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Nun ist es also offiziell. Die USA haben sich von der Weltkonferenz über Rassismus in Durban (Südafrika) zurückgezogen. Und wenngleich
der zynische und historische Beobachter den Verdacht hegen mag, dass diese Entscheidung doch nur im Einklang mit unserer notorischen Nichtbereitschaft steht, sich mit der Erblast des
Rassismus im Weltmaßstab auseinanderzusetzen, ist die offizielle Begründung mehr gewunden.
Der Rückzug aus der Konferenz sollte das Missfallen über verschiedene Delegierte zum Ausdruck bringen, die auf
Resolutionen drängten, die die Behandlung der Palästinenser durch Israel und den Zionismus die Ideologie des jüdischen Nationalismus, die zur Gründung
Israels 1948 führte verurteilen.
Wenngleich man sich über die These, dass Rassismus und Zionismus Synonyme seien, streiten kann besonders
angesichts der schwammigen Definition von "Rasse", die solche Positionen stets zu einer semantischen Frage macht , kann man schwerlich leugnen, dass der Zionismus in der
Praxis, wenn nicht gar in der Theorie, auf ethnischen Chauvinismus, kolonialen Ethnozentrismus und nationale Unterdrückung hinausläuft.
Indem ich dies sage, kann ich erwarten, in der jüdischen Gemeinschaft alles, nur nicht ein Kind Gottes genannt zu werden.
Die meisten, vermute ich, werden sich für den Begriff "Selbsthass" entscheiden: der typische pawlowsche Reflex auf einen, der wie ich Jude ist und es doch wagt, Israel oder
die seiner nationalen Existenz zugrunde liegende Ideologie zu kritisieren. "Antisemit" wird das andere Etikett sein, das man mir aufklebt, trotz der Tatsache, dass der Zionismus zur
Unterdrückung einer semitischen Bevölkerung geführt hat nämlich der überwiegend semitischen Palästinenser und in einer tiefen
Antipathie auch gegenüber Juden verwurzelt ist.
Obwohl der Zionismus sich als eine Bewegung eines starken und stolzen Volkes präsentiert, ist er tatsächlich eine
Ideologie, die von Beginn an voller Selbsthass war. Tatsächlich glaubten die frühen Zionisten als eine entscheidende Prämisse ihrer Bewegung, dass die Juden für die
Unterdrückung, der wir jahrelang ausgesetzt waren, verantwortlich waren und dass diese Unterdrückung unvermeidlich und nicht zu überwinden war daher die
Notwendigkeit für unser eigenes Land.
Jemand, der nie die Worte Theodor Herzls des Gründers des modernen Zionismus gelesen hat, wird
diese Behauptungen kaum glauben. Aber bevor man mich angreift, sollte man sich fragen, wer denn gesagt hat, dass der Antisemitismus "eine verständliche Reaktion auf
jüdische Mängel ist", oder dass "jedes Land nur eine begrenzte Anzahl von Juden aufsaugen kann, wenn es nicht krank werden will in seinem Bauch. Deutschland hat
bereits zu viele Juden."
Während man dazu neigen mag, eine oder beide Behauptungen Adolf Hitler zuzuschreiben, und sie wären seiner
auch würdig, handelt es sich tatsächlich um Kommentare von Herzl und Chaim Weizmann, einst Präsident Israels und zu der Zeit, in der er die zweite zitierte
Äußerung machte, Oberhaupt der zionistischen Weltorganisation.
Schon während meiner Schulzeit in einer jüdischen Schule habe ich nie verstanden, wieso sich meine
Schulkameraden so eng mit Israel verbunden fühlten wie ein Nierenkranker mit einem Dialyseapparat. Man erzählte uns, dass Gott dieses Land unserem Volk gegeben hätte,
als Teil seines Bundes mit Abraham. Dies wussten wir, weil die Schrift es uns gesagt hatte. Aber dies hat für mich nie ein besonderes Gewicht gehabt.
Andererseits erzählte man uns, wir bräuchten ein eigenes Land, um einen weiteren Holocaust zu verhindern. Nur
ein starker, unabhängiger Staat könne die Einheit und den Schutz gewähren, die ein Volk benötige, das so viel gelitten und sechs Millionen durch den Naziterror
verloren hatte.
Aber auch das schien mir verdächtig. Nach allem konnte man auch denken, dass wenn alle Juden an einem Ort
zusammengebracht werden, besonders an einem so kleinen wie Palästina, der Traum eines Judenhassers wahr würde. Es würde es leichter machen, die von Hitler begonnene
Arbeit zu vollenden. Besser schien es und scheint es noch, pulsierende jüdische Gemeinschaften in der ganzen Welt zu haben, statt alles auf eine Karte zu setzen und uns an einen Ort zu
begeben, wo schon andere leben, und dabei zu hoffen, dass sie es uns nicht zu schrecklich übelnehmen, wenn wir sie aus ihren Häusern vertreiben.
Die einzige Logik für den Zionismus schien die "Logik" der rohen Gewalt zu sein: die des Siedlers oder
Kolonisten. Wir wollten das Land, und indem wir es bekamen, lieferten wir der amerikanischen und europäischen Außen- und Wirtschaftspolitik einen Verbündeten. So
wurde es durch die Anwendung von Druck und die Entfesselung von Gewalt unseres.
Die massive Anwesenheit der Palästinenser führte viele Zionisten dazu, offen ihre Vertreibung zu fordern. Der
Führer der Siedlungsabteilung der Jewish Agency behauptete: "Es gibt keinen Platz für beide Völker in diesem Land. Es gibt keinen anderen Weg, als die Araber von
hier in die Nachbarländer abzuschieben und sie alle abzuschieben: kein Dorf, kein Stamm darf übrig bleiben."
Herzl selbst gab zu, dass der Zionismus "etwas Koloniales" war, als er feststellte, dass wir nichts entdeckt oder
begründet haben. Wir haben es genommen, und aus Gründen, die wir nie bei anderen akzeptieren würden. Shimon Peres der als einer der friedliebendsten israelischen
Führer gilt sagte 1985: "Die Bibel ist das entscheidende Dokument bei der Bestimmung des Schicksals unseres Landes." Aus solchem Stoff ist der Fanatismus, und
wir würden dasselbe sagen, wenn ein fundamentalistischer Christ dieselbe Äußerung in Bezug auf die USA oder irgendein anderes Land abgeben würde.
Dass die meisten Juden nie die grundlegenden Prinzipien dieser Ideologie, an der sie hängen, geprüft haben, ist
bedauerlich. Täten sie es, wären sie vielleicht schockiert darüber, wie antijüdisch der Zionismus wirklich ist. Immer wieder haben Zionisten sogar mit offenen
Judenhassern um der politischen Macht Willen kollaboriert. Herzl, ein Mann, der glaubte, dass die Juden am Antisemitismus schuld und daher nur durch die Flucht nach Palästina in
Sicherheit seien, schrieb in "Der Judenstaat":
"Jede Nation, in deren Mitte Juden leben, ist entweder offen oder verdeckt antisemitisch … Unmittelbarer Grund ist
unsere außerordentliche Produktion mittelmäßiger Intellekte, die keinen Weg nach oben oder unten finden können. Wenn wir sinken, werden wir ein
revolutionäres Proletariat. Wenn wir aufsteigen, steigt auch unsere schreckliche Macht der Geldbörse." Und weiter: "Die Juden tragen die Saat des Antisemitismus nach
England; sie haben sie bereits nach Amerika eingeführt."
Würde ein Nichtjude Juden für den Antisemitismus verantwortlich machen, wäre unsere Gemeinschaft zu
Recht empört. Aber dieselben Worte seitens des Vaters des Zionismus werden kommentarlos hingenommen.
Schlimmer noch, zu Beginn des Hitler-Regimes schrieb der zionistische Verband in Deutschland an Hitler und gab seine
Bereitschaft kund, "unsere Gemeinschaft an diese neuen Strukturen" (d.h. die Nürnberger Gesetze, die die Freiheit der Juden beschränkten) "anzupassen",
denn sie "geben der jüdischen Minderheit … ihr eigenes kulturelles Leben, ihr eigenes nationales Leben". Weit davon entfernt, dem Nazi-Völkermord Widerstand zu
leisten, haben einige Zionisten mit dem Regime kollaboriert. Als die Briten einen Plan entwickelten, um tausenden deutscher jüdischer Kinder zu ermöglichen, nach
Großbritannien zu kommen und so dem Holocaust zu entgehen, sperrte sich David Ben-Gurion, der spätere erste Ministerpräsident Israels, und erklärte: "Wenn
ich wüsste, dass es möglich wäre, alle Kinder in Deutschland zu retten, indem sie nach England gebracht werden, und nur die Hälfte von ihnen, indem sie nach (Israel)
transportiert werden, so würde ich für die zweite Alternative optieren."
Später pflegten die israelischen Zionisten Bündnisse mit antijüdischen Extremisten einzugehen. 1970 war
Südafrikas Premierminister John Vorster Gast in Israel, und Israel pflegte wirtschaftliche und militärische Bande mit dem Apartheidstaat, obwohl Vorster während des
Zweiten Weltkriegs als Nazikollaborateur inhaftiert war. Israel leistete Militärhilfe für das Galtieri-Regime in Argentinien, obgleich bekannt war, dass die Generäle alte Nazis
in ihrem Land beherbergten und argentinische Juden foltern und ermorden ließen.
Tatsächlich findet das Argument, der Zionismus sei Rassismus, Unterstützung in Äußerungen von
Zionisten selbst, von denen viele mit der hitlerschen Doktrin übereinstimmen, nach der das Judentum ebenso eine rassische Identität ist wie eine kulturelle und religiöse.
1934 schrieb der deutsche Zionist Joachim Prinz, der spätere Führer des American Jewish Congress: "Wir wollen, dass die Assimilation durch ein neues Gesetz ersetzt wird:
die Erklärung der Zugehörigkeit zur jüdischen Nation und jüdischen Rasse. Ein Staat, der auf dem Prinzip der Reinheit von Nation und Rasse beruht, kann von einem
Juden, der seine Zugehörigkeit zu Seinesgleichen erklärt, nur geehrt und respektiert werden."
Jahre später gab Ben-Gurion zu, dass man Menachem Begin als Rassisten bezeichnen könne, aber dann
müsste man "die ganze zionistische Bewegung, die auf dem Prinzip einer rein jüdischen Wesenheit begründet ist, anklagen".
Wir sollten nicht überrascht sein, dass jemand auf einer Weltkonferenz zu Rassismus meint, die Politik unseres Volkes in
Palästina verdiene einen Platz auf der Tagesordnung. Wir sollten diese Gelegenheit aufgreifen und einen ehrlichen Dialog beginnen, nicht nur mit Palästinensern, sondern auch mit
uns. Weder der Chauvinismus, der ein integraler Bestandteil des Zionismus ist, noch der ironische Selbsthass, der mit ihm einher geht, stehen einem starken und vitalen Volk an. So wie ein
Dialyseapparat kein Ersatz ist für eine gesunde und funktionstüchtige Niere ist auch der Zionismus kein adäquater Ersatz für ein gesundes und pulsierendes Judentum.
Und sicher war es nicht dieses schändliche Ziel, für das sechs Millionen gestorben sind.
Tim Wise
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