Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.18 vom 31.08.2001, Seite 13

Ein Schritt zurück um weiter zu springen!

Zur Debatte um das SoZ-Konzept

Bei der Kontroverse von Christoph Jünke und Angela Klein geht es vordergründig um die Frage, ob die SoZ auf monatliches Erscheinen umgestellt wird oder weiter alle 14 Tage herauskommen soll, und zwar letzteres 12- statt wie bisher 16-seitig. Nun haben die auf der letzten SoZ-Konferenz vorgelegten Zahlen klar gezeigt, dass nur Christophs Vorschlag eine nennenswerte Einsparung bringt. Nach den bisherigen Beiträgen scheint mir weniger klar geworden zu sein, ob es wirklich verschiedene Konzepte gibt und worauf sie sich gründen. Gewisse "Beharrungskräfte" dürften eher in die Richtung wirken, Angelas Vorschlag zu folgen: a) Strukturell ist die SoZ zwar defizitär, doch gelingt es bisher immer wieder durch besondere Anstrengungen Großspenden zu mobilisieren, die dann automatisch in die Richtung drängen "erstmal weitermachen wie bisher"; b) die Erosion des AbonentInnenstammes der SoZ geht weiter, aber der Aufschwung kapitalismuskritischer Bewegungen, in denen wir aktiv sind, verleitet zur Hoffnung, daraus könne sich "automatisch" in absehbarer Zeit eine Umkehrung des Trends ergeben; c) da Christoph der Behandlung von Grundsatzfragen und Orientierungsdebatten in der Linken einen hohem Stellenwert einräumt und selbst beruflich Historiker ist und Theoriearbeit macht, fürchten anscheinend manche, gemäß seinen Vorstellungen würde die SoZ zu "verkopft", während sie gemäß Angelas Vorstellungen eher für die Aktiven der genannten Bewegungen interessant wäre; d) überhaupt wird gefürchtet, dass die Umstellung auf monatliches Erscheinen als offensichtlicher Rückzug zu weiteren Verlusten von AbonentInnen führt.
Gehen wir den Dingen auf den Grund!
Die Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) wurde aufgelöst. Die SoZ war immer eine Zeitung, die durch die politische, organisatorische und finanzielle Unterstützung einer politischen Organisation lebensfähig war. Dass diese Organisation weggebrochen ist, markiert also einen deutlichen Einschnitt. Diesem Einschnitt muss auch bei der Konzeption und Herstellung der SoZ ein klarer Einschnitt entsprechen. Alles andere wäre eine Politik des Blindflugs.
Sicher, es gibt jetzt die neu gegründete internationale sozialistische linke (isl). Sie wächst und gedeiht, das liegt am allgemeinen politischen Klima und an der Entschlossenheit der isl-Aktiven, gegenüber den Verfallsjahren der VSP einen Neuanfang zu unternehmen. Doch die isl ersetzt die VSP nicht. Sie ist eine kleine Organisation, die zwar bis zu einem gewissen Grad wachsen und auch einen sinnvollen Beitrag zur Herausbildung einer neuen glaubwürdigen linken Kraft leisten kann, die aber selbst nicht Ergebnis eines Vereinigungsprozesses ist wie die VSP es war, und die, gemessen an AbonentInnenstamm und Ausstrahlung der SoZ eben doch auf absehbare Zeit recht klein bleiben wird. Es wäre ein falscher Ehrgeiz der isl — und würde im übrigen auch der Arbeitsgrundlage des Vereins für solidarische Perspektiven (VsP) widersprechen —, für die SoZ die gleiche Rolle zu spielen, wie die VSP es tat.
Die Aktiven des VsP und der isl, das ist für den dauerhaften Weiterbestand sowie den notwendigen Neuaufschwung der SoZ zu wenig! Hinzukommen muss eine Mobilisierung des harten Kerns des AbonentInnenstamms der SoZ und eine Rückbesinnung auf die spezifischen Möglichkeiten der SoZ als plurales, offenes, radikales linkssozialistisches Blatt. Die Pluralität der SoZ ist bisher eher Potenzial als Realität und gründet sich hauptsächlich darauf, wer in der SoZ schreibt.
Es muss also erreicht werden, dass die SoZ neben den Funktionen, die sie bisher erfüllt — dazu gehört die Information über die Bewegungen und über internationale Entwicklungen — weitere Funktionen erfüllt. Sie muss auch zu dem Blatt werden, in dem am besten über die Orientierungsdebatten der Linken (in Deutschland, in Europa und weltweit) informiert wird, und wo diese Debatten auch in lebendiger und anspruchsvoller Weise geführt werden. Keine Zeitung könnte das besser als die SoZ. Sie würde dadurch auch mehr zum Forum für Linke verschiedener Richtung als bisher.
Was den Neuformierungsprozess der Linken betrifft, so ist seit 1989/90 viel Wasser nicht nur den Rhein, sondern alle Ströme und Flüsse der Welt hinunter geflossen. Es ist viel passiert und viel versucht worden in Hinblick auf linke Neuformierungen: teils mit spektakulärem Erfolg, teils mit Niederlagen und Rückschlägen. Allzu wenig darüber war in der SoZ nachzulesen. Da gibt es einiges nachzuholen. Die Informationen dazu können ohne große Anstrengung zusammengetragen werden. Doch sogar was Deutschland betrifft, ist die SoZ in diesem Punkt unterbelichtet: sie ist bislang kein gutes Informationsorgan zu den programmatischen Debatten in der PDS und auch nicht zu den politischen Orientierungsdebatten in der Linken links von der PDS.
Wenn die SoZ für die Aktiven der neuen kapitalismuskritischen Bewegungen sowie für die Aktiven in Betrieb, Gewerkschaft, Schule und Uni nützlich sein will, dann nicht indem sie wiederkäut, was im jeweiligen Bereich gerade los ist. Diese Art von Artikeln dienen eher der Information jener, die nicht in der jeweiligen Bewegung aktiv sind. Die Aktiven wollen wissen, wie es links politisch weitergeht oder weitergehen könnte — über ihren jeweiligen Bereich und über den nationalen Tellerrand hinaus. Dafür könnte die SoZ das Informationsblatt Nr.1 werden.
Aber dafür ist eine Umstellung nötig. Nicht nur das Geld ist knapp, sondern auch die Zeit. Wir brauchen mehr Zeit für Recherche, mehr Zeit für den lebendigen Kontakt mit wichtigen InformantInnen und PartnerInnen (so wie es für die Euromärsche und Attac doch vorzüglich zu klappen scheint), mehr Zeit für die Auswahl und sorgfältigere Bearbeitung des Materials. Es gab offenbar nicht mal die Zeit, mit der zurückgetretenen Redaktion des SoZ-Magazins zu sprechen, nachdem es die ganzen Jahre vor ihrem Rückzug dazu auch keine Zeit gab — und so gibt es eine Beerdigung dritter Klasse des SoZ-Magazins und keine Zeit, die Gründe für die große Beliebtheit des SoZ- Magazins zu analysieren, Bilanz zu ziehen und einen wirklichen (nicht nur formalen) "Ersatz" vorzubereiten!
Eine Erweiterung der Trägerschaft der SoZ ist nötig. Um dauerhaft und stabil plural zu sein, muss sich die SoZ auf Kräfte "links und rechts" der bisherigen Redaktion stützen. Ein erster Schritt wäre der Aufbau eines entsprechend zusammengesetzten Herausgeberkreises, über dessen Funktion und Mitgestaltungsrechte sorgfältig diskutiert werden müsste.
Zum Schluss nochmal zur isl: Die isl unterstützt die SoZ und führt dem VsP Mitglieder zu. Die isl sollte auch wieder versuchen, die SoZ vor Ort mehr zu vertreiben — gute alte Gewohnheiten müssen aus der Verschüttung gegraben werden. Grade die isl wird gerne eine plurale sozialistische Zeitung, die auch für ihre Positionen offen bleibt, unterstützen und vertreiben. Andere Bedürfnisse kann die isl in Broschüren, Flugschriften, in den gelben Seiten der Inprekorr etc. ausleben. Die SoZ öffentlich vertreiben wird nicht reichen, um die Erosion des Abonnentenstamms zu stoppen. Immerhin ist das ein nicht unwesentliches Steinchen im Mosaik der Rettungsoperationenen. Und die isl wird eine sorgfältig erstellte monatliche SoZ, in der sich die Orientierungsdebatten der Linken spiegeln, besser vertreiben können als ein Produkt, das hauptsächlich mit dem Markenzeichen "made prekär und in Eile" versehen wäre (und wo an den falschen Ecken "gespart" wird: Rotform weg, origineller Schriftzug weg...).

Manuel Kellner

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