Sozialistische Zeitung |
Das in Makedonien zwischen den makedonischen und albanischen Parteien unterzeichnete Friedensabkommen zeigt täglich seine Brüchigkeit. Die
Gefahr eines Krieges bleibt bestehen.
Das Abkommen wird die Situation der Albaner in Makedonien nicht radikal verändern. Es sieht zwar die Anerkennung
des Albanischen neben dem Makedonischen als offizielle Sprache vor und auch, dass die Albaner eine höhere Ausbildung in ihrer Sprache erhalten können und die Anzahl der
Albaner bei der Polizei und anderen Verwaltungsbereichen erhöhnt wird. Aber dieses Abkommen beinhaltet keine Autonomie für die Regionen, in denen die Albaner leben. Im
Gegenzug zu diesen Veränderungen hat die UÇK ihre Entwaffnung durch die NATO akzeptiert.
Die Brüchigkeit des Abkommens zeigt sich zunächst daran, dass es in den beiden Lagern nur gezwungen akzeptiert
worden ist. Auf makedonischer Seite haben wir es mit dem Aufstieg einer sehr starken antialbanischen nationalistischen Bewegung zu tun. Die nationalistischsten makedonischen Kräfte
halten die gemachten Konzessionen für zu bedeutend und sehen die wichtigste Aufgabe darin, die Autorität der Polizei und der Armee zu respektieren. Es ist zu befürchten,
dass, ist die UÇK erst einmal entwaffnet, die makedonische Polizei und Armee eine Offensive starten, um die Bastionen der UÇK zu vernichten.
Auf albanischer Seite hat das Abkommen ebenfalls keinerlei Begeisterung ausgelöst. Es waren die albanischen Parteien,
die mit der Staatsmacht verhandelt haben, nicht die UÇK. Nun sind diese Parteien sehr diskreditiert, insbesondere weil sie sich an makedonischen Regierungen beteiligt haben, ohne jemals die
Anerkennung der Rechte der albanischen Gemeinschaft erhalten zu haben.
Die wirtschaftliche Situation in Makedonien ist schlecht, ebenso wie in allen aus dem früheren Jugoslawien
hervorgegangenen Staaten. Aber darüber hinaus ist das Land durch die Kriege 1999 im Kosovo stark destabilisiert worden. Im Laufe des ersten Halbjahrs 1999 ist die industrielle
Produktion in Makedonien um 30% zurückgegangen. Die Erwerbslosenrate beeträgt 4050% der aktiven Bevölkerung.
Der IWF und die Weltbank legen dem Land wie überall eine Politik der Privatisierung und des Abbaus des
öffentlichen Sektors auf. In Makedonien hat diese Politik lebhafte gewerkschaftliche Proteste hervorgerufen. Mehr als 40000 Menschen haben in Skopje gegen die Pläne von IWF
und Weltbank protestiert.
Diese angespannte soziale Situation wird von den makedonischen Nationalisten offensichtlich ausgenützt, die zwischen
den Plänen des IWF und der Intervention der NATO zur Entwaffnung der UÇK eine Parallele ziehen. Diese Kräfte machen die Albaner für alle Übel im Land
verantwortlich. Die NATO, die USA und die EU werden von der makedonischen Rechten denunziert. Die Großmächte werden beschuldigt, die UÇK zu protegieren.
Auf albanischer Seite ist die Situation kaum besser. Die Zunahme des Anteils der Albaner in der Polizei wird die
Lebensbedingungen der großen Mehrheit der albanischen Gemeinschaft nicht verändern. Die Unzufriedenheit wird groß bleiben trotz der Eröffnung einer albanischen
Universität. Die Erwerbslosigkeit trifft mehr die Albaner als die Makedonier. Die in den langen Jahren der Diskriminierung aufgestaute Frustration wird nicht mit einem Schlag
verschwinden. Wenn die Aktionen der makedonischen Armee nach Durchführung der administrativen Veränderungen wieder aufgenommen werden, wird die Masse der Albaner
zweifellos eine Wiederaufnahme der militärischen Operationen der UÇK unterstützen.
Die einzige Lösung, die eine Konsolidierung der Republik Makedonien ermöglichen kann, ist eine, die es den
verschiedenen Gemeinschaften ermöglicht, bei Respektierung der Recht der jeweils anderen, zusammen zu leben.
Eine Form der Selbstverwaltung für die albanischsprachigen Regionen würde keinerlei Rechte der Makedonier
aufheben. Diese haben durch die Anerkennung der Rechte der albanischen Gemeinschaft nichts zu verlieren. Es gibt keine Interessenskonflikte zwischen Makedoniern und Albanern. Ein
harmonisches Zusammenleben ist ganz und gar möglich. Die Rechte der Makedonier müssen gewissenhaft respektiert werden; jede Form der ethnischen Säuberung ist zu
ächten. Diejenigen, die vertrieben wurden (die Makedonier aus Tetovo ebenso wie die Albaner aus Skopje) müssen nach Hause zurückkehren können.
Xavier Rousselin
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