Sozialistische Zeitung |
Im südlichsten brasilianischen Bundesland Rio Grande do Sul mit seinen fast 10 Millionen Einwohnern, einem der wirtschaftlich
bedeutendsten Bundesländer Brasiliens, hat im Oktober 1998 ein Kandidat der PT (Arbeiterpartei) Olívio Dutra die Gouverneurswahlen
gewonnen.
Die Landeshauptstadt Porto Alegre mit ihren 1,3 Millionen Einwohnern blickt bereits schon länger
auf eine fortschrittliche und beispielhafte demokratische Tradition zurück: Im Oktober letzten Jahres wurde zum vierten Mal hintereinander eine PT-Stadtregierung
(Administração Popular) wiedergewählt.
Die PT 1980 gegründet ist heute mit rd. 800.000 Mitgliedern eine der
größten und interessantesten linken Parteien weltweit. Programmatisch versteht sie sich als demokratische und sozialistische Partei, hat ein plurales
Parteikonzept, in dem verschiedenen Strömungen der Linken mit ausgeprägtem Tendenzrecht integriert sind. Sie hat starke Wurzeln in der neuen
Gewerkschaftsbewegung Brasiliens sowie in den städtischen und ländlichen Sozialbewegungen.
PT-Regierungen gibt es derzeit in drei der 26 Bundesländer (Rio Grande do Sul, Mato Grosso do Sul
und Acre). Von allen Parteien hält sie mit sechs die meisten Landeshauptstädte, von den 62 größten Städten Brasiliens hält sie 17, die
linke Opposition insgesamt 29. Eine der globalen Mega-Städte, São Paulo, wird seit einigen Monaten nach einem Zwischenspiel Anfang der 90er Jahre
wieder von der PT regiert. Das hervorragende Abschneiden der Linken bei der Kommunalwahl wird von vielen politischen Beobachtern als erneute Chance bei den
Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr gewertet.
Die politische Entwicklung in Brasilien hat eine weltweite Dimension. Schließlich handelt es sich
gemessen an der Wirtschaftskraft um das achtstärkste Land der Welt.
Der Erfolg der PT ist keineswegs mehr Ergebnis einer gesellschaftlichen Protestbewegung, sondern mehr als je zuvor Frucht konkreter Politik in den Ländern,
Städten und Gemeinden (o modo petista de governar).
Strategische Zielsetzungen, die Qualität von Politik, Überzeugung der Bevölkerung
durch konkrete Erfahrung entscheiden letztlich über Erfolg und Misserfolg.
Linke Stadtpolitik und linke Landespolitik in Brasilien stellt sich bewusst in den regionalen,
bundesstaatlichen, und internationalen Kontext, aber in klarer programmatischer Abgrenzung zu den vorherrschenden neoliberalen Politikmustern. Dies gilt ganz besonders
für die PT-geführten Regierungen von Bundesländern der Größe Rio Grande do Suls oder von Großstädten wie São Paulo,
Porto Alegre, Belem oder Recife. Wie zeigt sich das in Porto Alegre?
Drei strategische Direktiven bestimmten die kommunalpolitische Orientierung für die
Landeshauptstadt während der letzten Wahlperiode (19972000): Dazu gehört die Radikalisierung der Demokratie, die bewusste Abgrenzung von der
vorherschenden neoliberalen Politik in der Bundesrepublik Brasilien und in den internationalen Finanzinstitutionen. Eine zentrale Rolle nimmt auch die zielstrebige
Verwirklichung bedeutender Vorhaben und Reformen (grundlegende Sanierung, Gesundung der Kommunal- bzw. Staatsfinanzen unter öffentlicher Kontrolle, neue
Verhandlungsposition mit Kreditgebern, auch aus dem internationalen Bereich, Transport- und Verkehrswesen, Wirtschaftspolitik, Sozial-, Gesundheits- Bildungs- und
Ausbildungspolitik mit dem Ziel der sozialen Integration im Gegensatz zur Ausgrenzung (inclusão social contra exclusão social), Umweltpolitik usw.) um die Stadt bzw. das
Bundesland in einem fortschrittlichen Sinn zu modernisieren, ein.
Dabei sind ausschlaggebende Besonderheiten und Rahmenbedingungen zu beachten: die umfassende
Verschuldungskrise des Bundesstaates, die extreme soziale Ungleichheit, die hochgradige Konzentration von Grund und Boden, der scharfe Gegensatz zwischen modernen
Industrien und Wirtschaftsaktivitäten einerseits sowie der Rückständigkeit von Produktionsmethoden und Dienstleistungen in der städtischen
Schattenwirtschaft (informeller Sektor) und rückständiger ländlicher Verhältnisse; die tiefgreifende Städtekrise, der anhaltende
Wanderungsdruck durch den Zerfall der ländlichen Existenzmöglichkeiten usw.
Die alternative politische Orientierung muss darüber hinaus gegen die nationale und weltweite
neoliberale Welle durchgesetzt werden. Gegen den Druck des Weltmarkts, Nichts drückt etwa die Krise des föderativen Föderalismus besser aus als die
laufenden Präsidialdekrete, die Steuerpolitik und die staatliche Kompetenzverteilung aus. Die Verfassung von 1988 wollte eine starke föderale Autonomie, eine
dezentralisierte Verwaltung und Steuerpolitik.
Ergebnis dessen war ein Steueranteil für die kommunale Ebene von 16,5%, der Bundesländer
von 28% und des Bundes von 55,5% auf dem Höhepunkt von 1991. Das war trotz allem ein Fortschritt gegenüber der vorhergehenden
Überzentralisierung unter der Militärdiktatur. In den folgenden zehn Jahren hat die Zentralregierung allerdings mit Hilfe des Kongresses (Bundestags) die
Verfassung mit Füssen getreten und die Verhältnisse radikal umgestoßen. Außerdem wurden den unteren staatlichen Ebenen Lasten und
Verpflichtungen auferlegt, für die kein finanzieller Konnex vorgesehen war.
Heute hat der Bund in Brasilien 70,5% der Steuerkompetenzen auf sich konzentriert und behält vom
Steueraufkommen 62,3% zurück. Die Länder sind auf 23,6% zurückgefallen und den Kommunen bleiben nur noch 3,9% Steuerkompetenzen und 14%
des Steueraufkommens.
Eine entscheidende Neuerung der Volksregierung in Porto Alegre, bereits in der ersten Wahlperiode, und seitdem immer weiter ausgebaut und vervollkommnet, war die
Einführung der direkten Volksbeteiligung bei der Haushaltserstellung oder kurz: des Beteiligungshaushalts (Orçamento Participativo OP).
Der Beteiligungshaushalts wurde zu dem Kernstück von erweiterter Demokratie. Es handelt sich also
keineswegs nur darum, dass die Bevölkerung direkt einbezogen wird, sondern der OP ist gleichzeitig Haushaltsprogramm, also Haushaltspolitik mit einer, wie es in
Porto Alegre heißt: "Umkehrung der Prioritäten" (reversão de prioridades). Es werden also Zug um Zug neue soziale, kulturelle, demokratische und
ökologische Standards gesetzt. Fortschrittliche Stadtpolitik und demokratische Haushaltspolitik sind also nur zwei Seiten der Medaille. Sicher hat die PT-Politik die
gesamte Stadtverwaltung im Laufe der Zeit neu ausgerichtet, qualifiziert, ein neues Rollenverständnis der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
herbeigeführt, Fachleute eingestellt usw. Die PT-Stadtregierung hat ihre kommunalpolitische Programmatik konkretisiert in Form von Leitlinien,
Masterplänen und Mehrjahresplänen für Porto Alegre.
Aber entscheidend war und bleibt die direkte Mobilisierung der Bevölkerung, die sich mit ihren
Interessen, Wünschen und Forderungen einbringt, die die Herkunft und Verwendung der Finanzmittel kennenlernt und kontrolliert, die Korruption aufdeckt, erschwert
und beseitigt, die zu einer rationellen Verwendung der Ressourcen beiträgt usw.
Selbstverständlich standen am Anfang und stehen auch heute noch unmittelbare Forderungen nach
Verbesserung der Lebensumstände, des Wohnumfelds im Vordergrund: Straßenbefestigung, kommunaler Wohnungsbau, Wasserversorgung, Abwasser,
Müllentsorgung, Buslinien, Sozialstationen, Schulen, Kindergärten, Jugend- und Kulturzentren im Nahbereich usw. Aber der OP ist gleichzeitig ein Lern- und
Bewusstseinsprozess auf breiter Basis, eine nachhaltige Politisierung der Bevölkerung. So haben sich im Laufe der Jahre bereits weitergehende Diskussionen
entwickelt.
Da geht es um Vorstellungen und Forderungen von Stadtentwicklung im umfassenderen Sinn,
stadtteilübergreifende Konzepte und dergleichen. Und diese Diskussionen sind bereits in die großen Linien der Stadtentwicklung oder in die Entscheidung
über konkrete zentrale Stadtentwicklungsvorhaben eingegangen (z.B. Avenida Perimetral III, eine Schnellstraße, die mit ihren 12 Kilometern 20 Stadtteile
verbindet, ohne durch das Zentrum zu führen; Kläranlagen).
Was diesen Politisierungsprozess betrifft, so bemerkt der Bürgermeister zwischen 1997 und 2000,
Raul Pont, in seiner Bilanz der Wahlperiode: "Es ist kein Zufall, dass es mit der Einführung des Beteiligungshaushalts auf Landesebene die gleiche soziale
Avantgarde war, die bereits ihre Erfahrungen im städtischen Beteiligungshaushalt gemacht hatte und die nun an den zahlreichen Versammlungen teilnahm, sie
organisieren half. Die Landesregierung hatte beschlossen, in der Hauptstadt acht große Versammlungen durchzuführen. Aber diese waren gleichermaßen
und sogar noch besser besucht als die kommunalen Versammlungen. Um ein Bild von den Teilnehmenden zu bekommen, haben wir die Leute gebeten, ihre frühere
Teilnahme am Diskussionsprozess auf der kommunalen Ebene durch Handaufheben zu signalisieren" (Raul Pont, Democracia, Participação, Cidadania, Porto Alegre
2000).
Das ist ein nach Form und Inhalt nicht nur fundamentaler Unterschied zu der brasilianischen Tradition des
sog. Klientelismus, des Paternalismus, sondern auch zu der vorherrschen neoliberalen Politik weltweit. Es ist auch etwas ganz anderes, als ein gut gemeintes, aber
technokratisches Konzept, wo tatsächlich oder angeblich mit den besten Absichten von oben nach unten regiert wird. Die Bevölkerung ist nicht nur aufgerufen,
alle vier Jahre wählen zu gehen und ansonsten passiv zu bleiben, wie es in den "repräsentativen Demokratien" mehr oder weniger der Fall ist,
sondern sich aktiv in ihre Belange einzumischen. Es handelt sich um ein völlig neues Verhältnis zwischen Bevölkerung und Staat. Die
Bevölkerung hat begonnen, sich den Staat anzueignen, auf der kommunalen Ebene ein ganz beträchtliches Stück und ein Stückchen bereits auf der
Landesebene.
Parallel zum OP wurde die Institution der zum Teil bereits in der Bundesgesetzgebung bzw.
Bundesverfassung vorgesehenen Lokalräte (conselhos municipais) eingeführt und ausgeweitet, die auf den verschiedensten Gebieten der Stadtpolitik
(Gesundheit, Bildung, Kultur, Dienstleistungen, Kinder- und Jugendpolitik usw.) als indirekte Beratungsgremien wirken. Allein im Rat für kommunale Kinderpolitik
sind über 300 Organisationen vertreten.
An der jährlichen Haushaltserstellung nahmen anfangs nur einige hundert Einwohner teil. In Porto
Alegre hat man das System über die Jahre vertieft und perfektioniert. In dem Maße, wie die Bevölkerung gemerkt hat, dass sie tatsächlich Einfluss
nehmen kann, dass sich Bürgerbeteiligung tatsächlich "auszahlt", sind die Teilnehmerzahlen ständig gestiegen. Inzwischen sind es
über alle Beratungsrunde pro Jahr rund 20.000 in den 16 Stadtregionen und fünf thematischen Vollversammlungen.
Hier steht bisher der städtische Investivhaushalt zur Debatte (zwischen 12 und 20% des gesamten
Haushaltsvolumens), finden wesentliche Beratungen statt, werden Vorgaben aus der Einwohnerschaft entwickelt, ihre Finanzierung sichergestellt, mit anderen Vorhaben
abgestimmt und im Investivhaushalt zusammengefasst werden. Dieser wird schließlich vom gewählten Volksrat für den Beteiligungshaushalt (conselho
popular do orçamento participativo) verabschiedet und im Rahmen der Vorlage des gesamten Haushaltsentwurfs im Rat eingebracht. Sicher behält der Rat bisher
formal die Haushaltskompetenz, aber alle Beratungen finden nun unter dem Druck und der kritischen Begleitung durch die Bevölkerung statt.
1999 z.B. belief sich sich das städtische Haushaltsvolumens in Porto Alegre auf rd. 850 Millionen
Reais, wovon etwa 160 Mio. Reais investiv verausgabt wurden. Diese 160 Mio. Reais wurden übrigens auf der Einnahmenseite zu rd. 20% durch große
Institutionen wie die Interamerikanische Entwicklungsbank oder die brasilianische Entwicklungsbank BNDES finanziert. Obwohl die PT nur über ein gutes Drittel der
Ratsmandate verfügt, auf andere Linksparteien angewiesen ist, und einer ziemlich harten bürgerlichen Opposition gegenübersteht, kann auch diese nicht
an den Ergebnissen der Haushaltsvorberatung in der Bevölkerung vorbei.
Ziel der PT ist die Ausweitung der Bürgerbeteiligung über den Investivhaushalt hinaus auch auf die übrigen Haushaltsbestandteile (v.a. auf Löhne
und Gehälter für die städtischen Beschäftigten, die auch hier rd. 60% ausmachen). Porto Alegre ist heute eine der brasilianischen Städte mit
dem höchsten Politisierungsgrad.
Der Beteiligungshaushalt wurde bereits 1997 in ca. 70 weiteren Städten und Gemeinden Brasiliens
praktiziert, in denen die PT allein oder im Bündnis mit anderen die Stadtpolitik verantwortet. Er erhielt einen neuen Schub mit dem überwältigenden
Wahlsieg der Linken bei den Kommunalwahlen im Oktober letzten Jahres.
Neuere Zahlen liegen mir noch nicht vor. Es dürften inzwischen mehrere hundert sein. Der
Beteiligungshaushalt wurde sogar erstmals auf Landesebene eingeführt, nachdem die PT mit Olívio Dutra im Oktober 1998 einen grandiosen Erfolg verbuchen
konnte. Die Maßnahme wurde von den politischen Gegnern mit allen Mitteln bekämpft. Die Rechtslage gibt ihnen dazu leider mehr Mittel an die Hand, obwohl
es in Rio Grande do Sul nach der Landesverfassung bereits die Möglichkeit eines Haushaltsänderungsantrags gab (emenda popular, vorzulegen von 2
Organisationen/Verbänden oder 500 Wahlberechtigten).
Aber der Beteiligungshaushalt auch noch auf Landesebene das ging den Gegnern der
Demokratisierung denn doch zu weit! So ließen sie der Regierung Dutra/Rossetto gerichtlich verbieten, die Haushaltsvorberatungen mit der Bürgerschaft in
öffentlichen Räumen durchzuführen. Diese ließ sich allerdings nicht einschüchtern, und der Haushaltsvorentwurf kam dennoch zustande,
weil man sich auf Gewerkschaften, Kirchen und politische und bürgerschaftliche Verbündete stützen konnte, die die gesamte Kampagne mittrugen sowie
Räume und Ressourcen zur Verfügung stellten.
Im ersten Jahr des OP auf Landesebene haben rd. 160.000 Menschen in 400 von 467 Städten und
Gemeinden an den Diskussionen und Abstimmungen teilgenommen. Der Hausentwurf (auch hier noch: Investivhaushalt) wurde von den 204 gewählten Mitgliedern
des Volksrats für den Beteiligungshaushalt auf Landesebene beraten und verabschiedet. Er wurde schließlich im Rahmen einer großen Demonstration
beim Landtag überreicht. Und: der Beteiligungshaushalt wurde, wenn auch nach harten Diskussionen und zahlreichen Änderungen, von der Mehrheit des
Landtags verabschiedet. Selbst das konservative Lager konnte an dem Ergebnis der Volksmobilisierung nicht mehr vorbei.
Porto Alegre wurde auf der UNO-Konferenz Habitat II 1996 in Istanbul zur "Welthauptstadt der
Demokratie" proklamiert. Selbst die Weltbank kommt nicht umhin, Porto Alegre als Modell für nachhaltige Stadtentwicklungspolitik herauszustellen. Offenbar
ist es möglich, selbst unter schwierigen Bedingungen, eine Stadt auf allen Gebieten massiv nach vorne zu bringen, den Haushalt auszugleichen, ohne eine immer
unsozialere kommunale Steuerpolitik, ohne den öffentlichen Dienst massiv abzubauen (Porto Alegre hat mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern 21.000 öffentlich
Bedienstete) oder die Durchschnittseinkommen im öffentlichen Dienst anzusenken, ohne das soziale Leben und die öffentlichen Dienstleistungen unter die
Räder zu bringen, ohne die Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung zu steigern usw.
Ganz im Gegenteil! Seit fast zwölf Jahren läuft eine echte Umverteilungspolitik von oben nach unten. Porto Alegre gilt heute als eine der brasilianischen
Städte mit der vergleichsweise höchsten Lebensqualität, sie ist nach UNO-Kriterien eine der lebenswertesten Städte der
südlichen Hemisphäre. Armutsbekämpfung und ausgeglichene Stadtentwicklung stehen ganz oben an. Porto Alegre steht positiv mit an der Spitze der 500
Städte weltweit mit über 500.000 Einwohnern, in denen sich die größten Sozialprobleme konzentrieren und die größten Verzerrungen
aufgrund der sozialen und regionalen Ungleichheit der jeweiligen Länder.
Die Wirtschaft expandiert, was sich durch den Index der öffentlichen Bruttowertschöpfung
zeigt, ein Kriterium für das Wirtschaftsleben (22% anfangs der 70er Jahre, dann Rückgang bis auf 14% und seit Beginn der 90er Jahre wieder ein Anstieg auf
derzeit 17,4%.
Das kommunale Busunternehmen Carris wurde von der Nationalen Vereinigung der öffentlichen
Transportunternehmen (ANTP) zur besten Gesellschaft im Hinblick auf diese wichtige öffentliche Dienstleistung gewählt. Die städtische Wasser- und
Abfallwirtschaft steht beispielhaft für ihre Erfolge und dies im Gegensatz zu den laufenden Privatisierungen anderswo. 99% der Bevölkerung verfügt
heute über sauberes Trinkwasser, 85% über einen Abwasseranschluss, über 30% der Bevölkerung sind bereits an Kläranlagen zweiter Stufe
angeschlossen.
Herausragend auch die Verdienste um das städtische Gesundheitswesen und die Stadtreinigung. Die
Stadtverwaltung hat zum zweiten Mal in Folge den brasilianischen Preis für die kinderfreundlichste Politik erhalten. Für praktisch 100% der Kinder und
Heranwachsenden stehen öffentliche und private Schulplätze zur Verfügung. Die Alpabetisierungsrate liegt inzwischen bei 98%. Die Stadt praktiziert auf
dem Gebiet des Antirassismus (schwarze und indigene Bevölkerung), der Frauenemanzipation eine sehr fortschrittliche Politik.
Auf den Gebieten der Jugend- und Behindertenpolitik, des kommunalen und Sammeltransportwesens
wurden Maßstäbe gesetzt. Die kommunalen Steuer-Einnahmen wurden von 1988 bis 2000 verdreifacht, durch eine systematische und gerechtere Besteuerung
von Haus- und Grundbesitzern (IPTU und ITBI) durch umfassende Beitreibung von Umsatzsteuern, Beseitigung von Steuerschlupflöchern, ungerechtfertigten
Steuernachlässen und -amnestien für Reiche. Die Sozialausgaben wurden von der ersten Wahlperiode 198892 von 91 Millionen Reais auf heute
über 360 Millionen Reais gesteigert.
Die Stadt spricht über ihre Politik, sucht den Austausch mit Partnern in aller Welt. Abgesehen von
drei Kongressen zur Stadtentwicklung war sie 1997 Gastgeberin für das Forum von São Paulo (Versammlung der lateinamerikanischen und karibischen Linksparteien,
sozialen Bewegungen und fortschrittlichen Regierungen), im November 1999 organisierte sie das Internationale Seminar über die Teilhabende Demokratie. Daran
waren 106 Städte beteiligt, darunter 30 aus dem Ausland. Porto Alegre hat entscheidend mitgewirkt am Aufbau des Netzes Mercocidades, das 70 Städte des
Mercosul, von Chile und Bolivien umfasst. Sie nimmt teil an einem Austausch- und Partnerschaftsprogramm mit Barcelona und Paris (St.Denis) und hat nun im Januar
dieses Jahres das Weltsozialforum mit über 10.000 Teilnehmenden beherbergt internationaler Gegenpol zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Nach dem
Willen der Konferenz wird Porto Alegre zeitgleich zum nächsten Forum von Davos im Januar kommenden Jahres auch das zweite Weltsozialforum ausrichten.
Hermann Dierkes
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