Sozialistische Zeitung |
Eine umfassende Privatisierung nicht nur von Wasser, sondern auch des Erziehungs- und Gesundheitswesens ist das erklärte Verhandlungsziel der EU-
Kommission, das sie im Auftrag des EU-Ministerrates bei den laufenden WTO-Verhandlungen anstrebt. In den Genfer Runden zur Umsetzung des "Allgemeinen Abkommens zum Handel
mit Dienstleistungen" (GATS) werde "ein enormer Druck auf die Entwicklungsländer ausgeübt, ihre Dienstleistungssektoren den Export-Interessen von Unternehmen
aus Europa zu öffnen". So heißt es in einer Stellungnahme des NRO-Netzwerkes "Von Seattle nach Brüssel". Die Kritik dieser und anderer NROs an der
EU-Position bei den jüngsten Verhandlungen um GATS basiert auf der Überzeugung, dass Schlüsselbereiche wie Ausbildung, Gesundheits- und Wasserversorgung zu wichtig
für eine demokratisch selbstbestimmte Entwicklung sind, als dass sie dem Freihandelsfahrplan der WTO unterstellt werden sollten.
Den Grund für die vom Ministerrat gutgeheißene EU-Strategie "für ein GATS 2000" sieht eine
niederländische Umwelt-NRO in einer Offensive von Firmen wie Suez (neuer Name "Ondeo") oder Vivendi, die sich systematischen in die Wasserwirtschaft südlicher
Megastädte wie Buenos Aires oder Johannesburg drängen. Laut einer niederländischen Studie sieht die EU-Kommission in ihrer Strategie "zuerst und vor allem ein
Instrument zum Nutzen des Geschäfts".
Welche Brisanz das von europäischen Wirtschaftsinteressen diktierte Drängen der EU auf eine Privatisierung der
sozialen Infrastruktur besitzt, erhellt das Beispiel Großbritannien. Dort hat die Privatisierung der Wasserversorgung unter der Thatcher/Major-Regierung zu einer nicht enden wollenden
Reihe von Preiserhöhungen, Skandalen und der Gefährdung der Bevölkerung geführt. Bei einem Abschluss des im Gründungsvertrag der WTO festgeschriebenen
GATS-Abkommens wäre die Privatisierung öffentlicher Dienste praktisch unwiderruflich, wenn ein Land einmal die GATS-Regeln unterschrieben hat.
Die gegenwärtige englische Regierung dürfte also, selbst wenn sie es wollte, Wasser und Abwasserleistungen nicht
mehr unter öffentliche Regie nehmen. Zwar ist es nach den in der WTO festgeschriebenen Vorgaben für die Privatisierung öffentlicher Dienste möglich, mit Hilfe der
Ausnahmeklausel (GATS-Artikel I.3) einen oder mehrere der 160 GATS-Bereiche von vorneherein zur Angelegenheit der nationalen Sicherheit zu erklären. So haben die Niederlande
zum Beispiel ihre gesamte Wasserregulierung vorausschauend dem GATS-Reglement entzogen. Doch gerade diese Ausnahme-Klausel, die bereits nach dem bestehenden Regelwerk nicht
beliebig angewendet werden kann, steht bei der aktuellen GATS-Runde zur Verhandlung an.
Die EU-Kommission mit ihrem Außenhandelskommissar Pascal Lamy setzt alles daran, bei einer neuen WTO-Runde und
bei der anstehenden WTO-Ministerkonferenz in Doha/Quatar im November dieses Jahres ihre Privatisierungs-Strategie erfolgreich durchzusetzen. Doch der Widerstand wächst. Die
Allianz der Umwelt- und Entwicklungs-NGOs fordert, es solle "keine weitere Ausdehnung des GATS-Abkommens geben ohne eine offene und unabhängige Abschätzung der
Folgen einer weiteren Liberalisierung von Dienstleistungen für Demokratie und Grundrechte". Sie werden verstärkt durch Gewerkschafts- und Sozialorganisationen, die am 9.
und 10.November international gegen die Privatisierung der Dienstleistungen protestieren wollen, von denen vor allem der "Gesundheits- und Bildungsbereich in öffentlicher Hand
bleiben sollen", heißt es in einer Erklärung des Internationalen Bundes der Freien Gewerkschaften.
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