zeitungen, auch La Repubblica, während und nach Nizza aufheulten.
Eine Analyse der Repression nach dem Muster der Entwicklung des Krieges niedriger Intensität hilft
auch zu verstehen, daß die Globalisierung eher eine staatliche und politische als eine natürliche Dimension hat. Der Mechanismus und die politischen
Argumente, die sie leiten, sind im Wesentlichen dieselben, weshalb sie ebenso der Kriegsstrategie gegen Jugoslawien, gegen den Irak oder des Plans Colombia zugrunde
liegen wie der Logik, die zur Entsendung eines Heers von 20.000 Polizisten/Militärs nach Genua geführt hat.
Joseph Halevi, aus: Il Manifesto, 3.8.2001
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