Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.19 vom 13.09.2001, Seite 1

UN-Konferenz zu Rassismus

Afrika mit leeren Händen

Der Ausgang der Verhandlungen der dritten UN-Konferenz gegen Rassismus in Durban wird nun als europäischer Erfolg gefeiert. Das sollte misstrauisch stimmen. Denn neben den USA, die vorzeitig die Konferenz verlassen hatten, sollte eigentlich die EU auf der Anklagebank sitzen. Doch Kolonialisierung und Sklaverei, für die vor allem die beiden Supermächte verantwortlich gemacht werden, gerieten ebenso ins Hintertreffen wie andere Themen rassistischer Unterdrückung. Den israelisch-palästinensischen Konflikt benutzten mehrere der insgesamt 163 Regierungsdelegationen, um vom eigentlichen Zweck der Konferenz abzulenken.
Auf den bisherigen Weltkonferenzen gegen Rassismus 1978 und 1983 gab es ebenfalls zwei regionale Kristallisationspunkte: den Apartheidstaat in Südafrika und die israelische Besatzungspolitik in Palästina. Während die Verurteilung des Apartheidstaats als "Verbrechen gegen die Menschheit" weitgehend konsensfähig war, wurde eine Resolution, die den Zionismus mit Rassismus gleichsetzte, 1991 wieder aufgehoben. Doch so weit ging diesmal selbst die regionale Vorbereitungskonferenz in Asien nicht, die Ende Januar in Teheran stattfand. "Die Konferenz soll ihre Besorgnis ausdrücken über einen Anstieg rassistischer Praktiken des Zionismus und des Antisemitismus" wurde dort formuliert.
Obwohl in Durban die lateinamerikanischen und viele schwarzafrikanischen Staaten die von der arabisch-islamischen Staatengruppe geforderte Verurteilung der Politik Israels gegenüber den Palästinensern als "Holocaust" bzw. eine "Form der Apartheid" ablehnten, verließen die USA und in ihrem Gefolge Israel vorzeitig die Konferenz.
Damit bestätigten sich die Befürchtungen, die viele von ihnen hegten: ein Streit über Israel werde die Beschäftigung mit Sklaverei und Kolonialismus erschweren und den USA — denen diese Themen auch aus finanziellen Gründen unangenehm werden könnten — einen Vorwand zum Boykott oder vorzeitigen Ausstieg liefern.
Auch die arabisch-islamischen Staaten dürften den Eklat vorausgesehen haben. Viele von ihnen praktizieren rassistische Unterdrückung von Minderheiten auch im eigenen Land. Dennoch wussten sie im Konflikt mit Israel einen bedeutenden Teil der schwarzafrikanischen Zivilbevölkerung und einige Regierungen hinter sich. Es gibt finanzielle Abhängigkeiten, einige arabische Staaten wie Libyen spielen eine wichtige Rolle bei panafrikanischen Bestrebungen, und vielen Schwarzafrikanern ist die Unterstützung des Apartheidregimes in Südafrika durch Israel noch in lebendiger Erinnerung.
Die EU, allen voran der deutsche Außenminister Fischer, konnte sich nach dem Abgang der USA und Israels bei den Formulierungen zum Nahost-Konflikt als diplomatischer Vermittler präsentieren. "Wir sind besorgt über die Leiden der Palästinenser unter fremder Besatzung. Wir erkennen das unabdingbare Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und Errichtung eines unabhängigen Staates … das Recht auf Sicherheit für alle Staaten der Region an, einschließlich Israels … Wir erkennen das Recht der Flüchtlinge auf freiwillige Rückkehr in ihre Häuser und Besitztümer in Würde und Sicherheit an und drängen alle Staaten, eine solche Rückkehr zu ermöglichen", heißt es in der angenommenen Kompromissformulierung der südafrikanischen Regierung, die auch von der palästinensischen Delegation und dem israelischen Außenministerium akzeptiert wurde.
Für ihre Vermittlertätigkeit forderten die EU-Delegationen ihren Preis: sie verhinderten eine formale Entschuldigung für die Kolonialzeit. Statt dessen wurde nur "tiefes Bedauern" über Sklaverei und Kolonialismus ausgedrückt. Denn laut angelsächsischer Interpretation des Völkerrechts bietet der Begriff "Entschuldigung" eine Rechtsgrundlage für Entschädigungsklagen.
Die EU-Vertreter drängten die afrikanischen Regierungsdelegationen statt dessen zur Forderung nach einer "moralische Reparation", aus der bei entsprechendem politischen Willen Schuldenerlasse, Wirtschaftshilfe und "Partnerschaft für Afrika und Lateinamerika" erwachsen sollen.
Nicht nur die Roma und die indischen Dalit (Unberührbare), die das Kastenunwesen ihres Landes anprangerten, "wurden in Durban auf dem Altar des Nahen Ostens geopfert", so Nils Rosemann, der auf der Konferenz das Forum Menschenrechte vertrat. "Jedes Mal, wenn die Afrikaner versuchen, ein spezifisches Problem auf die Traktatenliste zu setzen, kommen andere mit allen möglichen Forderungen und verwässern das eigentliche Anliegen", meint auch der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka zur UN-Konferenz. Nicht zu reden von den 150 Millionen Migranten in aller Welt, die kaum über ein Sprachrohr verfügen, um ihre Interessen zu artikulieren. Für sie wurde ein Aktionsplan erstellt, mit dessen Hilfe Erziehungskampagnen, Gleichstellung am Arbeitsplatz und Antirassismusfonds eingerichtet werden sollen.
Ob diese Ergebnisse tatsächlich in nationale Aktionspläne umgesetzt werden, wie es die Resolutionen fordern, bleibt dahingestellt. Mehr als moralischen Druck werden auch die halbjährlichen Berichte, die zukünftig ein Gremium von "bedeutenden Persönlichkeiten" erstellen wird, nicht erzeugen können. Und die Abwehrhaltungen sind auch kurz nach der Konferenz schon überdeutlich. Die Resolutionen der Weltkonferenz sind "politische, keine rechtlichen Dokumente", kommentierte ein Sprecher der belgischen Regierung, die zur Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Gerhard Klas

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