Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.19 vom 13.09.2001, Seite 14

Gradlinige Befehlsausführer

Die KPD in den 20er Jahren

" -denn Angriff ist die beste Verteidigung". Die KPD zwischen Revolution und Faschismus
von der Gruppe MAGMA, Pahl-Rugenstein-Verlag, Bonn, 2001, 296 S., 36 Mark

Ein Autorenkollektiv — dessen Initialen der Vornamen der sich dahinter verbergenden Verfasser den schönen Namen "Gruppe MAGMA" ergeben — hat ein neues Buch zur Politik und Geschichte der KPD in der Weimarer Republik vorgelegt. Zu der Gruppe gehört auch der den SoZ-Lesenden bekannte Andreas Bodden.
Die Autoren verorten sich politisch im Umfeld der aktuellen Antifa-Bewegung mit mehr oder weniger Hang zur "autonomen Antifa" und mit gewissen Sympathien für die so genannte "antinationale Linke". Im gleichen Milieu wird wohl auch die Hauptzielgruppe dieses Buches angesiedelt.
Diese Autorenbewertung ist nicht unbedeutend, denn das Buch "…denn Angriff ist beste Verteidigung — Die KPD zwischen Revolution und Faschismus" ist ausdrücklich als ein, wie es so schön neudeutsch heißt, diskursives Buch angelegt. Es geht von politisch-theoretischen Kritik- Positionen an der KPD der 20er Jahre aus, die zudem innerhalb des Autorenkollektivs selbst auch noch in der Debatte sind, und die stark von den Diskussionen der heutigen antifaschistischen Bewegung geprägt sind, um sie dann anhand der konkreten Geschichte und Fakten abzuklopfen.
Diese Kritikpositionen beziehen sich auf die fehlende Einheitsfrontpolitik der KPD und der anderen Arbeiterorganisationen gegen den Faschismus; die unklaren Theorien der KPD zur generellen Einschätzung des Faschismus; fehler- und lückenhafte Positionen zum Nationalismus und zum Antisemitismus bei der KPD und eine widersprüchliche Frauenpolitik der Partei.
Ein solch diskursiver Ansatz funktioniert in der Regel nur bei Essays oder Aufsätzen im Rahmen einer überschaubaren Debatte, längere sozialwissenschaftliche Untersuchungen müssen daran scheitern, weil die Grenzziehung zur reinen Ideologie rechtfertigenden Darstellung, zur apologetischen Geschichtsinterpretation oder gar zur billigen self-fulfilling prophecy sehr schnell verschwimmt. Dass diese Arbeit der Gruppe MAGMA nicht scheitert, liegt vor allem daran, dass die Ausgangsfragen nicht sonderlich deutlich herausgearbeitet und zudem im Verlauf der konkreten Untersuchung dann immer wieder erfreulich vergessen werden.
Trotzdem soll an dieser Stelle eine ungewöhnliche Empfehlung gegeben werden, um letzte negative Auswirkungen in diese Richtung auszuschließen: Lest das Buch von hinten. Zuerst also die Zusammenfassung in Form von fünf Thesen (S.252—268), dann den Teil II, "Zwischen Masse und Klasse — Die KPD und das Volk" (S.180—252), und schließlich die konkrete Untersuchung im Teil I, "Die KPD zwischen Revolution und Faschismus".
Die Zeit nach der erfolglosen Novemberrevolution und den ersten darauf folgenden Jahren gehört sicherlich nicht zu den Ruhmesblättern der Arbeiterbewegung. Steht auf der einen Seite die furchtbare Niederlage durch den Faschismus, obwohl die Mehrheit der deutschen Bevölkerung politisch hinter den Arbeiterparteien stand, ist auf der anderen Seite die fatale Entwicklung der KPD zu einer gradlinigen Befehlsausführerin der Vorgaben der KPdSU und der Komintern, die immer rasanter zu willfährigen Werkzeugen der stalinistischen Partei- und Staatsbürokratie in der UdSSR wurden.
Dennoch gab es viele Ansätze, gegen den Faschismus konkret zu kämpfen, auch wenn sie letztlich allesamt durch die große Kräftekonstellation zum Scheitern verurteilt waren. Die großen strategischen Fragen aus dieser Zeit, wie eine Einheitsfront gegen den Faschismus aufgebaut wird und wie sich der antifaschistische Kampf in eine revolutionäre Strategie zur Überwindung des Kapitalismus einbettet, sind auch heute noch von zentraler Bedeutung im Kampf gegen Nazis und Rassisten.
Die Darstellung der sich wandelnden Positionen der KPD, der Entstehung der tödlichen "Sozialfaschismus"- Charakterisierung der SPD, der brutalen antikommunistischen Politik der SPD und des Aufbaus der verschiedenen antifaschistischen Frontorganisationen ist für die Debatte von heute sehr nützlich. Etwas kurz, bzw. ins Räderwerk der "Nur-Ideologiekritik" gerät die Darstellung der "Bolschewisierung" der KPD.
Dass es sich hier um eine vollständige Verwandlung der KPD, um handfeste materielle Parteiauseinandersetzungen, wo jederzeit auch reale Alternativen zur Debatte standen und um viele zerstörte und gescheiterte Biografien handelt, wird nicht genügend gewürdigt.
Dennoch ist dem Buch eine große Leserschaft zu wünschen.

Hubert Kaiser

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