Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 27.09.2001, Seite 4

‘Statt Repression — Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bewahren‘

Die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin und Datenschutzbeauftragte ihrer Fraktion, kommentiert die Spirale neuer "Antiterrorgesetze":

Nach den Anschlägen in New York und Washington hat die PDS mit Blick auf die NATO-Strategie zu Recht eine Politik der Deeskalation eingefordert. Dies muss auch für die Innenpolitik gelten. Die Angst, die viele Menschen jetzt verspüren, ist verständlich. Sie darf aber nicht in Hysterie umschlagen. Die PDS sollte deshalb in der Öffentlichkeit betonen:

1. Militär und Polizei sind strikt voneinander zu trennen. Die Verfolgung von Terroristen ist, wie die von anderen Straftätern, eine polizeiliche Aufgabe, nicht eine des Militärs oder eines Geheimdienstes.

2. Terrorismus und Verbrechen bekämpft man nur erfolgreich, wenn man ihre Ursachen bekämpft — nicht durch Repression. Gerade jetzt gilt es, gesellschaftliche Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu bewahren und zu verteidigen. Bundespräsident Johannes Rau hat auf der Kundgebung am 12.September die folgenden beachtlichen Sätze gesagt: "Wer den Terrorismus wirklich besiegen will, der muss durch politisches Handeln dafür sorgen, dass den Propheten der Gewalt der Boden entzogen wird. Armut und Ausbeutung, Elend und Rechtlosigkeit lassen Menschen verzweifeln. Die Missachtung religiöser Gefühle und kultureller Traditionen nimmt Menschen Hoffnung und Würde. Das verführt manche zu Gewalt und Terror. Das sät den Hass schon in die Herzen von Kindern.
Alle Menschen haben das Recht auf Anerkennung und auf Würde. Wer in seinem Leben Anerkennung erfährt und wer sein Leben liebt, der wird es nicht wegwerfen wollen. Wer in Würde und Zuversicht lebt, aus dem wird kaum ein Selbstmordattentäter werden. Entschlossenes Handeln ist das Gebot der Stunde. Weil wir das wissen und zeigen, weil wir daran keinen Zweifel lassen, darum sagen wir auch: Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist eine gerechte internationale Ordnung. Die Frucht der Gerechtigkeit wird der Friede sein."

3. Es ist nicht der Zeitpunkt, etwa über das Eintreten des Spannungsfalls nach Art.80a GG oder des Verteidigungsfalles nach Art.115a GG zu debattieren. Alle solche Bestimmungen gehen von einer ganz konkreten, unmittelbar drohenden oder bereits eingetretenen, schwerwiegenden Bedrohung des Bestands der Bundesrepublik Deutschland aus. Diese Lage ist aber (noch) nicht gegeben.

4. Auch den Menschen moslemischen Glaubens gilt unsere Solidarität. Selbst wenn es sich bewahrheiten sollte, dass islamistische Fanatiker hinter den Anschlägen standen: Terrorismus ist kein Kennzeichen des Islam.
Deshalb kann die Konsequenz aus den Anschlägen auch nicht eine Verschärfung des Ausländerrechts bzw. des aktuell diskutierten Referentenentwurfs für ein Zuwanderungsgesetz sein. Gegen Verbrechen hilft das Strafrecht. Das Zuwanderungsrecht ist hier das falsche Betätigungsfeld.

5. Liberalität beruht auf Selbstbewusstsein. Grundrechte bewähren sich gerade in der Krise. Weder den Terroristen noch denjenigen, die die Anschläge für ihre Zwecke auszubeuten versuchen, sollten wir erlauben, die Bürger- und Freiheitsrechte zu ersticken. Wie sagte einer der Väter der amerikanischen Verfassung, Benjamin Franklin: "Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren."

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