Sozialistische Zeitung |
Die Terroranschläge in Manhattan und Washington vom 11.September 2001 brachten nicht nur Gebäude zum Einsturz. Sie führten auch zu
einem dramatischen Einsturz der Aktienkurse der großen Börsen, zunächst derjenigen, die nicht wie die Wall Street sofort geschlossen wurden, dann aber
auch der US-amerikanischen Börsen. Die Attentate setzten nicht nur das Symbol für den weltweiten Kapitalismus, das World Trade Center, in Flammen. Sie drohen auch in einen
Flächenbrand der weltweiten Ökonomie zu münden. Der herbeigeführte Flugzeugabsturz auf das Pentagon legte nicht nur kurzzeitig Teile der US-Kriegsmaschinerie
lahm. Sie veranlassen diese Kriegsmaschinerie auch zu kaum kontrollierbaren Gegenschlägen, zu massiven Erhöhungen der Rüstungsausgaben und tragen zu einer
umfassenden, weltweiten Militarisierung der kapitalistischen Gesellschaften bei.
Doch so sehr all dies Börsenkrachs, Flächenbrand der Weltökonomie, Militärschläge
und Militarisierung nach diesen Anschlägen als Resultat dieser Terrorakte gebrandmarkt werden wird, so falsch ist diese Sichtweise. Alle diese Tendenzen sind seit geraumer Zeit
angelegt in der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Ökonomie selbst. Die Anschläge in New York und Washington wirken als Beschleuniger dieser zerstörerischen und
selbstzerstörerischen Entwicklungstendenz.
Das Bild der weltweiten Ökonomie hat sich im letzten Dreivierteljahr radikal verändert. Anfang 2001 gab es einige
Krisenerscheinungen in den USA, den allseits bekannten Dauerpatienten Japan und eine noch recht proppere Ökonomie in Westeuropa. Damals erklärte der Präsident der
Bank von Frankreich, Jean-Claude Trichet: "Ich gehe davon aus, dass das Wachstum in Europa beträchtlich sein und voraussichtlich über demjenigen in den USA liegen
wird." Doch seither kippte die Konjunktur in allen entscheidenden Sektoren der Weltwirtschaft ins Minus; ein Unterschied zwischen der ökonomischen Lage in den USA und
derjenigen in Westeuropa ist kaum mehr festzustellen.
Was die Lage der Weltökonomie bereits zum Zeitpunkt vor den Anschlägen in den USA so ernst machte, ist das
Zusammenfallen von drei Krisenerscheinungen, bei denen unter normalen Bedingungen bereits jede für sich die Weltwirtschaft erschüttern kann.
Erstens erleben wir zum ersten Mal seit 25 Jahren eine Situation, bei der alle drei großen kapitalistischen
Wirtschaftszentren sich in einer Rezession befinden: Nordamerika, Japan und Westeuropa. Zweitens hat die Krise der japanischen Wirtschaft inzwischen eine besondere Qualität erlangt.
Hier geht es darum, dass die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt auf dem Weg in eine Depression ist. Drittens schließlich droht die Weltwirtschaft von einer neuen Krise
in Schwellenländern, wie wir dies 1997/98 mit der Südostasien-Krise erlebt hatten, erschüttert zu werden. Argentinien und die Türkei stehen hier im Zentrum.
Die führende Ökonomie der Weltwirtschaft befindet sich seit Ende 2000 in einer Rezession. Bis einschließlich August 2001 sank die industrielle Produktion bereits elf
Monate in Folge. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war über zwei Quartale hinweg negativ. Damit ging der längste Boom, den die US-Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte
und der 1992, nach einer Rezession 1990/91, begonnen hatte, zu Ende.
Auch wenn die Länge dieses Aufschwungs von knapp einem Jahrzehnt für den gegenwärtigen Kapitalismus
ungewöhnlich ist, bleibt doch zur Entmystifizierung dieses Booms festzuhalten: Erstens gab es auch in jüngerer Zeit in den USA ähnlich lange Boomphasen, so die
neunjährige positive Konjunktur in der "Reagan-Ära", als der Aufschwung 1982 begann und mit dem Eintritt in die Rezession Ende 1990 endete.
Zweitens gab es im Fall dieser beiden Boomperioden überzeugende Erklärungen für ihre jeweilige
außergewöhnliche Länge. Der jüngste, Ende 2000 beendete Boom bspw. wurde in erheblichem Maß durch die Ausweitung des Dienstleistungssektors und eine
allgemeine Senkung der Lohnkosten befördert. Letzteres wiederum wurde mit der massiven Zunahme von Billigjobs ("McJobs") bei gleichzeitiger millionenfacher
Zerstörung von traditionellen "Normalarbeitsverhältnissen" erreicht.
Drittens schließlich unterstreicht das Eintreten der US-Wirtschaft in eine ordinäre kapitalistische Krise die
grundlegende Aussage, dass sich die kapitalistische Ökonomie grundsätzlich in einer zyklischen Form von Aufschwung über Boom zu Abschwung und Krise
bewegt. Alle Gesundbeter des Kapitalismus, die in den 90er Jahren unter Hinweis auf die USA und das "nachhaltige Wachstum" dort davon sprachen, es gebe im Kapitalismus die
Möglichkeit zu einem "verstetigten Wachstum", zu einem "fortwährenden Aufschwung", wurden damit erneut eines Besseren belehrt.
Die neue Krise der US-Ökonomie zeigt bereits jetzt viele Anzeichen dafür, dass es sich keineswegs um eine kurze,
periphere Rezession handeln wird. So sank die Auslastung der Kapazität in der gesamten US-Wirtschaft von 83%, die im Jahr 2000 noch erreicht wurden, auf 77% im Juli 2001. In
Spitzenjahren wie 1988 und 1994 war eine Kapazitätsauslastung von 85% erreicht worden. Inzwischen ist demnach ein knappes Viertel der nominellen industriellen Kapazitäten
nicht ausgelastet.
Seit Anfang 2001 sinkt erstmals seit 1995 auch die Produktivität der US-Ökonomie hier
gemessen als Produktion je geleisteter Arbeitsstunde. Auch die Erwerbslosigkeit in den USA steigt seit Frühjahr 2001 erneut an. Die offizielle Arbeitslosenquote lag im August 2001 bei
4,9% gegenüber 4,5% im Vormonat. In der ersten Septemberwoche, wenige Tage vor den Anschlägen, beschleunigte sich die Zahl der Jobsuchenden nochmals in
besonderem Maß (mit 431000 Erstanträgen auf Arbeitslosengeld waren es 21000 mehr als in der Vorwoche).
Insgesamt war damit in den USA bereits zu diesem Zeitpunkt der höchste Stand der offiziell registrierten Arbeitslosigkeit
seit Sommer 1997 erreicht worden. Die Zahl der US-Amerikaner, die in Lohn und Brot stehen, fiel allein im Zeitraum August 2001 gegenüber August 2000 um 700000. Dabei muss
beachtet werden, dass die US-Statistik für die Erwerbslosenquote noch wesentlich beschönigender wirkt als die Arbeitslosenstatistik der EU oder der BRD. So zogen sich in den
vergangenen Jahren viele Hunderttausende Menschen frustriert vom Jobmarkt zurück u.a. weil sie weder eine Chance auf einen Job sehen noch Anspruch auf eine
Arbeitslosenunterstützung haben. Damit tauchen sie jedoch auch in keiner Statistik mehr auf.
Insgesamt kam es in den USA seit Beginn der Rezession und in den vergangenen 13 Monaten zu einer Zerstörung von
mehr als einer Million industrieller Jobs. Das konnte zeitweilig, bis Frühsommer 2001, noch durch einen weiteren Anstieg der Jobs im Dienstleistungssektor und im Staatsbereich
wettgemacht werden. Doch inzwischen hat der Beschäftigungsabbau auch den Dienstleistungssektor erreicht, so dass es zu einem allgemeinen Beschäftigtenabbau kam. Selbst in der
sog. Zukunftsbranche der Computerdienstleistungen sinkt inzwischen erstmals seit 1988 die Beschäftigtenzahl!
Der Entwicklung am US-Arbeitsmarkt kommt wirtschaftspsychologisch aus zwei Gründen eine große Bedeutung
zu: Erstens weil der Jobrückgang und der Anstieg der Arbeitslosigkeit den Konsum in den USA bremsen dürfte. Kommt es dazu und die Anschläge in New York und
Washington werden dazu zusätzlich beitragen , dann bricht die letzte Stütze der US-Konjunktur weg.
Tatsächlich wurden nach den Anschlägen Daten zum Verbrauchervertrauen und damit zur Konsumentwicklung
veröffentlicht, die noch vor den Anschlägen ermittelt wurden. Sie signalisierten einen regelrechten Einbruch der Konsumperspektiven einen Rückgang des
Verbraucherindex im August von 91,5 auf 83,6 Punkte. Zweitens, weil diese Entwicklung den Mythos vom US-amerikanischen "Jobwunder" zerstört und die Thesen
derjenigen bestätigt, die in diesem "Jobwunder" in erster Linie das Resultat einer zerstörerischen Umwandlung von Normalarbeitsverhältnissen in
"McJobs" sahen. Ironischerweise werden nun die Billigjobs ebenso schnell wieder abgebaut wie sie zuvor geschaffen wurden.
Die aktuelle Krise der US-Ökonomie ist keineswegs Resultat eines puren Wirkens der "Marktkräfte".
Die US-Regierung unter William Clinton und diejenige unter George W. Bush haben einiges getan, um einen Marsch in die Krise zu verhindern. Sie wurden dabei unterstützt und oft auch
diktiert von der US-Zentralbank "Fed" unter ihrem Chef Greenspan.
Die gegenwärtige Rezession in der US-Wirtschaft findet statt
trotz eines massiven Gegensteuerns durch die
Zentralbank Fed, die seit Auftreten erster Krisenerscheinungen und bis zu den Anschlägen sieben aufeinanderfolgende Zinssenkungen vornahm; während der US-Zinssatz
("prime rate") im vergangenen Boom immer deutlich (um bis zu 1,75 Prozentpunkte) über demjenigen der Europäischen Zentralbank (EZB) lag, unterschritt er ab dem
18.4.01 erstmals das EZB-Niveau und lag Ende August 2001 um 0,75 Prozentpunkte unter dem EZB-Niveau;
trotz massiver Steuersenkungen, die insbesondere die Unternehmen
entlasteten, und die unter der Präsidentschaft von Clinton begonnen wurden und unter derjenigen von George Bush jr. beschleunigt fortgesetzt werden;
trotz eines erneuten
Anstiegs der Militärausgaben, insbesondere der Ausgaben für militärische Beschaffungen, der sich insbesondere im Frühjahr und Frühsommer in stark
angestiegenen Aufträgen für militärische Beschaffungen niederschlug; diese Politik entsprach einem spezifischen "militärischen Keynesianismus", einer
kreditfinanzierten staatlichen Ausgabenpolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft mittels wachsender Militärausgaben;
trotz einer deutlichen Ausweitung der
Beschäftigung im staatlichen Sektor exakt in derjenigen Periode, in der in der Industrie und dann im Dienstleistungssektor Jobs massenhaft vernichtet wurden; so liegt die Zahl der beim
Staat Beschäftigten Mitte 2001 um 150000 über dem Vorjahresniveau.
All das bedeutet: Obgleich die Regierung Bush sich ideologisch dem puren Wirken der Marktkräfte verpflichtet sieht,
wurde und wird gerade durch sie (und durch die konservativ geführte Zentralbank unter Greenspan) massiv gegengesteuert, um die Krisenerscheinungen abzumildern. Ohne diese
"staatsinterventionistischen" Eingriffe wären die Auswirkungen der aktuellen US-Rezession nochmals deutlicher, als sie hier beschrieben wurden.
Die japanische Ökonomie galt bis Ende der 80er Jahre als die dynamischste Wirtschaft im weltweiten Kapitalismus: es gab keine Krisen, sondern nur Jahre mit niedrigeren
Wachstumsraten und kurzen Rezessionen. In den 90er Jahren begann eine neue Phase: Zunächst brachen die Börsenkurse und die Spekulation am Grundstücksmarkt ein.
Dann kam es zum Ausverkauf von bisherigen industriellen Perlen an die ausländische Konkurrenz: Mazda ging an Ford, Isuzu und Suzuki an GM, Nissan an Renault, Mitusbishi an
DaimlerChrysler. Und schließlich kamen die Rezessionen, Krisen und eine Stagnationsperiode.
Der entscheidende Grund für diesen Niedergang ist in der japanischen Industrie selbst zu suchen. Die Sonderfaktoren, die
diesen langen Boom ermöglicht hatten, waren kontinuierlich abgebaut worden: der abgeschottete japanische Markt wurde geöffnet; der jahrzehntelang existierende
Produktivitätsvorsprung konnte von der Konkurrenz in den USA und in Westeuropa eingeholt werden; der japanischen Arbeiterklasse gelang es, ihren Lebensstandard erheblich zu
erhöhen (und damit die Profitmargen zu senken). Schließlich musste der japanische Staat sein finanzielles und politisches Engagement für die japanische Industrie wegen
zunehmender Finanzknappheit und politischen Drucks seitens der internationalen Konkurrenz reduzieren.
In der Konsequenz war die gesamte Periode 19912001 von Stagnation, Rezession und kurzen Aufschwungsperioden
bestimmt. Im August 2001 wurde mit den Angaben zur Bruttoinlandsentwicklung im 2.Quartal 2001 (3,2%) deutlich: Japan befindet sich erneut in einer Rezession. Rein statistisch
gesehen handelt es sich bereits um die vierte Rezession binnen eines Jahrzehnts.
Die kurzen "Aufschwünge" waren keine "natürlichen", durch die
"reinigenden" Kräfte der Krise bedingten. Diese wurden vielmehr durch eine extrem keynesianische Wirtschaftspolitik eine Wirtschaftsstimulation auf Pump
herbei geführt. Trotz eines gewaltigen finanziellen Aufwands blieben sie erfolglos. So liegt die japanische Industrieproduktion im Sommer 2001 unter dem Niveau, das bereits 1995
erreicht wurde, und nur leicht über dem 1991er Niveau. Es lässt sich die These aufstellen, dass Japan in den 90er Jahren ein Jahrzehnt der industriellen Stagnation erlebte. Eine
solche Entwicklung gepaart mit den riesigen Konjunkturprogammen dürfte in der Geschichte des Kapitalismus einmalig sein.
Die Erwerbslosigkeit in Japan erreichte in den Monaten Juli und August historische Höchststände. Allein von April
bis August 2001 verloren 1,3 Millionen Japaner ihren Arbeitsplatz. 5% offizielle Arbeitslosenquote das gab es seit Jahrzehnten nicht. 1991 bspw. lag die Arbeitslosenquote bei 2%, und
das galt damals bereits als hoch.
Im Übrigen gilt auch hier: die reale Erwerbslosenquote liegt weit höher; sie dürfte nach EU-
Maßstäben rund das Doppelte betragen. Der Anstieg der Erwerbslosigkeit wirkt sich auch deshalb sozial verheerend aus, weil die japanische Arbeitslosenversicherung als
Teil der generell zerrütteten staatlichen Finanzen vor der Pleite steht. So erhalten die japanischen Arbeitslosen im Jahr 2001 insgesamt nur Hilfen in Höhe von 60% dessen,
was ihnen im vorausgegangenen Jahr gezahlt wurde trotz der stark gestiegenen Arbeitslosigkeit.
Die Obdachlosigkeit im Land hat sich seit 1996 verdoppelt; allein in Japans Hauptstadt kampieren Tausende Menschen nachts
im Freien. Gleichzeitig hat sich die Selbstmordrate massiv erhöht. Die wesentlichen Gründe für die Vielzahl der Suizide sind Stress bei der Arbeit, Jobverlust und Angst vor
dem Arbeitsplatzverlust.
Die wichtigste Frage in Japan lautet nicht: Wann kommt der Aufschwung? Sie lautet: Gelingt es, den Sturz von Stagnation und
Rezession in eine Depression in eine lang anhaltende Krise zu verhindern?
Auch im Fall Japan lässt sich, wie zuvor im Fall der USA, sagen: Die Entwicklung in Rezession und Krise ist keineswegs
allein dem Wirken des "Marktes" und der Kapitalkräfte geschuldet. Die Regierungen in Tokio haben im vergangenen Jahrzehnt viel unternommen, um durch Eingriffe in die
Ökonomie inbesondere durch die erwähnte exzessive keynesianische Wirtschaftspolitik den wirtschaftlichen Verfall zu stoppen. Das gilt auch für die neue
Krise, in die Japans Wirtschaft seit Frühjahr 2001 geraten ist. Zu ihr kam es,
trotz massiver neuer Konjunkturprogramme, die im Jahr 2000 und in 2001 wirksam
wurden,
trotz einer de facto Nullzinspolitik, die die japanische Zentralbank "Bank of Japan" (BoJ) seit vier Jahren verfolgt und trotz neuer finanzpolitischer
Erleichterungen, die die BoJ im Frühjahr 2001 beschlossen hat,
trotz einer neuen Regierung unter Koizumi, die erstmals seit vielen Jahren nicht nur die japanischen Konzerne
und Banken, sondern auch die übergroße Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiß.
Anfang 2001, als sich die US-Ökonomie bereits auf dem Weg in die Rezession befand und Japan vor der neuen Krise stand, da verzeichnete die Wirtschaft in
"Euroland" noch passable Wachstumsraten. Damals rechnete die Europäische Kommission für das Jahr 2001 noch mit einem Wachstum von 2,53%. Doch
bereits vor den Terroranschlägen in New York und Washington war klar: Die westeuropäische Ökonomie liegt beim Marsch in die Rezession nur um rund ein halbes Jahr
hinter der Entwicklung in den USA zurück. Damit dürfte sie mit den Schockwellen, die diese Anschläge auslösten, in den gemeinsamen, beschleunigten
Abwärtstrend einbezogen sein.
Seit Anfang 2001 befindet sich auch in der EU die industrielle Produktion und damit die materielle Basis der
gesellschaftlichen Produktion im Rückwärtsgang: Sie sank im 1.Quartal um 1,2% und im 2.Quartal bereits um 3%. Das BIP dürfte erst ab Mitte oder Herbst 2001
negative Wachstumsraten aufweisen doch dies ist nichts anderes als der normale Gang des industriellen Zyklus auf dem Weg nach unten: Die Krisenerscheinungen äußern
sich zuerst in der industriellen Produktion.
Dienstleistungssektor und der staatliche Bereich wirken in dieser Phase zunächst noch abfedernd. Die Krise
verallgemeinert sich dann als Abwärtstrend der gesamten Ökonomie; also auch des BIP. Ähnlich im Aufschwung, der sich in der Regel zuerst in der industriellen Produktion
und weit später in der Beschäftigung und beim BIP auswirkt.
Bei den Angaben zur EU-Konjunktur muss bedacht werden: Die EU besteht weiterhin aus unterschiedlichen Nationalstaaten mit
einer jeweils eigenen Wirtschaftspolitik und damit mit einem zumindest teilweise unterschiedlichen Verlauf des industriellen Zyklus. Allgemeine Werte zur EU-Wirtschaft gleichen daher eher
Durchschnittswerten einer Region und weniger Angaben über eine einheitliche Ökonomie. So kommt es zu den angeführten sinkenden Wachstumszahlen auf EU-Ebene und
zu den erstmals sinkenden Zahlen der industriellen Produktion in der EU, obwohl bisher einige der EU-Staaten noch ein beträchtliches Wachstum aufweisen.
Das gilt z.B. für die irische und für die spanische Wirtschaft. In Spanien wurde im August noch mit einem
Wirtschaftswachstum von 3% für 2001 gerechnet (nach 4% im Vorjahr). Die Arbeitslosenrate sank im Juli 2001 erstmals seit 20 Jahren auf ein Niveau von weniger als 13%, wobei dies
natürlich aufgrund der enormen Zunahme von Billigjobs ein beschönigter Wert ist. Diese relativ günstigen Konjunkturdaten in einigen wenigen EU-Ländern sind also
bei den angegebenen Durchschnittswerten der EU-Entwicklung bereits "gegengerechnet".
Deutlich wird der aktuelle Marsch in die EU-Rezession, wenn wir die Ökonomie der größeren und dann der
maßgeblichen EU-Nationalstaaten analysieren.
In Schweden wurde noch vor den Ereignissen in New York davon ausgegangen, dass das Wirtschaftswachstum (BIP), das 2000
noch bei 3,5% lag, im Jahr 2001 maximal 1% erreichen wird. Die industrielle Produktion ist seit dem 2.Quartal 2001 rückläufig.
Die italienische Wirtschaft befindet sich seit Frühjahr 2001 auf dem Weg in die Rezession. Ähnlich wie in den USA
der Wechsel vom demokratischen Präsidenten Clinton zum republikanischen Präsidenten Bush diesen Gang in die Krise nicht stoppen konnte, scheint in Italien die weit rechts
stehende Berlusconi-Regierung mit ihren massiven Steuergeschenken für die Unternehmen keine Trendwende erreichen zu können. Das Gegenteil könnte zutreffen: Italien
ist derjenige große EU-Staat, der mehr als die übrigen von den Märkten außerhalb der EU abhängig ist. Angesichts der sich abzeichnenden weltweiten Rezession
und der Schockwellen nach den Attentaten in New York könnte dieses Land demnach in besonderem Maß von einer internationalen Rezession betroffen sein.
Frankreich, der zweitgrößten EU-Ökonomie, kommt bei der weiteren Wirtschaftsentwicklung in Westeuropa
eine besondere Bedeutung zu. Im Frühjahr 2001 lagen die Erwartungen für die französische Wirtschaft mit 3% Wachstum für das laufende Jahr noch hoch und deutlich
über den Perspektiven für die BRD. Doch seither kam es zu erheblichen Einbrüchen. Die industrielle Produktion ist seit dem zweiten Quartal rückläufig. Die
Kapazitätsauslastung sinkt seit Anfang des Jahres 2001. Der französische Unternehmerverband erwartete bereits im August nur noch ein BIP-Wachstum von 1,5%.
Vor allem aber steigt erneut die Arbeitslosenzahl. Sie war in den vergangenen Jahren künstlich erheblich gesenkt worden
durch eine weitreichende Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Nach den USA ist Frankreich Rekordhalter bei der Umwandlung von Normalarbeitsverhältnissen in Billigjobs. Am
1.September trug das eher bedächtige Blatt Le Monde auf Seite 1 die Titelschlagzeile ‹Inquiétante hausse du chomage cet été› (Beunruhigender Anstieg der
Arbeitslosigkeit in diesem Sommer). Allein der Monat August brachte gegenüber dem Vormonat ein Plus von 40000 registrierten Erwerbslosen. In diesem Monat lag die offizielle
Arbeitslosenrate wieder bei knapp 9% und damit nur leicht unterhalb des deutschen Niveaus.
Inzwischen sind in Frankreich wieder mehr als 2 Millionen Arbeitslose registriert. "Die massive Zunahme
angekündigter Sozialpläne und Massenentlasungen beginnt sich nun in konkrete Zahlen umzusetzen. Allein im Monat Juli hat die Zahl von angekündigten Entlassungen aus
wirtschaftlichen Gründen um 7,4% zugenommen." (Le Monde.)
Noch deutlicher sieht der Weg in eine neue Krise im wirtschaftlich wichtigsten EU-Land aus. Die Grundlage des in der Woche der New Yorker Anschläge in erster Lesung in den
Bundestag eingebrachten 2002er Haushalts ist ein BIP-Wachstum von 2% im Jahr 2001. Eine solche Perspektive war bereits vor den Anschlägen in den USA reines Wunschdenken. Schon
im August 2001 ging das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) von einem nur noch einprozentigen Wachstum aus; das Blatt Wirtschaftswoche sah bereits ein
"Nullwachstum" als 2001er Perspektive. Nach den Schockwellen aus New York und den daran anschließenden neuerlichen Börseneinbrüchen dürfte das
letztere noch das günstigste Ergebnis sein.
Die industrielle Produktion in der BRD verzeichnete im 1.Quartal 2001 eine Stagnation, im 2.Quartal war sie
rückläufig. Auch das BIP unterstreicht diese Bewegungsrichtung; es wies im 2.Quartal nur noch ein leichtes Wachstum auf. Gleichzeitig sind alle drei wichtigen Stützen der
Konjunktur gefährdet: Der private Konsum hatte im ersten Halbjahr noch Nahrung durch die Steuersenkungen gefunden. Dieser Effekt ist jedoch bald verbraucht. Die niedrigen
Tarifabschlüsse werden von der Inflation weg gefressen; gleichzeitig sinken die Masseneinkommen durch eine erneut wachsende Arbeitslosigkeit.
Der Export nahm im ersten Halbjahr 2001 noch um 11,4% zu; dieser war damit offensichtlich die wesentliche Stütze der
bundesdeutschen Konjunktur. Die sich verallgemeinernden Rezessionstendenzen, protektionistische Maßnahmen der Empfängerländer und die Folgen der Anschläge
in den USA werden jedoch binnen kurzer Zeit zu einem Rückgang der Ausfuhren beitragen. Dies würde die deutsche Wirtschaft mit ihrer sehr hohen und im letzten Boom weiter
gesteigerten Exportabhängigkeit an ihrer empfindlichsten Stelle treffen.
Bleiben als dritte Stütze die Unternehmensinvestitionen. Diese wirkten im 4. Quartal 2000 mit einem Plus von 6,1% noch
konjunkturstützend. Doch bereits im 1.Quartal 2001 ließ die allgemein eingetrübte Stimmung die Investitionausgaben nur noch um 1,7% steigen. Im 2.Quartal also
ebenfalls vor den Anschlägen in den USA waren diese bereits rückläufig.
Finanzminister Hans Eichel hielt am 11.September 2001, wenige Stunden vor dem Einsturz des World Trade Center, im
Bundestag seine Eröffnungsrede zur Debatte um den Haushalt 2002. Seine entscheidende Botschaft lautete: "Ich bin der sparsame Hans und kann 1. sparen, 2. sparen und 3.
sparen." Eichel begründete die für 2002 vorgesehenen real stagnierenden staatlichen Ausgaben und die real rückläufigen staatlichen Investitionen mit einem
Verweis auf Japan: Dort habe man versucht, mit Konjunkturprogrammen gegen zu steuern. Das habe nichts geholfen und nur zu einer enorm vergrößerten Verschuldung Japans
geführt.
Nun ließe sich argumentieren, ohne diese Konjunkturprogramme sähe es in Japan noch düsterer aus. Vor
allem aber muss ein Nein zu exzessiven Konjunkturprogrammen noch lange nicht heißen, dass die Staatsausgaben reduziert und eine Politik des Totsparens betrieben werden müsse.
Doch genau dem entspricht die aktuelle Politik der SPD-Grünen-Regierung. Diese scheint vor lauter Sparwut keinen
Blick zu haben für die Gefahren eines Absturzes der bundesdeutschen Ökonomie und für die Folgen, die eine deutsche Wirtschaftskrise für die gesamte EU und damit
auch für die Weltwirtschaft haben würde. Das wichtigste Versprechen der Regierung Schröder, die Erwerbslosigkeit bis zur Wahl 2002 deutlich unter 3,5 Millionen zu
senken, wird bei dieser Politik und angesichts der Rezessionsgefahr nicht nur nicht eingelöst.
Im August 2001 scheint vielmehr eine Trendwende stattgefunden zu haben: Erstmals seit April 1998 stieg die Erwerbslosenzahl
gegenüber dem Vorjahr wieder an. Sie dürfte damit im laufenden Jahr im besten Fall auf der Vorjahreshöhe verharren; damals wurden im Jahresdurchschnitt 3,9 Millionen
Erwerbslose registriert. Für das Wahljahr 2002 drohen angesichts der weltweiten Rezession, der deutschen Krisenerscheinungen, der Sparpolitik des Bundes und der Folgen der
Anschläge in den USA ein neuerlicher Anstieg der Erwerbslosigkeit und monatliche Spitzenwerte von bis zu 4,5 Millionen.
Auch für die EU und für die Bundesrepublik Deutschland gilt: Diese Rezession zeichnet sich ab
trotz
einer erheblichen Ausweitung der Zahl der prekär Beschäftigten mit massiven negativen Folgen für die betroffenen Menschen einerseits und mit weiteren
"Entlastungen" und Geschenken für die Unternehmen andererseits;
trotz massiver Steuersenkungen und Privatisierungen, wie sie von den neoliberalen
Wirtschaftsexperten eingeklagt und als Voraussetzung für ein "verstetigtes Wachstum" genannt wurden;
trotz inzwischen zweimaliger Zinssenkungen, die die
Europäische Zentralbank seit Beginn der ökonomischen Schwächeanzeichen im Frühsommer 2001 vornahm.
So droht denn im zweiten Halbjahr 2001 die Situation, dass sich alle drei großen Zentren des Kapitalismus gleichzeitig in
der Rezession befinden. Eine solche gefährliche Konstellation gab es seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie wird verschärft durch die Gefahr einer neuen Krise in den
Schwellenländern.
Erinnert sei an die Jahre 1997/98. Damals gab es die schwere Krise der südostasiatischen Schwellenländer, auch "Tigerstaaten" genannt. Im Gefolge wurden
Russland und Brasilien von dieser Krise erfasst. Diese Krise hatte schwerwiegende Konsequenzen für die betroffenen Menschen u.a. in Form massiver Einkommensverluste und
einem sprunghaften Anstieg der Erwerbslosigkeit. Die betroffenen Länder erlebten einen Ausverkauf großer Teile der Industrie und einen Zusammenbruch vieler Banken. Doch die
Zentren der Weltwirtschaft Nordamerika, Japan und Westeuropa wurden nur am Beginn dieser Regionalkrisen in größerem Umfang negativ beeinflusst,
insbesondere im Börsen- und Finanzsektor.
Sie konnten die Krise der Tigerstaaten "wegstecken", weil es damals keine Rezession in den USA oder Westeuropa
gab, weil der lange Boom insbesondere in Nordamerika neue Exportmöglichkeiten eröffnete und weil der IWF mit gewaltigen neuen Krediten den betroffenen Ländern dazu
verhalf, eine Runde weiter zu kommen.
Seit Frühjahr 2001 erleben wir erneut das Aufbrechen einer solchen Krise in Schwellenländern. Die Türkei
und Argentinien sind hierfür exemplarische Fälle; die hier stattfindende Krise hat jeweils konkrete Rückwirkungen auf unterschiedliche kapitalistische Zentren.
Die Türkei erlebt seit gut einem Jahr eine Wirtschafts- und Finanzkrise. Als Folge des Freihandelsabkommens mit der
EU erwies sich die türkische Wirtschaft gegenüber dem Ansturm der Waren- und Kapitalexporte machtlos. Flächendeckend bricht insbesondere die von kleinen und
mittelgroßen Betrieben bestimmte Wirtschaft zusammen; allein in der Schuhbranche wurden 300000 Arbeitsplätze zerstört. Hunderttausende Bauern werden in den Ruin
getrieben.
Allein im Zeitraum Mitte 2000 bis Mitte 2001 schnellte die Arbeitslosenzahl um eine Million Menschen nach oben. Im
Frühjahr 2001 kam eine Finanzkrise hinzu. Die Regierung musste bereits 18 Banken verstaatlichen, um einen Zusammenbruch des Finanzsektors zu verhindern. Die türkische
Währung wurde um 40% abgewertet, um der Exportwirtschaft Luft zu verschaffen.
Die Folge ist eine weiter steigende Inflation durch verteuerte Importe und ein in Dollar bewerteter Schuldenberg, der sich in
Landeswährung gemessen entsprechend verteuerte. Mit 130 Milliarden US-Dollar Auslandsschuld, von denen allein im Jahr 2001 27 Milliarden Dollar fällig werden, steht das Land
vor dem Staatsbankrott.
Bleibt die übliche "Lösung": Der IWF ist zu einem neuen Großkredit in Höhe von rund
25 Milliarden US-Dollar bereit, wenn die Türkei zusagt, die Staatsausgaben um ein Viertel zu reduzieren. Damit wird die türkische Bevölkerung jedoch noch mehr ins Elend
gestoßen, u.a. weil Ausgaben im sozialen und im Bildungsbereich reduziert werden. Gleichzeitig wird so die Abhängigkeit der Türkei von den Großbanken und von den
führenden Konzerne erhöht.
Zu Argentinien schlagzeilte die FAZ im Juli 2001 zynisch: "Der letzte Tango". In diesem Land war es bereits im
vergangenen Jahr zu einer offenen Krise gekommen, die der IWF durch einen neuen 15-Milliarden-Dollar-Kredit glaubte, behoben zu haben. Im Frühjahr 2001 verschärften sich
erneut Krisentendenzen. Die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch an; es gibt eine Verelendung großer Teile der Bevölkerung, gerade auch des ehemaligen "Mittelstands".
Die Wirtschaft erlebt einen Verfallsprozess. Hunderttausende flüchten in die Tauschwirtschaft; in vielen Städten und Kommunen wurden eigene lokale Währungen und
Schuldscheine ausgegeben.
Hunderttausende Argentinier verlassen das Land, weil sie dort keine Perspektive mehr sehen. Argentinien kann die
Auslandsschuld von 150 Milliarden US-Dollar aus eigener Kraft nicht mehr bedienen und müsste unter normalen Bedingungen den Staatsbankrott erklären. Auch hier scheint der
einzige Ausweg, der im Rahmen des kapitalistischen Systems verbleibt, in einem neuen IWF-Kredit zu bestehen. Tatsächlich bietet der IWF einen solchen neuen Kredit an. Dieser ist
jedoch auch hier mit Auflagen verbunden, die große Teile der Bevölkerung noch tiefer in Armut und Verelendung stoßen müssen. Unter anderem will die Regierung de
la Rua das subventionierte Essen für 300000 Schülerinnen und Schüler streichen.
Im erwähnten FAZ-Artikel heißt es fast höhnisch: "Man kann sich fragen, wie ein von der Natur so
reich beschenktes Land derart in der Krise versinken kann." Der Artikel legt nicht offen, dass die argentinischen Regierungen unter Menem und de la Rua ebenso wie die
türkischen Regierungen in den letzten Jahren all das getan haben, was in den Lehrbüchern des Neoliberalismus steht, was die Regierungen in Washington, Madrid, Berlin,
Paris, was der IWF und nicht zuletzt was die Kommentatoren in der FAZ gefordert hatten: Sie haben die Zollschranken abgebaut und ihre Märkte geöffnet. Sie haben das
öffentliche Eigentum fast komplett verkauft: Eisenbahnen, Fluglinien, Elektrizitäts- und Wasserwerke.
Tragischerweise wurden oft Sektoren und Unternehmen reprivatisiert, die sich früher im Eigentum der alten
Kolonialmächte befunden hatten, die im Prozess der nationalen Emanzipation nationalisiert wurden und wo nun oft Eigentümer aus der ehemaligen Kolonialmacht
etwa spanische Unternehmen in Argentinien erneut zu den Eignern werden. Schließlich hat Argentinien sogar seine Währung, den Peso, mit einem Verhältnis von 1:1
an den Dollar gebunden und diese Bindung in die Verfassung aufgenommen.
Derzeit stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Peso abgewertet wird; ohne eine solche Abwertung droht der Exportwirtschaft
der Verlust eines großen Teils der Märkte. Es stellt sich nur noch die Frage, ob eine solche Abwertung dem puren Druck der Märkte folgend vor einer
Verfassungsänderung, also unter Bruch der Verfassung erfolgt. Oder ob der Schein gewahrt und zuerst die feste Peso-Dollar-Bindung aus der Verfassung heraus komplimentiert und dann
kräftig abgewertet wird.
Wenn diese Länder nun in existenziellen Krisen versinken, dann nicht trotz dieser neoliberalen Rezepte, sondern wegen
ihnen: Diese Länder gaben sich als Musterknaben der Globalisierung. Sie werden nun vom Weltmarkt für ihren tumben Gehorsam abgestraft. Im Grunde war diese Entwicklung
absehbar; sie wurde auch von marxistischen Theoretikern vorhergesagt: Wenn Ökonomien mit ungleicher Produktivkraft zu gleichen Bedingungen miteinander konkurrieren, wenn also die
Märkte der Dritten Welt geöffnet und Schutzzölle abgebaut werden, dann werden logischerweise die Konzerne und Banken der produktiveren Ersten Welt einen
Großteil der einheimischen Unternehmen in den Schwellenländern und erst recht solche in sog. Entwicklungsländern vom Markt fegen oder
übernehmen.
Auch der Umstand, dass dieser Prozess sich in aller Deutlichkeit erst nach einigen Jahren zeigt, lässt sich leicht
erklären: Da diese Drittweltländer in der ersten Phase dieses "Öffnungsprozesses" all die lukrativen Happen der ehemals staatlichen Sektoren (wie
Telekommunikationgesellschaften, Eisenbahnen, Wasserwerke, Bergwerke) den großen Konzernen und Banken aus Nordamerika, Japan und Westeuropa offerierten, wurden
zunächst diese verfrühstückt. Nunmehr, wo sich kaum mehr solche Vorspeisen finden, folgt das große Fressen.
Dennoch handelt es sich auch aus Sicht der Ökonomien in den großen kapitalistischen Zentren um einen
widersprüchlichen Prozess, der dem Westen keineswegs nur Vorteile bringt. Denn die Krise in den Schwellenländern schlägt heute auf die Erste Welt zurück. Wenn
die Südostasienkrise 1997/98 vom Weltkapitalismus relativ schnell eingedämmt und die Auswirkungen auf die kapitalistische Zentren eingeschränkt werden konnten, so sind
die Voraussetzungen für eine solche Eindämmung im Jahr 2001 wesentlich schlechter. Die neue Krise in maßgeblichen Schwellenländern und die
Türkei und Argentinien sind nur zwei herausragende Beispiele wird massive Rückwirkungen auf die gesamte Gruppe der Schwellenländer und schließlich auf
die Zentren des Kapitalismus, die sich bereits in einer Rezession befinden, haben. Beispielsweise ist die Türkei der viertwichtigste Exportmarkt der EU. In Argentinien wiederum sind
große US-Banken und viele spanische Großunternehmen engagiert.
Die Angst vor einer "Weltwirtschaftskrise", die in der gegenwärtigen Situation umgeht, bedarf zunächst der Definition. Eine Rezession oder eine
"normale" kapitalistische Krise findet jeweils am Ende eines industriellen Zyklus statt und drückt sich in einem Rückgang der Wachstumsraten (= Rezession) oder in
einem absoluten Rückgang der materiellen Produktion (= Krise) aus.
Im Gefolge dieser Rezessionen und Krisen kommt es zu einem oft erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, der
in der Regel im neuen Aufschwung zumindest teilweise wieder abgebaut wird. Die Dauer dieser Rezessionen oder Krisen reicht von wenigen Monaten (so in der BRD 1966/67) bis zu zwei
Jahren (so in den internationalen Rezessionen 1974/75 und 198082). Im Finanz- und Börsensektor haben diese Krisen in der Regel lediglich Auswirkungen in Form eines
zeitweiligen Rückgangs der Kurse, in periodisch sinkenden Zinssätzen und in den Bankrotten einzelner Finanzinstitute. Diese "gewöhnlichen" Rezessions- und
Krisenerscheinungen wirken "bereinigend": Es werden Kapazitäten vernichtet, Lohnkosten durch "Freisetzungen" von Arbeitskraft reduziert,
Disproportionalitäten durch Pleiten und teilweise Verlagerungen der Kapitalanlage beseitigt.
Eine Weltwirtschaftskrise geht über all dies hinaus. Mit ihr ist das Zusammenfallen spezifischer Krisenmomente
verbunden:
Einer allgemeinen und weltweiten Wirtschaftskrise am Ende eines internationalen industriellen Zyklus. Diese hat in den großen kapitalistischen Zentren eine
weltweite Kontraktion der materiellen Produktion zur Folge einen erheblichen Rückgang der industriellen Produktion und ebenfalls einen Rückgang des BIP. Diese
Einbrüche beginnen meist in denjenigen Sektoren und sind fast immer dort am stärksten, wo zuvor der größte und "übertriebene"
Boom stattgefunden hat. In der aktuellen Situation trifft dies vor allem auf den Bereich der Informationstechnologie (IT) zu.
Eine dadurch bedingte weltweite, starke Erhöhung
der Arbeitslosenzahl. Meist gab es im abgelaufenen Zyklus und in den vorausgegangenen Zyklen bereits einen hohen "Sockel" der Arbeitslosigkeit, der im vergangenen Aufschwung
nur noch unwesentlich abgebaut werden konnte. Die stark steigende Arbeitslosigkeit stellt nicht nur einen gravierenden sozialen Faktor dar; sie hat massive wirtschaftliche Konsequenzen, weil
mit ihr die kaufkräftige Massennachfrage stark reduziert wird. Dies wiederum wirkt krisenverschärfend.
Ein umfassendes Übergreifen der Krisenerscheinungen
auf den Finanzsektor in Form eines massiven Rückgangs der Börsenkurse, großer Bankenpleiten (so 1929 der Zusammenbruch der Dresdner und der Diskonto-Bank),
einzelner faktischer Staatsbankrotte (so 1930 die De-facto-Pleite des Deutschen Reichs, das die vertraglich verpflichtenden Reparationsleistungen nicht mehr bezahlen konnte). Die Crashs im
Finanzsektor haben wiederum massive Rückwirkungen auf den Bereich der materiellen Produktion. Sie resultieren bspw. in massenhaften Pleiten von kleinen, mittleren und
größeren Firmen z.B. weil deren Börsenwert sank, weil deren Gläubigerbank "abhanden" kam, weil deren Kreditwürdigkeit durch
zusammenbrechende Märkte nicht mehr gegeben war.
Schließlich mündet all dies in eine "Depression", in einen länger andauerndem
Rückgang der Produktion bzw. in eine längere (drei- und mehrjährige) Stagnation der Produktion. Oft ist die Depression von einer "Deflation" begleitet. Deflation
meint das Gegenteil von "Inflation", meint den Verfall der Preise: die weg brechenden Märkte, die niedrigen Zinsen, die Überkapazitäten und die
gemessen an der Nachfrage Überproduktion führen dazu, dass jeder Anbieter versucht, die Konkurrenz zu unterbieten. Wegen der Massenerwerbslosigkeit und dem
fortgesetzten Sozialabbau bringt die Deflation der Masse der Bevölkerung keine Vorteile: der allgemeine Lebensstandard sinkt weiter.
In der gegenwärtigen Weltwirtschaftslage kann zumindest festgestellt werden: Die Gefahr, dass es zu einer
Weltwirtschaftskrise kommt, hat sich im letzten Industriezyklus (19912000 in den USA; 19922001 in Westeuropa) und insbesondere in den letzten Jahren vor der
"Wendemarke 11.September 2001" enorm erhöht.
Unabhängig von den Ereignissen in den USA trafen bereits vor diesem Einschnitt die ersten zwei der oben genannten
Kriterien für eine Weltwirtschaftskrise zu: Wir befinden uns in einem weltweiten Abschwung; dieser findet in den wichtigen Zentren des Kapitalismus weitgehend "synchron"
statt. Die reale Arbeitslosigkeit hatte bereits in den 90er Jahren ein historisch hohes Niveau erreicht; sie war weltweit gesehen nur unzureichend abgebaut worden und sie steigt seit Anfang 2001
in den USA, in Japan und in wichtigen Schwellenländern und seit Mitte 2001 auch in Westeuropa wieder an.
Das dritte Kriterium war vor den Terroranschlägen in den USA zumindest teilweise erfüllt: Es gab seit geraumer
Zeit massive Rückgänge an den Börsen. Die Gefährdung vieler Großbanken, vor allem in Japan ist real. Der drohende Staatsbankrott Argentiniens ist ein
herausragendes Beispiel für eine äußerst labile Situation.
Es reicht nicht allein, die gegenwärtigen ökonomischen Realitäten mit den Kriterien abzugleichen, die eine Weltwirtschaftskrise ausmachen. Beachtet werden muss auch,
dass es heute eine Reihe von besonderen Krisenrisiken gibt, die das Umkippen der Rezession in eine weltweite schwere Krise begünstigen und die durch die Anschläge ein noch
größeres Gewicht erhalten.
Als erstes ist hier die weiter bestehende enorme Labilität der Börsen zu nennen, die in immer neue
"Tiefstände" mündet: Allein bis zum 13.September und im Vergleich zum Niveau, das am 1.1.2000 erreicht war, gab es an den traditionellen Börsen bereits vor
Öffnung der US-Börsen weitreichende Einbrüche, obgleich die US-Zentralbank Fed den Zinssatz um 0,5 Prozentpunkte senkte und andere führende Zentralbanken, so
die EZB, die Schweizer Zentralbank und die kanadische Bundesbank vergleichbare hohe und ungewöhnlich starke Zinsreduzierungen vornahmen.
Bereits vor den Ereignissen vom 11.September hatten an den wichtigen internationalen Börsen Einbrüche und
Rückgänge vorgelegen, wie sie das erste Jahr der Weltwirtschaftskrise 1929 gekennzeichnet hatten. Im Gefolge des 11.September vertieften sich diese Einbrüche nochmals.
Die Einbrüche nach den Anschlägen in New York und Washington fanden im Übrigen statt, obwohl die zwei großen Zentralbanken Fed in den USA und EZB in der EU
mit Milliarden-Summen an den Märkten intervenierten, um noch größere Kurseinbrüche zu verhindern.
Die Rahmenbedingungen an den Weltbörsen und die Kursstürze im direkten Anschluss an die Anschläge
sind geeignet, eine länger andauernde Massenflucht aus dem Aktienmarkt herbeizuführen.
Als das zweite "besondere Krisenfeld" ist zweifellos die zweitgrößte Ökonomie der Welt, Japan,
zu nennen. Dieses Land befindet sich, wie beschrieben, bereits seit mehreren Jahren in einer Depressionsphase. Diese mündete wie im Lehrbuch bereits in einer Deflation mit einem seit
zwei Jahren rückläufigen Preisniveau. Durch die wiederholten, vergeblichen Versuche, die Wirtschaft mittels zusätzlicher Staatsausgaben auf Kreditbasis anzukurbeln,
entspricht die offizielle Staatsschuld bereits 130% des Bruttoinlandprodukts. Japan ist damit der am höchsten verschuldete Industriestaat.
Im August beschloss die japanische Regierung ein neues staatliches Ausgabeprogramm, um den dramatischen Anstieg der
Arbeitslosigkeit abzumildern. Damit wird jedoch die Staatsschuld entgegen allen verkündeten Prinzipien Koizumis weiter ansteigen. Im selben Monat August
verkündete die weltweit führende Ratingagentur Moodys, sie werde die japanischen Staatsanleihen neu "bewerten", also die Kreditwürdigkeit des japanischen
Staates herab stufen. Kommt es zu einer solchen Neu- und Abwertung, dann würde Japan diesbezüglich auf gleichem Niveau wie z.B. Staatsanleihen der Republik Slowenien
rangieren was eine massive Flucht aus japanischen Staatspapieren zur Folge haben könnte.
Die größte Gefahr geht in Japan jedoch vom japanischen Bankensektor aus. Dieser schiebt einen Berg fauler
Kredite vor sich her, der umgerechnet 395 Milliarden Dollar entspricht. Würden diese nicht eintreibbaren Kredite, wie bei einem normalen Geschäftsgebaren üblich,
abgeschrieben, brächen mehrere Großbanken zusammen. Japans Regierung hat bereits Notstandspläne in den Schubladen liegen, wie im Extremfall mehrere einbrechende
Banken zu verstaatlichen wären. Genau ein solches Ereignis könnte allerdings zum Ausgangspunkt einer Weltwirtschaftskrise werden.
Die kurzzeitige Verstaatlichung der zusammenbrechenden Dresdner Bank und der Diskonto Bank bildete 1929/30 immerhin die
Ouvertüre für die große Krise und Depression der Jahre 19291932. Hier gibt es im Übrigen einen "Krisenfaktor im Krisenfaktor": Japanische
Unternehmen und Privatpersonen in Japan halten US-Staatspapiere in einer geschätzten Gesamthöhe von umgerechnet 300 Milliarden US-Dollar (?). Wenn sich die
Krise in Japan vertieft, dann dürfte versucht werden, durch den Verkauf dieser Papiere die "Löcher" in japanischen Bilanzen auszugleichen. Das wiederum kann den
Anleihenmarkt in Japan massiv unter Druck setzen.
Ein dritter besonderer Krisenfaktor ist das allgemein hohe Niveau der Verschuldung: Private Haushalte, Unternehmen und
insbesondere Nationalstaaten haben in den hochindustrialisierten Ländern inzwischen Schuldenberge angehäuft, die teilweise auf historischem Rekordniveau liegen. Das gilt bspw.
für die Telekommunikationskonzerne, die nach der Welle von Übernahmen und Preiskriegen zum größten Teil überschuldet sind. Eine besondere Rolle spielen
dabei die Sonderkredite, die im Rahmen der UMTS-Lizenz-Versteigerungen aufgenommen wurden. Denn wenn die technologische Umstellung auf UMTS nicht wie geplant realisiert wird, dann
drohen in der Branche mehrere Großpleiten und mehrere hundert Milliarden Dollar "fauler" Kredite.
Vergleichbare Überschuldungsphänomene sind bei einer großen Zahl von Großunternehmen
festzustellen. So vervierfachten sich weltweit zwischen 1998 und 2001 die Zahlungsausfälle von Großunternehmen. Überschuldet sind auch zumindest drei EU-Länder:
Griechenland, Belgien und Italien. Bei diesen machen die öffentlichen Schulden mehr als 100% des BIP aus.
Einen vierten besonderen Krisenfaktor stellt die Elektronik- und IT-Branche dar. Während dieser Sektor den
vorausgegangenen Boom in einem erheblichen Umfang "befeuert" hatte, gibt es nun in diesem eine gewaltige Überproduktion mit Preisverfall und Massenentlassungen.
Betroffen sind Weltkonzerne wie Siemens, Philipps, Motorola, Sony, Fujitsu, NEC, HewlettPackard, Nokia, Eriksen, Xerox, aber auch ein großer Teil von neuen Hightechunternehmen.
Diese Unternehmen bestimmen in ihren Heimatländern oft in erheblichem Maß das Börsengeschehen.
Als fünfter besonderer Krisenfaktor sind die Schwellenländer zu nennen. In Südostasien ist die
Regionalkrise von 1997/98 noch keineswegs überwunden. Einige der damals besonders gebeutelten Unternehmen standen bereits vor dem 11.9. vor einer neuen Krise zu stehen so
z.B. Südkorea. Die beschriebene Krise im IT-Sektor beschleunigt die Krise bei diesen ehemaligen "Tigerstaaten", da sich diese auf die Elektronikindustrie konzentriert hatten.
Im Anschluss an die Anschläge in den USA kam es insbesondere an den lateinamerikanischen Börsen zu heftigen
Abwärtsbewegungen; teilweise blieben Börsen, so die mexikanische, auch geschlossen. Trotz des Rückgangs des Dollarkurses verloren lateinamerikanische
Währungen gegenüber dem US-Dollar zusätzlich an Wert. So erreichte der brasilianische Real am 13.9. mit 2,67 Real für 1 US-Dollar einen historischen Tiefstwert.
Dabei ist zu beachten, dass die Schwellenländer heute im Konzert der Weltwirtschaft ein weit größeres
Gewicht einnehmen als jede vergleichbare Ländergruppe (z.B. die Kolonien) zum Zeitpunkt der letzten Weltwirtschaftskrise. Eine neue schwere Regionalkrise in Lateinamerika bzw. in
Südostasien oder in Osteuropa würde daher erhebliche negative Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft haben.
Einen sechsten besonderen Krisenfaktor bildet die Entwicklung der Rohstoffpreise, was wiederum in starkem Maß die
Länder der Dritten Welt beeinflusst. Zunächst erhöht sich mit den Krisentendenzen ganz allgemein in der Dritten Welt der Druck, die neoliberalen Modelle beschleunigt und
in ihrer brutalsten Form umzusetzen. Den Hebel bildet dabei, wie an den Beispielen Türkei und Argentinien beschrieben, die Überschuldung vieler Drittweltländer.
Zusätzlich drohen als Folge der weltweiten Rezessionstendenzen und der nachlassenden Nachfrage die Rohstoffpreise
ausgenommen der Rohölpreis zu sinken. Das kann in vielen Drittweltländern zu existenziellen Krisen führen, da die Exporteinnahmen sinken. Diese
Tendenz wird verstärkt durch das rückläufige Wachstum des Welthandels und durch eine wachsende Abschottung von OECD-Märkten gegenüber Importen aus
der Dritten Welt.
Ein siebter besonderer Krisenfaktor ist die Verschärfung der internationalen Konkurrenz und das Entstehen eines neuen
Protektionismus. Die verschärfte Konkurrenzsituation schlägt sich im Übrigen bereits in kartellrechtlichen Verfahren und Fusionsstreits nieder. So hatte die EU vor einigen
Jahren versucht, die Fusion zwischen den zwei Flugzeugherstellern Boeing und McDonald-Douglas zu verhindern. Das misslang. Anfang 2001 wollten die beiden US-Unternehmen General
Electric und Honeywell fusionieren. Diesmal gelang es dem EU-Kartellamt, die Fusion zu verhindern. Auf diesem Gebiet dürfte es in kurzer Zeit zu einer "Antwort" durch die
US-Seite und damit zu einer Verschärfung der Konflikte in der weltweiten Wirtschaftspolitik kommen.
Schließlich ist achtens als besonderer Krisenfaktor die Einführung des Euro, die endgültig Anfang des Jahres
2002 erfolgen soll, anzuführen. Die weltweite Rezession und die finanzpolitischen und währungspolitischen Erschütterungen, die als Folge der Terroranschläge in den
USA stattfinden, könnten die faktische Einführung des Euro zum 1.1.2002 gefährden.
Die Wirtschaftspolitik in der EU wird in 15 EU-Hauptstädten von Regierungen bestimmt, die formell in erheblichem
Maß und faktisch fast vollständig unabhängig "souverän" sind. Unter dem Ansturm einer Krise oder in Konfrontation mit spezifischen
Spekulationen, wie sie nach den Anschlägen oder im Zusammenhang mit der Ausgabe der neuen Zahlungsmittel am 1.1.2002 vorstellbar sind, kann diese Autonomie der einzelnen EU-
Mitgliedstaaten nochmals deutlicher praktiziert werden.
Das Projekt Euro könnte sich dann als ebenso künstlich erweisen und ebenso scheitern, wie ein vergleichbares
Projekt vor 73 Jahren scheiterte: die gemeinsame skandinavische Währung, die 1929 unter dem Ansturm der Weltwirtschaftskrise wieder aufgegeben werden musste.
Die beschriebene Politik massiver Zinssenkungen, die die US-amerikanische Fed betrieb, und die weit vorsichtigere
Zinsenkungspolitik der EZB sind Teil dieses Machtspiels.
Nach den Terroranschlägen in den USA und im Zusammenhang mit Militärschlägen der USA wird sich
dieser Währungszweikampf neu verschärfen. Dabei dürfte erneut die Politik ausschlaggebend sein: Ein "starkes" Auftreten der US-Militärs könnte
den Dollar-Kurs erneut hochtreiben und den Euro degradieren.
Von diesen hier beschriebenen acht besonderen Krisenfaktoren kann jeder für sich mit seinen Rückwirkungen auf die Kernländer des Kapitalismus den
entscheidenden Ausschlag für das Umschlagen der internationalen Rezession in eine Weltwirtschaftskrise darstellen. Die jüngsten Ereignisse in den USA erhöhen diese
Gefahr.
Für die Linke und für diejenigen, die sich gegen die Globalisierung engagieren, kann es angesichts der
Rezessionsgefahren und im Gefolge der Ereignisse vom 11.September nicht darum gehen, Krisenangst zu schüren. Es wäre jedoch auch falsch, die Augen zu verschließen und
die realen Gefahren und ihre Bedeutung zu ignorieren. Notwendig ist eine nüchterne Analyse des weltweiten Kapitalismus, seiner Krisentendenzen und ihrer Ursachen. Nur aus einem
solchen umfassenden Verständnis der Situation lassen sich der notwendige lange Atem und die erforderliche weitreichende Konzeption für eine Alternative gewinnen.
Angesichts der Verschärfung der Krisenerscheinungen besteht die Gefahr, dass Linke, Gewerkschaften und
Globalisierungsgegner sich einer neuen schweren politischen und wirtschaftlichen Krise des Kapitalismus gegenüber sehen, jedoch den Herausforderungen, die auf sie zukommen, nicht
gewachsen sind.
Es geht darum, erstens den grundlegenden Charakter des Kapitalismus zu verstehen, die Kritik an ihm nicht auf einen einzelnen
Aspekt, z.B. die Finanzspekulation, zu reduzieren. Zweitens ist es notwendig, die soziale Frage und den konkreten Widerstand ins Zentrum der Debatten zu rücken. Drittens
schließlich muss gerade in der aktuellen Situation ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass Kapital und Krieg eine Einheit bilden und dass wir in erster Linie der neuen
Militarisierung und der wachsenden Kriegsgefahr entgegentreten müssen.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04